Amazon Der Onlineriese kämpft mit allen Tricks

Mit einer heimlichen Änderung in den Geschäftsbedingungen erschleicht sich der Onlinegigant Amazon Waren, die ihnen der Hersteller nie liefern wollte. Und treibt damit den Fachhändler unwissentlich in den Rechtsbruch.

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Amazon-Chef Jeff Bezos Quelle: dpa

Auf den ersten Blick sieht es wie ein gutes Angebot aus. Amazon will Händlern, die über die Plattform verkaufen und ihre Waren bei Amazon lagern, Produkte einfach selber abkaufen. Und zwar zu dem Preis, den der Händler auch von privaten Käufern verlangt hätte. Der einzige Unterschied, so Amazon, sei die Berechnung der Umsatzsteuer. Der Einzelhändler wird ja jetzt zum Großhändler, weil Amazon die Ware natürlich weiterverkauft.

Doch Händler, die auf diesen Deal eingehen, können in größte Schwierigkeiten geraten. Denn in den meisten Fällen hat ihnen der Hersteller den Weiterverkauf an andere Händler in den Vertriebsbedingungen untersagt. Somit verstoßen sie gegen Vertriebsvereinbarungen, riskieren empfindliche Vertragsstrafen und im härtesten Fall verlieren sie ihre Vertriebsrechte.

Und das Schlimmste: Zahlreiche Händler klagen, dass sie über diese weitreichende Änderung in den Geschäftsbedingungen nicht informiert worden sind. Amazon habe die neue Regelung in Kraft gesetzt, ohne die Partner überhaupt zu fragen. Amazon selber teilt auf Nachfrage mit, das Unternehmen habe dazu eine Meldung im Verkäuferportal Seller Central eingestellt.

Amazons deutsche Logistikzentren

Zumindest einige Händler seien gezielt per Mail angeschrieben worden, so Amazon. Aber nur die, mit denen Amazon ein Pilotprogramm aufsetzen will. Dabei will der Plattformbetreiber Waren der Händler aufkaufen und über die französische Plattform amazon.fr verkaufen.

„Das sind Wild-West-Methoden“, schimpft ein Fachhändler, der nicht genannt werden will, weil er sonst Probleme mit Amazon befürchtet. „Da macht Amazon das Lager seiner Partner für sich selbst zum Selbstbedienungsgroßhandel“.

Denn die neue Funktion „Kauf meines Lagerbestandes durch Amazon genehmigen“ ist automatisch aktiviert worden. Händler müssen nun aktiv widersprechen, um wieder Rechtssicherheit zu haben. Doch viele wissen noch nicht einmal, dass sie in Gefahr sind.

Amazon bestimme als Marktplatzbetreiber grundsätzlich die Regeln und Marketplace-Händler akzeptierten die Nutzungsbedingungen mit Eröffnung eines Verkäuferkontos, erklärt Annegret Meyer, Leiterin der Rechtsabteilung bei Händlerbund, der rund 50.000 Onlinehändler vertritt. „Sie begeben sich, mit allen Vorteilen, die die Verkaufsplattform bietet, in eine Abhängigkeit vom Giganten Amazon und haben sich regelmäßig mit Amazons bitteren Pillen zu arrangieren“, warnt sie.

Was will Amazon?

Doch was hat Amazon von der ganzen Sache? Ganz einfach: Der Online-Gigant kommt so an Waren, die er auf anderem Weg nicht bekommen könnte. Denn viele Hersteller verkaufen ihre Produkte bewusst nicht an Amazon. Sie haben einen selektiven Vertrieb über Fachhändler, die entsprechenden Service und Beratung bieten.

„Amazon hat damit einen ganz bewussten Angriff auf die Vertriebspolitik der Hersteller vollzogen“, schimpft Christian Romanowski. Er produziert unter der Marke Chroma hochwertige Messer, die auch in der Gourmetküche verwendet werden. Als er die Änderung der Geschäftsbedingungen bemerkte, hat er sofort alle seine Händler angeschrieben. „Wer Amazon den Kauf des Lagerbestandes genehmigt, wird von mir nicht mehr beliefert“, erklärt der Unternehmer.

Die beliebtesten Händler in Deutschland

Romanowski hat mit Amazon eine ganz spezielle Geschichte, die er auf www.jeff-das-messer.de aufgeschrieben hat. Jahrelang hat er sich, auch vor Gericht, dagegen gewehrt, dass der E-Commerce-Konzern seine Produkte direkt vertreibt. Nur seine autorisierten Fachhändler durften die Messer über den Amazon-Marktplatz verkaufen. Doch obwohl sich Romanowski weigerte, Amazon zu beliefern, tauchten seine Messer immer wieder auf der Verkaufsplattform auf. Um zu ermitteln, wie Amazon an die Messer kam, griff er zu einer List: Er kennzeichnete die Messer heimlich mit einer UV-Markierung.

Das überraschende Ergebnis: Testkäufe belegten, dass zumindest ein Teil der angebotenen Messer aus dem Bestand eines Fachhändlers stammten, der die Messer in einem Amazon-Lager gelagert hatte. Amazon hatte dort Messer als „verloren“ deklariert und dem Fachhändler den Verlust ersetzt. Andere Messer stammten aus der Bestellung eines Werbemittelhändlers, der sie angeblich für den Prämienkatalog der Sparkasse haben wollte.

Kochmesser.de hat Amazon abgemahnt und sich dann in zweiter Instanz außergerichtlich geeinigt.

Mit dem automatischen Kauf des Lagerbestandes umgeht Amazon all diese Probleme. Der Fachhändler hat schließlich zugestimmt – wenn auch häufig unwissentlich. „Viele Hersteller erkennen die Gefahr nicht“, sagt Romanowski. „Wenn sie anfangen, Amazon zu beliefern, haben sie irgendwann nur noch einen Händler, nämlich Amazon.“ Und der schreibe ihnen dann die Konditionen vor.

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