Amazon Wer stoppt die Jeff-Bezos-Maschine?

E-Commerce-Experte Gerrit Heinemann kritisiert die Tatenlosigkeit der deutschen Handelsverbände und des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels angesichts der Bedrohung durch Amazon. "Warum", fragt er, "mobilisiert niemand gegen die herannahende Feuerwalze?"

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Einer Feuerwalze gleich überrollt der US-Internethändler Amazon unter Jeff Bezos den amerikanischen Einzelhandel.

Manchmal reicht eine kurze Zugfahrt aus, um nach einem Wechselbad der Gefühle mit einem sehr faden Beigeschmack in den Tag entlassen und bis in die Nacht hinein mit einem Grübeln ausgestattet zu werden. So neulich im Zug während und nach der Lektüre der FAZ, die auf Seite 1 des Feuilleton-Teils mit der Überschrift "Schlag ins Kontor" offenbarte, dass der Buchhändler Hugendubel am Münchener Marienplatz aufgeben muss.

Die Horrornachrichten über Weltbild sind noch nicht abgeebbt und die Meldung, dass das erste, in 1979 auf fünf Etagen und 3500 Quadratmetern eröffnete, Buchkaufhaus Deutschlands seine Pforten im Frühjahr 2016 schließen wird, macht den buchinteressierten Leser schon mehr als nachdenklich.

Professor Gerrit Heinemann lehrt Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule Niederrhein und ist Schwerpunktleiter Trade and Retail im englischsprachigen Masterstudiengang. Seine Schwerpunktthemen sind Managementlehre und Handel. Quelle: PR

Wie der Artikel ausführt, handelt es sich nicht um ein Einzelschicksal, sondern einen Wandel, der die ganze Branche angeht. Ein Wandel, der in den USA bereits auf andere Branchen übergreift und derzeit Staples sowie RadioChack im ersten Fall zur Schließung mehrerer hundert und im zweiten Fall von über tausend Filialen veranlasst. Das Wallstreet Journal spricht bereits von einer regelrechten Feuerwalze, die mit dem US-Internethändler Amazon unter Jeff Bezos den amerikanischen Einzelhandel überrollt.

Zerstörer eigener Lieferanten

Diese ist jetzt - nach den Zahlen des letzten Jahres - auch am Horizont des deutschen Einzelhandels sichtbar. Mit mittlerweile über 10 Milliarden Euro Handelsvolumen in Deutschland reicht das Wachstum von Amazon in Höhe von offiziell 21 Prozent - durch Ausweitung des Marktplatzgeschäftes wahrscheinlich eher 25 Prozent im letzten Jahr - aus, um dem gesamten Non-Food-Einzelhandel in diesem unserem Lande in nur einem Jahr mehr als 1 Prozent Marktanteil abzunehmen.

Bei weiterhin stabilen Wachstumsraten vergrößert sich diese Zahl progressiv, da der Sockeleffekt überproportional zu greifen beginnt. Seltsam nur, dass in dem Hugendubel-Artikel Amazon als Verursacher dieses Wandels nicht benannt wird. Vor allem, obwohl dieser nicht nur den deutschen Buchhandel bereits zerhackt hat, sondern in der Belletristik sowie auch in den Fachbuchsortimenten mit jeweils rund 40 Prozent Marktanteil bereits eine marktbeherrschende Stellung eingenommen hat.

Diese wird offensichtlich - aufgrund von Ängsten vor Repressalien nur mit vorgehaltener Hand ausgesprochen - bereits gegenüber Verlagen missbraucht. Nicht nur missbraucht, sondern von der "Jeff-Bezos"-Maschine auch noch regelrecht massakriert, in dem sie eigene Verlagsprogramme aufsetzt und so zum direkten Zerstörer seiner bisherigen Lieferanten mutiert.

Wer aber stoppt diese Maschine? Wo bleiben die deutschen Handelskonzerne mit Taten statt Worten, um systemtechnisch aufzurüsten und alle Kräfte gegen die nahende Feuerwalze zu mobilisieren?  Wo bleibt das Kartellamt, um eine ganz offensichtliche Monopolbildung zu verhindern? Wo bleiben die Handelsverbände und allen voran der Börsenverein des Deutschen Buchhandels, um die Alarmglocken zu läuten und vor der herannahenden Feuerwalze zu warnen?

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