Discountprimus Aldi knöpft sich den Markt für Tiefkühl-Pizza vor. Nach einem Bericht der „Lebensmittelzeitung“ will Aldi Nord ab kommender Woche Ristorante/Die Ofenfrische von Oetker anbieten. Aldi Süd verkauft bereits seit einigen Tagen Wagner-Tiefkühlpizza von Nestlé.
Die Pizza-Offensive des Billigheimers ist Teil eines umfangreichen Strategiewechsels. Setzte Aldi in der Vergangenheit fast ausschließlich auf Eigenmarken in seinen Regalen, listete der Discounter in den vergangenen Monaten immer mehr Markenartikel ein – und entfachte damit teils heftige Preisgefechte mit den Rivalen Lidl und Kaufland. Nun hat der Preiskampf auch die Tiefkühltruhen erfasst.
So verkaufte Lidl Wagner Pizza bis dato für 2,59 Euro. Bei Kaufland gab es das Produkt für 2,69 Euro. Doch nach der Einlistung bei Aldi Süd zu einem Startpreis von 2,29 Euro, zückten die Wettbewerber den Rotstift.
Die größten Lebensmittelhändler Deutschlands
Bartells-Langness
Umsatz mit Lebensmitteln 2015: 3,09 Milliarden Euro (Schätzung)
Globus
Umsatz mit Lebensmitteln 2015: 3,23 Milliarden Euro
Rossmann
Umsatz mit Lebensmitteln in Deutschland: 5,18 Milliarden Euro
dm
Umsatz mit Lebensmitteln 2015: 6,33 Milliarden Euro
Lekkerland
Umsatz mit Lebensmitteln 2015: 8,98 Milliarden Euro
Metro (Real, Cash & Carry)
Umsatz mit Lebensmitteln 2015: 10,27 Milliarden Euro (Schätzung)
Aldi (Nord und Süd)
Umsatz mit Lebensmitteln 2015: 22,79 Milliarden Euro (Schätzung)
Schwarz-Gruppe (Lidl, Kaufland)
Umsatz mit Lebensmitteln 2015: 28,05 Milliarden Euro (Schätzung)
Rewe-Gruppe
Umsatz mit Lebensmitteln 2015: 28,57 Milliarden Euro (Schätzung)
Edeka (inkl. Netto)
Umsatz mit Lebensmitteln 2015: 48,27 Milliarden Euro
Quelle: TradeDimensions / Statista
Lidl senkte den Pizza-Tarif um 60 Cent, Kaufland reduzierte den Preis um 70 Cent. In den Läden der Aldi-Wettbewerber ist Wagner-Pizza damit inzwischen für 1,99 Euro zu haben. Das wiederum hat Aldi auf den Plan gerufen. Der Discounter parierte den Gegenschlag seiner Rivalen ebenfalls mit dem Rotstift und senkte den Pizzapreis auf Lidl-Niveau.
In der Branche wird nun mit Spannung verfolgt, ob die neue Untergrenze Bestand hat, oder der Preislimbo in die nächste Runde geht. Schließlich geht es bei dem Duell um weit mehr als die günstigste Pizza.
Kampf um die Preis-Untergrenze
Für den Lebensmittelhandel ist Aldi das, was die Opec für den Ölmarkt ist. Der Konzern definiert die Preis-Untergrenze, wer es wagt, den Primus zu unterbieten, lässt sich auf einen margenvernichtenden Wettbewerb ein. Bisher blieb Aldis Preisprimat jedoch auf No-Names beschränkt.
Aldis Ansprüche wachsen
Nun wachsen Aldis Ansprüche in das Reich der Markenprodukte und reizen damit vor allem den Dauerrivalen Lidl, der schon seit Jahrzehnten Nivea-Deo, Coca-Cola und andere Promiprodukte verkauft. Entsprechend heftig wird um die Preisführerschaft gerungen.
Schon in den vergangenen Monaten folgte Schlagabtausch auf Schlagabtausch, sobald neue Marken in den Regalen von Aldi auftauchten. Auf breiter Front sackten etwa die Preise von Funny-Frisch-Chips, Mumm-Sekt und Miracle Whip. Im Schnitt rauschten die Preise von Markenprodukten nach einer Listung bei Aldi um rund 17 Prozent, hat der Marktforscher GfK ermittelt.
Wie Aldi groß wurde
Wer hatte eigentlich die Idee Aldi so zu gründen, wie wir es heute kennen? Es wird wohl nie endgültig zu klären sein. Aber viele Indizien deuten darauf hin, dass es eher Karl Albrecht war als sein Bruder Theo. Das soll aber nicht schmälern, welch wichtigen Beitrag auch Letzterer beitrug.
Der Krieg war aus. 1946 im zerbombten Essen-Schonnebeck begann die Erfolgsgeschichte zwischen Lebensmittelkartons und Krämerware. Das Brüderpaar Karl und Theo Albrecht erkannte die Chance, die die Phase der sozialen Umorientierung bot. Sie bauten den Tante-Emma-Laden der Eltern aus.
Karl und Theo Albrecht erkannten rasch, dass der Laden der Eltern ihnen beiden keine Zukunftsaussicht bot. Sie entdeckten die betriebswirtschaftliche Zauberformel der Zeit „Nachfrage versus Bedarfsdeckung“ für sich und schafften es, sie im Sinne des Kunden zu lösen.
Karl und Theo Albrecht lebten die Anforderungen der damaligen Zeit in perfekter Symbiose. Sie hatten weder äußerlich viel gemeinsam noch waren sie ähnlich gepolt. Theo überragte seinen Bruder um Kopfeslänge. Doch der „Kleinere“ war Vordenker und Impulsgeber. Ungeduldig, beredt, rastlos, bisweilen explosiv war Karl. Theo wirkte dagegen eher zurückhaltend, sogar zögerlich abwägend.
Die beiden Brüder waren in ihrer uniformen Arbeitsauffassung füreinander ein Glücksfall. Von vornherein waren die Aufgaben geteilt: Karl versah den Innen-, Theo den Außendienst. Sprich: Karl kümmerte sich um die schwierige Einkaufspolitik. Es war nicht einfach, die richtige Ware preiswert und in ausreichende Menge zu erhalten. Theo betreute die Verkaufsstellen sowie die Verwaltung und Buchhaltung.
1946 begann es mit dem kleinen Laden der Eltern. 1950 nannten die beiden Brüder eine Kette von 13 Läden inklusive Bedienungen ihr Eigen. Nun strukturierten sie ihre Läden nach dem Discountprinzip um. 1961 trennten sie ihre Geschäfte in Aldi Nord und Aldi Süd.
Zur moralischen Stabilität ihrer Konzerne trug maßgeblich die persönliche Lebensweise der Brüder bei. Beide waren im Auftreten zurückhaltend und lebten bescheiden. Sie waren nach alter Schule nach den Prinzipien Sparsamkeit und Kargheit erzogen.
Als einzigen „Luxus“ erlaubten sie sich ein eigenes Auto. Auf sein Golfschloss in Donaueschingen schickte Karl Albrecht seine Führungskräfte zum Entspannen. Die Brüder kannten keine Scheu vor ihrer kleinbürgerlichen Herkunft. Die Adresse Huestraße 89 in Essen-Schonnebeck wollten sie nie abstreifen. Sie waren stets praktizierende Katholiken und wollten in der Öffentlichkeit so wenig wie möglich wahrgenommen werden.
Theo Albrecht hatte eine Marotte: Er wollte jede Filiale sehen, bevor die zentrale Schreinerei an die Fertigung der Regale und Einrichtungsteile ging. Dabei kümmerte den Hobbyarchitekten die Delegation von Aufgaben zur eigenverantwortlichen Erledigung nur bedingt. Es galt: In dubio pro Theo.
Es gab durchaus Spannungen zwischen dem quirligen Theo und dem abwägenden Karl Albrecht. Besonders deutlich wurde das beim ersten Schritt über die Grenzen Deutschlands. 1971 expandierte Aldi nach Österreich. Karl war es, der die Familie als erster international aufstellte. Heute firmiert Aldi Nord in Österreich übrigens unter dem Namen „Hofer“.
Verschwiegenheit war stets Trumpf im Hause Albrecht. Aldi lässt sich partout nicht in die Karten schauen. Die totale Verschleierung aller Kulissen ist institutionalisiert. So wenig undichte Stellen wie möglich, lautet die Devise.
Die Brüder gaben sich Maßregeln, die zu unverrückbaren internen Prinzipien wurden: Keine Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Keine Firmensprecher. Keine Interviews im Radio oder Fernsehen. Keinerlei mondäner Lifestyle. Keine Lobbyarbeit. Keine Firmenjubiläen. Lückenlose Rückgabe von Werbegeschenken.
Die Zurückhaltung hatte einen guten Grund: Abgucker und Schmarotzer sollten keine Gelegenheit zur Einsicht in Interna haben. Die innovative Discount-Struktur war eine zarte Pflanze und schutzbedürftig. Das neue Konzept musste sich in Ruhe verfestigen. Erfahrungen waren Gold wert.
Aldis Verwaltungsrat ist ein frei schwebendes Organ. Gesellschaftsrechtlich ist es nirgendwo in den Statuten eingebunden. Seine Mitglieder haben freiberuflichen Status, sind aber dennoch die „Macher“: Der Verwaltungsrat ist das zentrale Machtorgan des Konzerns. Aldi steht seit jeher zu seinem Führungssystem, dass sich mit dem Wort Durchgriffs-Management am besten umschreiben lässt. Der Verwaltungsrat hat den Alleinführungsanspruch.
Aldi stellte stets besondere Anforderungen an seine Mitarbeiter und richtet seine Personalsuche darauf ab. Vorstellungsgespräche sind exzessiv angelegt, manchmal über mehrere Sitzungen. Man lotet die charakterlichen und sozialen Hintergründe des Bewerbers genau aus. Personalvermittlungen kommen nicht zum Zug.
Natürlich variiert das Anforderungsprofil je nach Stelle, aber es gibt gewisse Grundvorstellungen: Der Bewerber sollte unauffällig und zurückhaltend im Auftreten sein, seine Bekleidung schlicht und gediegen, seine Herkunft möglichst bodenständig, die Familienverhältnisse geordnet, Sparsamkeit wird sehr geschätzt wie auch Pflichtbewusstsein und Normalität hinsichtlich des Lebensprinzips.
Das Warenumschlagssystem von Aldi mit seinen schematisierten Abläufen erfordert erfahrene Praktiker. Es wird nicht vorrangig Kopfarbeit am Schreibtisch verlangt. Wer richtig aufsteigen wollte, hatte bei den Albrechts eine Ochsentour vor sich. Ein Akademikerstatus ist entbehrlich.
Für Aldi liegt das Geheimnis des langfristigen Erfolges im Zeitmanagement der Führungskräfte. Es gibt eine detaillierte Planungsphilosophie und strenge Normen nach dem Motto: Plan dich oder friss dich! Zudem hat Aldi ein umfangreiches Prämiengerüst. Bezirksleiter bekommen solche und vergeben wiederum welche an ihre Filialleiter. Einzig der Geschäftsführer bekommt keine Prämie.
Wer den Ansprüchen Aldis gerecht werden will, muss sie beherrschen: die Handbücher. Das gilt aber vor allem für die regionalen Geschäftsführer. Aldi Nord hat im Laufe der Jahre alles, was Firmeninterna angeht, in solchen Handbüchern fortgeschrieben. Da ist einiges Zusammengekommen – viel Lesestoff.
Aldi-Mitarbeiter lachen wenig. Zu stark lastet der Druck auf allen. Er wird von der Spitze her aufgebaut und durchgereicht. Das einzige, was lacht, ist die Liquidität.
Es ist auch für Journalisten vom Fach sehr schwierig, Details über die beiden Aldi-Konzerne herauszubekommen. Das Unternehmen ist nicht börsennotiert und somit nur zu bestimmten Veröffentlichungen verpflichtet. Umso wertvoller sind glaubwürdige und detaillierte Berichte, wie sie Eberhard Fedtke in seinem Buch nun geliefert hat. Er war viele Jahre lang Gesellschafter bei dem Konzern.
Bibliografie:
Eberhard Fedtke
Aldi Geschichten. Ein Gesellschaftler erinnert sich
NWB Verlag, Herne 2011
296 Seiten
Bei der Energiebrause Red Bull ging es sogar noch heftiger abwärts. So verkaufte Lidl die 0,25-Liter-Dose des Energydrinks noch im Frühjahr 2015 für 1,49 Euro. Als Aldi zum gleichen Preis eine 0,33-Liter-Dose in die Regale stellte, brach ein wahrer Brausekrieg los. Lidl senkte den Preis auf 1,12 Euro und unterbot damit - umgerechnet auf die gleiche Menge - den Aldi-Preis. Wettbewerber wie Penny und Real befeuerten mit Aktionsangeboten den Abwärtsdruck.
Inzwischen verramscht Lidl das Gesöff mit preisbelebender Wirkung für 95 Cent, ein Drittel weniger als vor einem Jahr. Und ein neuer Preissturz bahnt sich bereits an: Bei Kaufland kostet Red Bull derzeit lediglich 77 Cent.
Wer das Gerangel um günstige Markenprodukte letztlich für sich entscheiden wird, ist offen. Klar ist hingegen, dass die Margen der Discounter auf breiter Front bröckeln. Dass die Rivalen sich dennoch weiter mit Kampfpreisen beharken, dürfte viel mit grundsätzlichen Überlegungen in den Konzernen zu tun haben.
So versucht Aldi über die bekannten Marken jüngere Kunden in die Läden zu lotsen, die ihre Einkaufswagen dann auch beherzt mit Markus-Kaffee, Tandil-Waschmittel und anderen Verkaufsschlagern befüllen, die Geld einspielen.
Auch Lidl kann die neuen Niedrigpreise kompensieren: Das Markensortiment ist noch immer deutlich größer als das des Erzrivalen. Was bei einem Produkt an Marge wegfällt, kann damit bei anderen wieder eingespielt werden. Zudem setzt Lidl darauf, den Aldi-Preis mit zeitlich befristeten Aktionen gezielt zu unterlaufen und damit Aldis Wahrnehmung als billigster Lebensmittelhändler anzugreifen.