Alexander Birken Was der neue Otto-Chef vorhat

Der neue Otto-Chef Alexander Birken will dem Handelsriesen Start-up-Spirit einhauchen. Er experimentiert viel und schließt überraschende Allianzen.

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Otto-Chef Birken trimmt auf Erneuerung und überraschende Allianzen. Quelle: dpa Picture-Alliance

Die Kohle glühte, der Chef fand warme Worte. Frisch im Amt, lud Otto-Vorstandschef Alexander Birken seine Führungsmannschaft an einem Freitag Mitte Januar zum „virtuellen Angrillen“ in den großen Konferenzraum der Zentrale. Krawattenfrei und im Hamburger Tonfall skizzierte er dort die neue Richtung des Versandimperiums, kündete von Transformation und Kulturwandel, während auf Bildschirmen im Hintergrund die digitale Glut glomm. Anschließend gab es reale Bratwurst, und der jugendlich wirkende 52-Jährige plauschte mit der Crew. Die lobte zwar die „heimelige Atmosphäre“, dürfte Birkens Aufbruchsvokabeln indes mit Skepsis vernommen haben. Zu oft war im Otto-Reich in den vergangenen Jahren von Veränderungen die Rede, zu wenig tat sich am Ende bei dem schwergängigen Traditionskonglomerat.

Inzwischen zeigt sich jedoch, dass es Birken durchaus ernst meint mit dem Großumbau des Handelsriesen. Seit knapp 100 Tagen trimmt er den Konzern auf Erneuerung, hat Schlüsselpositionen neu besetzt und lässt die Grundzüge seiner Strategie erahnen, die er im Frühjahr offiziell vorstellen wird: Birken will Otto mehr Start-up-Spirit einhauchen, den Konzern und seine Töchter für neue Allianzen öffnen und so zu einer Plattform entwickeln, auf der neue Verkaufskonzepte schneller ausprobiert werden.

Das Ziel der Übung: Die Hamburger müssen der geballten Marktmacht des Rivalen Amazon trotzen und sich zugleich gegen wendige Angreifer wie Zalando behaupten.

Bisher ist das zumindest teilweise gelungen. Während frühere Rivalen wie Quelle und Neckermann vom Markt gefegt wurden, verkaufen die Hamburger mit ihrem Flaggschiff Otto-Versand und Modehändlern wie Bonprix und Baur nach wie vor Blusen, Blazer und BHs. Im Geschäftsjahr 2016/17 stieg der Konzernumsatz um 3,4 Prozent auf 12,5 Milliarden Euro. Die rund 100 Onlineshops der Gruppe steuerten knapp sieben Milliarden Euro bei, ihr Umsatz wuchs um rund zehn Prozent.

Doch das Tempo reicht nicht, um den Abstand zum Onlinegiganten Amazon zu verringern.

Im Gegenteil: Der US-Konzern gewinnt Marktanteile in Deutschland und ist längt mehr als eine reine Handelsplattform. Systematisch drängt er ins Leben seiner Kunden. Sie streamen Musik, schauen Videos und lesen Bücher über Amazon. Eine Alexa getaufte Sprachsteuerung des US-Konzerns dimmt auf auf Zuruf das Licht, liest Nachrichten vor oder bestellt Produkte. Mit ihr verankert sich Amazon fester im Tagesablauf seiner Nutzer. „Otto ist Händler, Amazon ist Alltag“, fasst ein langjähriger Otto-Grande Birkens Ausgangsposition zusammen.

Die umsatzstärksten Onlinehändler

Dass er die Marktmacht der Amerikaner brechen kann, sei „utopisch“, sagt Jörg Funder, Handelsprofessor an der Hochschule Worms. Zu weit sei Amazon enteilt, zu teuer und riskant wäre eine Aufholjagd. Mit Schrecken erinnern sich in Hamburg noch viele an Ottos letzte große Technikwette: den Aufbau des hauseigenen Bezahlsystems Yapital. Drei Jahre überlebte der als „Schweizer Taschenmesser unter den Payment-Diensten“ beworbene Anbieter, bevor ihn das Otto-Management einklappte.

Mieten statt kaufen - der neue Ottochef probiert Dinge aus

Trotzdem muss der Konzern technisch mithalten. Birkens Mittel der Wahl dürften Kooperationen statt teurer Eigenkreationen sein. So könnten Otto-Töchter beim Einsatz von Sprachassistenten stärker mit anderen Händlern und Techunternehmen zusammenarbeiten. „Wir stehen vor der Frage: Müssen wir selbst eine Lösung entwickeln oder nutzen wir die Infrastruktur anderer Anbieter?“, sagte E-Commerce-Vorstand Rainer Hillebrand im Februar. Selbst ein Bündnis mit dem Erzrivalen scheint nicht ausgeschlossen. In Großbritannien läuft ein Pilotprojekt zwischen Otto und Alexa.

Nicht minder wichtig: Um im Onlinegetümmel sichtbar zu bleiben, „brauchen die Kernmarken ein schärferes Profil“, sagt Handelsexperte Funder. Als Otto-internes Vorbild gilt bereits das Mode-Start-up About You, das mit stürmischen Wachstumsraten glänzt.

Die besten deutschen Online-Shops
Qualität von OnlineshopsIn Zusammenarbeit mit dotSource hat das ECC Köln Kunden von 77 Online-Shops aus sieben unterschiedlichen Branchen nach ihrer Zufriedenheit befragt.Bewertung: Die in Klammern angegeben Punktzahl zeigt an, welchen Online-Shop-Index ein Shop erreicht hat. In die Berechnung des Online-Shop-Index fließen die Zufriedenheit der Kunden mit den in der ECC-Erfolgsfaktorenstudie untersuchten Einzelkriterien sowie die Kundenbindung ein. Ein Wert von 100 Punkten entspricht der maximalen Zufriedenheit und Kundenbindung. Das Ranking erhebt nicht den Anspruch zu beurteilen, dass ein Online-Shop allgemein besser ist als ein anderer. Es besagt, welche Online-Shops es besser schaffen als andere, ihre eigenen Kunden zufriedenzustellen. Die vollständige Studie finden Sie kostenpflichtig hier. Quelle: dpa Picture-Alliance
Rang 10: Deichmann (74,9 Punkte) Quelle: dpa Picture-Alliance
Rang 9: Hugo Boss (75,2 Punkte)Als zweiter Modeanbieter hat es Hugo Boss unter die Spitzenreiter geschafft. Die Befragten waren von den Zusatzinformationen zu Produkten sowie von den Kaufempfehlungen besonders angetan. Quelle: dpa
Rang 8: s.Oliver (75,2 Punkte) Quelle: dpa Picture-Alliance
Rang 7: Ernsting’s Family (75,4 Punkte) Quelle: PR
Rang 6: myTime.de (75,4 Punkte)       Quelle: PR
Rang 5: zooplus (76,2 Punkte) Quelle: Screenshot

Geht es nach Birken, sollen andere Otto-Ableger dem Beispiel folgen, Kunden emotionaler ansprechen und Ideen zügiger umsetzen. Alles werde bei Otto bis zur Perfektion ausgetüftelt, soll der Chef jüngst in kleiner Runde moniert haben. Wird eine Idee endlich umgesetzt, hätten die Wettbewerber schon ihre Claims abgesteckt.

Dass es schneller geht, zeigt ein Vorstoß namens Otto Now. Innerhalb weniger Monate ließ Birken ein Onlineportal zimmern, auf dem Kunden Kaffee-, Wasch- und Trimmdich-Maschinen mieten können, statt sie zu kaufen. Otto Now sei von den Kunden „sehr gut angenommen worden“, sagt Birken.

Nur Grillgeräte fehlen bislang auf der Seite. Der neue Otto-Chef wird weiter digital einheizen müssen.

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