Aldi und Lidl Übertreiben die Discounter ihre Luxus-Offensive?

Schmucklose Läden werden zu lichten Einkaufspalästen, Markenprodukte zieren die Discounter-Regale und jetzt präsentiert Designerin Jette Joop auch noch eine eigene Aldi-Kollektion. Doch die Zweifel, ob das der richtige Weg für die Discounter ist, wachsen.

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Discounter: Übertreiben Lidl und Aldi mit ihrem Luxus-Wahn? Quelle: dpa, Montage

Vor der Aldi-Filiale auf der Düsseldorfer Königsallee hat sich eine kleine Menschentraube gebildet. Am Eingang kontrollieren Sicherheitsleute in schwarzen Anzügen, wer den Markt betreten darf. Ein Rentner mit Einkaufstrolley wird freundlich abgewiesen: "Morgen hat Aldi wieder geöffnet." An diesem Dienstagabend findet hier die erste Modenschau in der Geschichte von Aldi statt. Die Designerin Jette Joop stellt ihre eigens für den Discounter entworfene Kollektion vor.

Drinnen ist der Markt denn auch in blaues Licht getaucht. Neben den Paletten mit Wasserflaschen sind kleine Stehtische aufgebaut. Musik wummert aus den Lautsprechern und es werden Champagner und Cracker gereicht. Ein Moderator begrüßt die Gäste, eine Vertreterin der Geschäftsführung folgt. Dann beginnt die Show: Models schreiten im Blitzlichtgewitter über den Laufsteg, der eigentlich nur eine weißer Bodenbelag ist. In den Händen halten sie Schilder mit Slogans wie "Peace". Die Kleidung ist hell, tragbar und massenkompatibel.

Ab kommendem Montag sollen Joops Jumpsuits, Blusen, Hosen und Kleider, aber auch Schuhe, Handtaschen und Halstücher in den Läden von Aldi Süd verkauft werden. Zu Preisen zwischen 9,99 und 19,99 Euro. Die Designer-Offerte markiert den jüngste Höhepunkt eines weitaus grundlegenden Imagewandels.

Jette-Joop-Mode gibt es jetzt bei Aldi.Foto: Aldi Quelle: PR

Stand die Marke Aldi vor wenigen Jahren noch für eingeschränkte Sortimentsvielfalt und die geballte Tristesse des Discounts, ist inzwischen ein Hauch von Luxus in die Filialen eingezogen. Mehr noch: Seit geraumer Zeit liefern sich die Discountschwergewichte Aldi und Lidl ein regelrechtes Wettrüsten um die schönsten Märkte im Land – samt wohliger Einkaufsatmosphäre.

Den Anfang machte Lidl 2015, als sich der Konzern begleitet von einer millionenschweren Werbekampagne ein Optik- und Image-Upgrade verpasste. Das Ziel: weg vom reinen Billigheimer hin zum großzügigen Nachbarschaftsladen irgendwo zwischen Supermarkt und klassischem Discounter.

Schon zuvor waren Backstationen installiert worden, in denen mehrmals täglich vom Ciabatta-Brötchen bis zum Croissant rund drei Dutzend Teig-Bestseller gebacken werden. Das Frischesortiment wurde um loses Obst und Gemüse aus der Region erweitert. Selbst in der Supermarkt-Domäne Wein hat der vermeintliche Billigheimer aufgestockt. In dunklen Holzkisten stapeln sich Barolo- und Bordeaux-Bouteillen teils jenseits der Zehn-Euro-Grenze. Und pünktlich vor den Feiertagen stellt Lidl unter der Marke Deluxe regelmäßig Perlhuhnviertel, Trüffelkäse und sonstige Festtagshighlights in die Auslage.

So sieht der Edel-Aldi aus
Aldi Quelle: Bernhard Haselbeck für WirtschaftsWoche
Eingangsbereich Aldi Quelle: Bernhard Haselbeck für WirtschaftsWoche
Kaffeeautomat bei Aldi Quelle: Bernhard Haselbeck für WirtschaftsWoche
Aldi-Markt Quelle: Bernhard Haselbeck für WirtschaftsWoche
Weinregal bei Aldi Quelle: Bernhard Haselbeck für WirtschaftsWoche
Backwaren Quelle: Bernhard Haselbeck für WirtschaftsWoche
Snackregal bei Aldi Quelle: Bernhard Haselbeck für WirtschaftsWoche

Angesichts der Lidl’schen Opulenz legte auch Aldi nach – nicht nur mit der Jette-Joop-Kollektion. Reihenweise listete Aldi in den vergangenen Monaten Markenprodukte ein und löste damit Preiskämpfe aus, die die Branche seither in Atem halten.

Auch die Öffnungszeiten wurden in großem Stil verlängert und die Filialen sollen in neuem Glanz erstrahlen. Im 10.000-Seelen-Städtchen Eglharting-Kirchseeon im Speckgürtel von München hat Aldi Süd etwa einen Markt eröffnet, der all jene Neuheiten enthält, die in den kommenden auch in anderen Filialen eingeführt werden könnten.

Durch eine breite Glasfront flutet Licht, auf einer Holzbank kann sich die shoppingmüde Kundschaft zunächst sammeln oder sich gegen Einwurf eines Euro in den Aldi-Kaffeeautomaten an einem Espresso Doppio laben. Aus Lautsprechern rieselt dazu Popmusik und hinter der Kassenzone gibt es eine Kundentoilette samt Wickelbereich.  

Die größten Lebensmittelhändler Deutschlands

Auch das Lidl-Management betreibt ähnliche Vorzeige- und Experimentierläden mit lichten Glasfronten und Aluminiumbauteilen  und haben dem Konzern ein Veredelungsprogramm verordnet.

Rückkehr zu den Discount-Tugenden der ersten Jahrzehnte

Das Kalkül der Discounter-Granden ist dabei ähnlich: Die Zeiten stürmischen Wachstums, in denen sie nur neue Filialen eröffnen mussten, um die Umsätze zu steigern sind vorbei. Heute gibt es deutschlandweit kaum mehr Aldi- oder Lidl-freie Landstriche. Vielmehr müssen die Händler versuchen, neue Kundengruppen zu erobern. Dabei haben sie es auf all jene Käufer abgesehen, die sich bei den Discountern bisher bestenfalls mit Basisprodukten wie Konserven, Reis und Zucker eindecken, für den Groß- und Genusseinkauf aber lieber den nächstgelegenen Rewe- oder Edeka-Laden ansteuern.

Nur, wollen die Verbraucher überhaupt, dass Lidl und Aldi sich den klassischen Supermärkten immer weiter annähern? Braucht es Joops Kollektionen beim Billigheimer? In der Branche wachsen die Zweifel. „Wir wollen Harddiscounter bleiben“, gab Gerd Körber, Chef von Norma, zu Protokoll und fügte als Seitenhieb auf seine großen Wettbewerber an: „Märkte mit viel Glas und Tanzfläche wären nicht unser Weg.“ 

Auch Experten sehen bereits die Gefahr, dass die Verschönerung der Billigläden ihre Wahrnehmung als Billiganbieter beeinträchtigt. „Ein Discounter darf nicht schick sein. Das würde sein Preisimage beschädigen“, sagt etwa Handelsexperte Martin Fassnacht von der Wirtschaftshochschule WHU.

Lidl Basic und Aldi Essentials?

Johannes Berentzen, Senior Manager bei der Unternehmensberatung Dr. Wieselhuber & Partner, ist noch skeptischer. In einem Beitrag über die „Discounter im Luxusfieber“, warnte er bereits vor einigen Wochen vor den möglichen Folgen von Sortimentsausweitungen für die Preisarchitektur in den Läden. Denn: „Die Premiumsortimente belasten das auf höchste Effizienz, Frische und hohen Warenumschlag ausgelegte Geschäftsmodell der Discounter.“

Mittelfristig könnten Aldi und Lidl damit womöglich „einem anderen Discount‐Format eine strategische Lücke bieten“, glaubt der Experte. Um „bei weniger kaufkräftigen Kunden zu punkten“ könnte ein Wettbewerber etwa auf die „Discount‐Tugenden der ersten Jahrzehnte“ setzen. „Vorstellbar wäre ein Basisangebot von 400‐600 Lebensmitteln, ohne teure Kosmetik, ohne Non Food‐Angebote. Kein Backshop, kein üppiges Weinangebot, keine Premiumprodukte“, so Berentzen.  

Die beliebtesten Händler der Deutschen
Das Logo des Parfümerie- und Handelskette "Douglas" Quelle: dpa
Das Aldi-Logo Quelle: REUTERS
Eine Kaffeetasse in einer Tchibo-Filiale vor einem Produktregal. Quelle: dpa
Ansicht des Logos und des Schriftzugs der Drogeriemarktkette Müller Quelle: dpa
Eine Kundin schiebt in einer Rossmann-Filiale einen Einkaufswagen. Quelle: dpa
Ein Kugelschreiber mit der Aufschrift "Otto...find ich gut." Quelle: dpa
Eine Verkäuferin ordnet die Buchauslagen in einer Thalia Filiale Quelle: dpa

Vielleicht, so spekuliert der Berater, starte einer der großen Discounter in Zukunft sogar eine Zweitschiene: Namen wie „Lidl Basic' oder 'Aldi Essentials' klingen jetzt nicht fernab jeder Handelsphantasie.“

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