Alibaba greift nach Deutschland Jack Ma zündet die nächste Stufe

Der Internethändler Alibaba breitet sich in Deutschland und Europa aus. Adidas, Aldi Süd und Bosch verkaufen ihre Produkte über die Plattform des Giganten. Doch das soll erst der Anfang sein.

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Peking/München Die Revolution kommt schleichend. An der Kasse der Drogeriemarktkette Rossmann können chinesische Touristen seit ein paar Wochen ihr Smartphone zücken, wenn sie Kosmetik oder Milchpulver kaufen. Dahinter steht der chinesische Handelskonzern Alibaba, der mit dem deutschen Händler eine Allianz geschlossen hat. Doch das Projekt ist erst der Anfang, der chinesische Internethändler hat große Pläne für Deutschland.

Alibaba fährt zweigleisig. Auf der einen Seite umwirbt das chinesische Unternehmen deutsche Hersteller. Sie sollen ihre Produkte über die Plattform von Alibaba in China verkaufen. „Wir nehmen die Firmen an die Hand“, erläuterte Europachef Terry von Bibra im Gespräch mit dem Handelsblatt. Das sei nötig, weil viele Marken aus dem deutschsprachigen Raum sehr zögerlich seien. Außerdem ändere sich der chinesische Markt schnell.

Dem Lockruf sind schon bekannte Namen wie Adidas, Metro, Aldi Süd und dm gefolgt. Diese Woche ist auch Bosch dazu gekommen. „Wir sehen die Zusammenarbeit zwischen Bosch und Alibaba als wichtigen und nachhaltigen Wachstumsmotor für unser Geschäft in China“, erklärte Bosch-Geschäftsführer Peter Tyroller. Auf dem virtuellen Marktplatz tmall.com von Alibaba vertreibt Bosch unterschiedliche Produkte – von Elektrowerkzeugen über Haushaltsgeräte bis zu Nachrüstkomponenten für Fahrzeuge.

2016 ist der Umsatz von Bosch auf tmall um 60 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Langfristig soll die Kooperation jedoch über den reinen E-Commerce hinausgehen: Eine Zusammenarbeit in den Bereichen wie etwa dem Internet der Dinge, Cloud Computing und Künstliche Intelligenz soll es ermöglichen, weitere Synergien zu finden. Konkreteres wollten die Schwaben noch nicht preisgeben. Aber es geht um die Aufbereitung und Verwertung riesiger Datenmengen für selbstlernende Systeme. China wird für Bosch immer wichtiger. 2016 hat der Konzern den Umsatz in dem riesigen Land um 12 Prozent auf 12,5 Milliarden Euro gesteigert. Damit verdient Bosch jeden sechsten Euro im Reich der Mitte.

Auf der anderen Seite streckt Alibaba jedoch auch seine Fühler mit neuen Angeboten nach Deutschland aus. Die vielversprechendste Plattform des Konzerns ist der digitale Bezahldienst Alipay. Mit mehr als 450 Millionen Kunden zählt die Plattform etwa so viele Nutzer wie die Europäische Union an Einwohnern hat. Sie bringen es auf ein Transaktionsvolumen von umgerechnet 800 Milliarden Euro – jeden Tag.

Mit einem Markt von bis zu 1,4 Milliarden Kunden hat Alibaba in China noch Wachstumschancen. Allerdings hat der Anbieter schon fast alle Konsumenten aus der einkommensstarken Mittelschicht erreicht. Deshalb zündet Gründer Jack Ma die nächste Stufe: Die Firma sucht sich Partner, damit ihre chinesischen Kunden auch bei Auslandsreisen mit der App auf dem Smartphone bezahlen können. Der Münchener Zahlungsdienstleister Wirecard hilft in Deutschland bei der technischen Abwicklung.


Alibaba-Gründer Jack Ma als Botschafter für Chinas Wirtschaft

Doch Alibaba plant bereits weiter. In Frankfurt hat der Onlinehändler vergangenen November das erste Rechenzentrum in Europa in Räumen von Vodafone eröffnet. „Alibaba Cloud hat Deutschland als den Ort für das erste Rechenzentrum in Europa gewählt, da es eine hochentwickelte Infrastruktur bietet und im Herzen von Europa liegt“, sagte Alibaba-Vizepräsident Ethan Yu zur Einweihung. Anders gesagt: Alibaba feilt an der technischen Infrastruktur, um seine Produkte auch in Europa effizienter an Kunden zu bringen.

Eine der größten Stärken von Alibaba könnte sich freilich zu einer Schwäche entwickeln: In China floriert das Geschäft auch dank guter Kontakt in die Politik. Ausländische Konkurrenten wie Amazon haben es schwer auf dem chinesischen Markt. Kurz nach der Wahl von Donald Trump reiste Alibaba-Gründer Jack Ma als eine Art Botschafter der chinesischen Wirtschaft nach New York, um dem angehenden US-Präsidenten zu versprechen, seine Firma werde bis zu eine Million Arbeitsplätze in der Vereinigten Staaten schaffen. In Pekings politischen Zirkeln wurde Ma dafür gefeiert.

Doch diese Nähe zur Politik könnte die Expansion lähmen. Denn Datenschutz spielt für viele Kunden in Europa eine große Rolle. Sie werden sich genau überlegen, ob sie sich trauen, ihr Geld einer Firma anzuvertrauen, das so enge Beziehungen zur chinesischen Führung pflegt.

Europachef von Bibra gibt sich denn auch zurückhaltend. „Es geht uns erst einmal darum, Vertrauen aufzubauen“, unterstrich der Manager. In München hat der ehemalige Deutschland-Chef von Yahoo ein kleines Team aufgebaut, das sich um die Kunden hierzulande kümmert. Dabei hat Alibaba noch nicht einmal eigene Räume angemietet. Der Weltkonzern residiert an der Isar in einem Business-Center mit anderen Betrieben.

Am Geld dürfte es nicht scheitern, bald eine repräsentative Deutschland-Zentrale aufzubauen. In den ersten drei Monaten des Jahres ist der Umsatz um 60 Prozent auf umgerechnet gut fünf Milliarden Euro in die Höhe geschossen.

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