Amazon Locker Warum Amazon die letzte Meile zur Kundensache macht

Amazon installiert eigene Paketstationen an Shell-Tankstellen, um Kunden effizient zu beliefern. Ein Konzept, das für Kunden und Amazon große Vorteile birgt. Paketdienste und andere Händler könnten das Nachsehen haben.

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Eine Shell-Tankstelle Quelle: dpa

Ideen, wie Pakete auf der sogenannte Last Mile zugestellt werden könnten – also auf der letzten Meile des Lieferwegs von dem Warenverteilzentrum des Online-Händlers zu dem Haushalt des Kunden, gab es zuletzt einige: So experimentiert Amazon mit Drohnen, um Pakete direkt in den Garten des Kunden zu fliegen, Walmart testet rollende Roboter, die selbstständig den letzten Wegabschnitt zum Kunden ansteuern. Das mag auf den ersten Blick innovativ erscheinen, doch eins ist es sicherlich (noch) nicht: praktikabel.

Testlauf für Amazon Locker in München

Anders verhält es sich mit der neuen Kooperation zwischen Amazon und Shell, bei der deutschlandweit eine dreistellige Anzahl an Paketstationen, sogenannte Amazon Locker, an Shell-Tankstellen aufgestellt werden soll.

Momentan findet dafür in München ein Testlauf an zehn Tankstellen statt, das landesweite Rollout soll anschließend folgen. Kunden können dann ihre Amazon-Bestellung statt zu sich nach Hause oder an posteigene Packstationen an Amazon Locker bei den Shell-Tankstellen versenden und dort abholen.

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Das Konzept der Paketstationen, welches in den USA bereits in zahlreichen Metropolregionen verfügbar ist, scheint für Amazon und seine Kunden große Vorteile zu bergen. Die Last-Mile zur Haustür des Kunden ist das aufwendigste und teuerste Teilstück der Paketzustellung, mit hohem Personalaufwand bei der Anlieferung und oftmals ineffizienten Wegen, etwa, wenn Kunden zur Paketannahme nicht angetroffen werden.

Bisher wurde die Zustellung bei Amazon fast vollständig durch Paketdienste durchgeführt. Zumindest einen Teil dieser Auslieferungen durch externe Logistikunternehmen könnte Amazon versuchen, eigenständig und kosteneffizient mittels Amazon Locker durchzuführen. Die Last Mile-Zustellung wird so auf die Kunden abgewälzt, die die Pakete von der Amazon-Packstation abholen und zu sich nach Hause bringen.

Kunden könnten dadurch noch schneller an ihre Bestellungen gelangen, denn diese werden aus Amazons Warenverteilzentrum direkt in die Locker zugestellt und sind dort sofort abholbereit. Bei Lieferungen an die Haustür oder an posteigene Paketstationen nimmt die Zustellung je nach Route des Paketzustellers Umwege, etwa über dessen Verteilzentren sowie über andere Haushalte, die zeitlich vorgelagert beliefert wurden. So kann sich ein Paket schon mal einen ganzen Tag am Zielort in Zustellung befinden, ehe es am späten Abend beim Kunden angeliefert wird.

Wie wichtig aber der schnelle Erhalt der Ware für Kunden ist, weiß man nicht erst seit dem großen Erfolg von Amazon Prime, bei dem die Artikel einen Tag nach Bestellung geliefert werden.

Paketstationen machen flexibler

Bei Bestellungen direkt an Amazon Locker könnten sich die Lieferzeiten weiter verkürzen, sodass Prime-Kunden ihre Pakete bereits am gleichen Tag oder am nächsten Morgen abholen könnten. Für viele Kunden dürfte ein schneller Erhalt der Ware ein guter Grund für eine Lieferung an Amazons Packstation sein.

Ein anderer ist die Flexibilität: so bieten zwar einige Unternehmen die Möglichkeit, ein Zeitfenster für die Anlieferung anzugeben oder Abendlieferung zu wählen, wenn allerdings der Chef kurzfristig Überstunden ansetzt oder sich spontan ein Feierabendbier mit den Kollegen ergibt, klingelt der Paketbote vergeblich und es dauert länger, bis der Besteller an sein Paket kommt. Solche Zeitfenster können Kunden bei kurzfristigen Planänderungen oftmals einschränken, während das Paket in einer Packstation flexibel rund um die Uhr abgeholt werden kann.

Noch ist die Deutsche Post im Vorteil

Voraussetzung für den Erfolg von Amazon Locker wird deren ausreichende Verbreitung sein, damit Kunden eine Paketabholung auf ihren routinemäßigen Strecken – etwa zur Arbeit, zum Fitnessstudio oder bei der Abholung ihrer Kinder aus dem Kindergarten – ohne große Umwege integrieren können. Hier liegt die Deutsche Post mit ihren 2000 Packstationen noch klar im Vorteil. Wenn Amazon diesen Rückstand aufholen möchte, werden Shell-Tankstellen daher mittelfristig nicht die einzigen Standplätze der Amazon Locker bleiben. Weitere, vor allem stark frequentierte Orte wie Bahnhöfe, Unis und Innenstädte werden folgen.

von Matthias Hohensee, Jacqueline Goebel, Henryk Hielscher, Thomas Kuhn, Peter Steinkirchner

Amazon wird in erster Linie diejenigen Lieferungen selbstständig durchführen, die vergleichsweise kostengünstig und effizient bewerkstelligt werden können, was etwa auf Ballungsgebiete zutrifft. In solchen Fällen ist denkbar, dass Kunden beim Bestellen auf die Versandmöglichkeit an Amazon Locker verstärkt hingewiesen werden, um diese zu forcieren. Bei aufwendigeren und damit teureren Lieferungen in ländlichen Regionen wird Amazon weiterhin auf externe Paketdienste zurückgreifen, ihnen aber einen Teil des lukrativeren Geschäfts in Ballungsräumen wegnehmen.  

Aber auch für andere, kleinere (Online-)Händler wird das neue Lieferkonzept Folgen haben. Denn diese werden mit der schnelleren, direkten und vor allem kosteneffizienten Auslieferung nur schwer mithalten können, es droht ein Rückgang an Gewinn und Kundenzahlen. Amazons Bedeutung im Handel wird dadurch weiter steigen. 

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