Amazon will Händlern, die den Marktplatz des Online-Riesen nutzen, die Expansion ins Ausland schmackhaft machen. Kunden, die ihre Ware in Amazon-Versandzentren lagern und von dort an die Käufer verschicken lassen, können ihre Waren künftig einfacher auf allen fünf europäischen Amazon-Marketplaces verkaufen.
Wer das Angebot Fullfilment by Amazon (FBA) nutzt, kann es nun zum pan-europäischen FBA-Programm, wie es im Konzernsprech heißt, erweitern. Das funktioniert wie folgt: Die Händler senden ihre Waren in ein lokales Logistikzentrum. Amazon verteilt die Produkte dann in seinem europäischen Logistiknetzwerk "automatisch aufgrund der erwarteten lokalen Nachfrage in den verschiedenen Ländern".
So können etwa deutsche Händler über diesen Zugang auch Waren im Vereinigtes Königreich, Frankreich, Italien und Spanien vertreiben. "Marktplatz-Händler haben so die Chance, Millionen neuer Kunden anzusprechen und den Umsatz zu steigern", wirbt Markus Schöberl, verantwortlich für das Geschäft des Amazon-Marketplace im deutschsprachigen Raum. "Für die Kunden wächst zur gleichen Zeit die Auswahl." Und für Amazon vergrößert sich das Warenangebot auf der eigenen Seite merklich.
Das sind Amazons nächste Projekte
Unter Amazon Dash versteht der Internetkonzern eine Art Einkaufsliste auf Knopfdruck. Die kleinen Aufkleber mit Taste können die Kunden einfach im Haus an das Waschmittel oder an das Hundefutter kleben - und wenn die Packung leer ist, per Knopfdruck schnell bei Amazon eine neue bestellen. Bisher ist der Service nur für Kunden des Premiumdienstes Amazon Prime in den USA und in Großbritannien erhältlich - für 4,99 US-Dollar je Button.
Mit "Amazon Handmade" macht der Online-Händler Anbietern wie Etsy oder DaWanda Konkurrenz. Auf dem Marktplatz will Amazon Künstler und Bastler versammeln, die individualisierbare Produkte verkaufen: Selbstgeschneiderte Kleider und Taschen, Schmuck, Armbänder, Möbel. Die Plattform befindet sich in den USA noch im Aufbau. Wer dort verkaufen will, kann sich jetzt schon bewerben. Allerdings kostet ein professioneller Verkäufer-Account knapp 40 Dollar im Monat, und Amazon will bei jeder Bestellung zwölf Prozent Provision einstreichen. Bei anderen Plattformen sind diese Konditionen weitaus günstiger für die Verkäufer - allerdings erreichen sie dort wahrscheinlich nicht so viele Kunden. Ob und wann Amazon Handmade auch nach Deutschland kommen soll, ist nicht bekannt.
Über seine Plattform "Amazon Home Service" vernetzt der Online-Händler in den USA Techniker, Handwerker und Trainer mit seinen Kunden in den Großstädten. Wer bei Amazon einen neuen Fernseher kauft, kann also gleich einen Techniker beauftragen, der den Fernseher anschließt und einrichtet. Auch Yoga-Stunden und Gitarren-Lehrer lassen sich über die Plattform buchen. Bis zum Jahresende will Amazons einen Service in 30 amerikanischen Großstädten anbieten.
In der Amazon-Heimatstadt Seattle fährt seit diesem Sommer der "Treasure Truck" - ein Lkw, vollgeladen mit Sonderangeboten. Kunden können die Waren auf dem Truck per App bestellen und direkt liefern lassen - zum Beispiel ein Surfboard für den Preis von 99 Dollar anstatt den üblichen 499 Dollar.
Prime Music ist der Musik-Streamingdienst von Amazon, eine Konkurrenz zu Spotify oder Apple. Wer Mitglied beim Amazon Premiumdienst Prime ist, kann den Service in den USA und auch in Großbritannien ohne Zusatzkosten nutzen. Allerdings verfügt Amazon bisher nur über eine Bibliothek von etwa einer Millionen Songs.
Amazon begnügt sich schon lange nicht mehr, Medien zu verkaufen - der Online-Händler produziert sie mittlerweile auch selbst. Über seinen Streamingdienst zum Beispiel hat Amazon die ersten Folgen der Serie "The Man in the High Castle" veröffentlicht. Darin geht es um die Frage: Wie würde die Welt aussehen, wenn die Nazis den zweiten Weltkrieg gewonnen hätten? Auch einen eigenen Kinofilm mit dem Titel "Elvis & Nixon" produziert Amazon. Was danach kommt? Wahrscheinlich ein eigenes Videospiel. Laut Medienberichten hat Amazon Entwickler von bekannten Spielen wie World of Warcraft oder Halo verpflichtet.
Auch bislang schon war es den Anbietern möglich, die Marktplätze in den einzelnen Ländern zu nutzen oder von Deutschland aus in diese Ländern zu liefern. Das neue Angebot soll den Handel aber deutlich einfacher machen. Zusätzliche Kosten für den Transport ins Ausland sollen nicht anfallen. Händler zahlen die üblichen Marketplace-Gebühren und die Versandgebühren des jeweiligen Marktplatzes. Allerdings müssen sie sich selbst um die Steuerzahlungen in den jeweiligen Ländern kümmern.
„Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen profitieren davon, dass wir die Komplexität senken", sagt Schöberl. In einer ersten Testphase haben die Händler nach Angaben von Amazon bereits deutliche Verkaufssteigerungen von 25 Prozent und mehr erreicht.
Mit seinem neuen Programm befeuert Amazon den Trend zum grenzübergreifenden Handel. Weil es den Kunden in Zeiten des Onlinehandels und schneller Lieferungen immer häufiger egal ist, aus welchem Land ihre Produkte kommen, nimmt dieser zu. Bis 2018, rechnet der Onlinehandel-Branchenverband EMOTA vor, dürfte der grenzübergreifende Handel in Europa 20 Prozent des weiterhin steigenden Onlinehandelsumsatzes ausmachen.
Nach Angaben von Amazons exportierten deutsche Marketplace-Händler allein im Jahr 2015 Waren im Wert von mehr als 1,5 Milliarden Euro. Tendenz steigend. Auch die Zahl der Händler, die den Handel mit dem Ausland aufnehmen, wachse stetig.
Amazon selbst betreibt 29 Logistikzentren in ganz Europa. Waren für deutsche Kunden kommen, abhängig von Lagerung und Liefergeschwindigkeit, längst auch aus dem grenznahen Ausland.
Doch Amazons Europäisierung des Online-Handels stößt nicht in jedem Fall auf Gegenliebe. Zuletzt sorgte der Online-Riese mit neuen Konditionen für Aufsehen. Marktplatz-Händler sollen Amazon künftig erlauben, ihre Waren statt in deutschen Amazon-Versandzentren auch in polnischen oder tschechischen Zentren des Konzerns einzulagern. Andernfalls würden vom 8. Juni an die Versandkosten, die Amazon in Rechnung stellt, um 25 Cent pro Sendung steigen.
Um „Effizienz und Schnelligkeit“ der Zustellungen zu erhöhen, sei es notwendig, den „Lagerbestand im europäischen Versandnetzwerk“ zu verteilen, begründet Amazon den Vorstoß. "Wir müssen die richtige Balance zwischen drei Schwerpunkten finden: Dem Angebot, dass wir den Händlern machen, dem Zugang zu europäischen Marktplätzen, den wir ihnen geben und einer Gebührenstruktur, die diesem angemessen ist", sagt Schöberl.
Thomas Voß, der bei der Gewerkschaft Verdi für Amazon zuständig ist, spricht dagegen von einen „Versuch, die Kosten zu drücken“, da Amazon für Lagerarbeiter in Osteuropa weniger zahle als in Deutschland.
Für Amazon-Händler könnte die Warenlagerung im Ausland zudem steuerliche Nachteile haben. Um dem etwas entgegen zu setzen wirbt Amazon bereits für den Steuerberatungsdienst einer KPMG-Tochter „mit vergünstigten Konditionen für Amazon-Verkäufer“.