Alternativen zur Diesel-Lok Die Wasserstoff-Revolution in der Provinz

In der niedersächsischen Provinz testet der französische Alstom-Konzern einen Wasserstoff-Zug. Quelle: PR

Die Eisbahn-Industrie hängt die Autobauer ab: Mitten in der deutschen Provinz sind erste Züge mit Brennstoffzellen unterwegs. Sie könnten das Ende stinkender Dieselmotoren einläuten – zumindest auf der Schiene.

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Es sollte eine Revolution werden, die Inbetriebnahme der neuen Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Berlin und München. Keine vier Stunden brauchen die superschnellen Intercity-Express-Züge mehr für die knapp 600 Kilometer lange Strecke. Viele andere Eisenbahnverbindungen in Deutschland sollten dank der neuesten Hightechlinie der Deutschen Bahn schneller werden. Doch die Technik spielte nicht so recht mit. Die Revolution geriet eher zur Peinlichkeit. Kurz vor Weihnachten dominierten massive Zugverspätungen die Schlagzeilen.

Dabei findet der technologische Aufbruch in eine neue Eisenbahnzeit ohnehin an anderer Stelle statt. In Bremervörde zum Beispiel, einem kleinen Ort im Norden der Republik. Dort sind seit November jeden Tag zwei auffallend blau lackierte Triebwagen an einer vom Gasekonzern Linde betriebenen Tankanlage zu beobachten.

Sie rollen im Auftrag der Landesverkehrsgesellschaft Niedersachsen durch die Provinz. Nicht mit 300 Kilometern pro Stunde, sondern eher gemächlich im Nebenbahntempo. Dafür aber absolut emissionsfrei – obwohl weit und breit keine Oberleitung zu sehen ist, die auf einen elektrischen Antrieb schließen ließe. Sie sind die ersten ausschließlich mit Wasserstoff betriebenen Züge der Welt.

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Ohne großes Tamtam wie beim neuen ICE 4 fahren die Züge Richtung Zukunft in der Provinz ab. Die blauen Triebwagen heißen iLint und stammen aus den Salzgitter-Werkhallen des französischen Lokherstellers Alstom, haben Brennstoffzellen auf dem Dach, Batterien im Fahrzeugboden und leise surrende Elektromotoren. Damit pendeln die Triebwagen durch die flache norddeutsche Landschaft. Erstmal im Probebetrieb, im Laufe des Jahres 2018, so hofft der Hersteller, dann auch im Regeleinsatz.

Die Antriebsrevolution auf der Schiene hat ohnehin sonderbare Namen. Zu Coradia iLint wird sich bald der Talent 3 Bemu des kanadischen Eisenbahnherstellers Bombardier gesellen. Er fährt mit optimierter Batterietechnologie. Und auch der deutsche Siemenskonzern hofft, in absehbarer Zeit seinen Mireo mit Brennstoffzellenantrieb auf die Gleise setzen zu können.

All diese Züge werden nicht wie der ICE auf den Paradestrecken der Bahn für Furore sorgen, sondern unbedeutende Nebenbahnstrecken erobern. Dort dieselt es bislang noch mächtig vor sich hin, weil es sich wirtschaftlich nicht lohnt, Oberleitungen für den elektrischen Betrieb zu installieren. Doch der Diesel ist wegen der hohen Feinstaub- und Stickstoff-Belastung in Verruf geraten. Zudem machen selbst moderne Diesel-Loks noch ordentlich Krach.

Allein die Deutsche Bahn betreibt 1688 Dieselloks (vor allem für den Güterverkehr) und 2343 Dieseltriebzüge für den Personenverkehr. Dazu kommen Hunderte Fahrzeuge anderer Eisenbahngesellschaften, die im Auftrag der Länder Regionalbahnen betreiben oder auf eigene Rechnung Güterzüge fahren.

Das ist eine unerwartet hohe Zahl an Dieselfahrzeugen auf der Schiene, wo doch etwa neunzig Prozent des gesamten Personenverkehrs in Deutschland mit elektrischem Antrieb abgewickelt werden. Doch nur gut die Hälfte des 33.000 Kilometer umfassenden Streckennetzes ist elektrifiziert. Auf den restlichen, wenn auch weniger befahrenen Strecken, geht es bislang nicht ohne Dieselqualm.

Der Staat muss bei Entwicklungskosten nachhelfen

Das Problem ist allerdings: Ob sich alternative Antriebe wirklich rechnen, ist fraglich. Denn: „Die typischen Stückzahlen bei der Beschaffung von Fahrzeugen für den Schienenpersonennahverkehr für nicht elektrifizierte Strecken rechtfertigen nicht die Entwicklungskosten solcher Antriebe“, urteilten Experten der Beratungsfirma KCW. Anders formuliert: Alternativen zu Dieseltriebwagen oder Oberleitungsloks sind teuer.

So überrascht es nicht, dass der Staat mit Steuermitteln kräftig beim Technologiewechsel nachhilft. Der Bund finanziert den iLint mit 8,4 Millionen Euro. Das Land Niedersachsen fördert die Anschaffung von insgesamt 14 Zügen mit 81,3 Millionen Euro. Bombardier bekommt vier Millionen Euro aus Berlin für seinen Batteriezug, für den es mit der Südwestdeutschen Verkehrs-AG einen Entwicklungspartner, aber noch keinen Großkunden gibt.

Von Siemens ist bisher nicht mehr bekannt, als dass die Münchener ihr Standard-Triebzugmodell Mireo von der kanadischen Ballard Power mit einem Brennstoffzellenantrieb ausrüsten lassen. Ballard, ein früherer Partner des Daimler-Konzerns bei dieser Technologie, hat dazu beim Vertragsabschluss Mitte November nur bekannt gegeben, etwa neun Millionen US-Dollar in das Projekt zu investieren. Der erste Zug soll 2021 vorgestellt werden. Dann dürfte Bremervörde bereits das Mekka der Wasserstoff-Eisenbahnen sein.

Siemens ist nach eigenem Bekunden fest entschlossen, die Entwicklung mit Ballard voranzutreiben – obwohl die Fusion der Verkehrstechnik mit Alstom bevorsteht. Doch bis der im Sommer 2017 verabredete Zusammenschluss perfekt ist, „sind wir Konkurrenten“, heißt es trotzig bei Siemens.

Bombardier bastelt an einer anderen Technologie. Die Kanadier wollen Batterien für Triebwagen so leistungsfähig machen, dass sie Strecken ohne Oberleitung bis zu 40 Kilometer überbrücken können. Denn nach Angaben des Unternehmens sind 90 Prozent aller nicht-elektrifizierten Strecken in Deutschland kürzer als 70 Kilometer und noch gut die Hälfte keine 40 Kilometer lang. Bombardier will seinen elektrisch betriebenen Talent so umrüsten, dass sich die Batterien unter Oberleitungen oder an Ladestationen schnell wieder aufladen lassen.

So unterschiedlich Technologie und Entwicklungsstand auch sein mögen, gemeinsam haben Alstom, Bombardier und Siemens das Konzept: Es werden Standardfahrzeuge umgerüstet. Das soll Zeit bei den aufwändigen Zulassungsverfahren und vor allem auch Geld sparen.

Versuche, Alternativen zum Dieseltriebwagen zu entwickeln, sind nicht neu: Schon die Preußische Staatsbahn beschaffte ab 1907 batteriebetriebene Fahrzeuge in Serie. Mehr als 80 Triebwagen der sogenannten Bauart Wittfeld liefen sogar bis zu den 60er-Jahren der vorigen Jahrhunderts. Und die frühere Bundesbahn orderte ab Mitte der 50er-Jahre 232 Elektrotriebwagen der Baureihe 150, die bis knapp vor der Jahrtausendwende in Dienst standen.

Doch alle Typen hatten einen entscheidenden Haken. Die Batterien wogen bis zu 25 Tonnen und die Reichweite lag bei allenfalls 300 Kilometern. Alstoms iLint soll es auf bis zu 800 Kilometer schaffen. Und leichter soll er auch sein.

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