Amazon will Filialen eröffnen Wie sich Buchhändler gegen den Handelsriesen wehren

Seite 2/3

"Für manche Konzerne sind Ladenmieten ein Teil des Marketingetats"

Es ist ein schmaler Grat: Einerseits wollen große Buchketten in den Toplagen der Städte vertreten sein, andererseits sind die begehrt und teuer. „Dennoch wollen wir hier bleiben, denn diese Lage ist der beste Service, den wir unseren Kunden bieten können“, sagt Nina Hugendubel, die das Familienunternehmen mit ihrem Bruder Maximilian führt. „Wir kommen ihnen entgegen.“ Allerdings sind die Hugendubels eben auch Kaufleute: „Für manche Konzerne sind die Ladenmieten ein Teil des Marketingetats“, sagt Maximilian, „bei uns muss sich jeder einzelne Laden rechnen.“ Darum schrumpft die Filiale in München auf ein Drittel, nur noch ein Bruchteil der Titelzahl wird im Angebot sein. Erhalten bleiben im Laden, der wohl Mitte 2017 startet, Leseinseln und ein Café, wenn auch deutlich kleiner. So wollen sie sich von Amazon unterscheiden: ein Ort sein, an dem sich Menschen treffen.

Die beliebtesten Händler der Deutschen
Das Logo des Parfümerie- und Handelskette "Douglas" Quelle: dpa
Das Aldi-Logo Quelle: REUTERS
Eine Kaffeetasse in einer Tchibo-Filiale vor einem Produktregal. Quelle: dpa
Ansicht des Logos und des Schriftzugs der Drogeriemarktkette Müller Quelle: dpa
Eine Kundin schiebt in einer Rossmann-Filiale einen Einkaufswagen. Quelle: dpa
Ein Kugelschreiber mit der Aufschrift "Otto...find ich gut." Quelle: dpa
Eine Verkäuferin ordnet die Buchauslagen in einer Thalia Filiale Quelle: dpa

Dagegen hätte Martin Schwoll ebenfalls nichts einzuwenden. Er betreibt in Aachen den Buchladen Backhaus, nur 500 Meter entfernt hat die Mayersche ihren Stammsitz. Der Filialbetrieb, vor rund 200 Jahren gegründet, ist für Aachen und Nordrhein-Westfalen, was Hugendubel für München und Bayern ist, beide verzeichnen dreistellige Millionenumsätze. Schwoll dagegen ist froh, dass es seinen Laden überhaupt noch gibt. Und während Hugendubel und die Mayersche ihre Online- und Geschäftskundenbereiche ausbauen und Amazon an Offlineplänen feilt, freut sich Schwoll darüber, dass sein Laden im Gespann mit einer weiteren Filiale 2015 Gewinn machte – zum ersten Mal.

Besondere Auswahl lockt Kunden an

Was seine Kundschaft in den kleinen Laden lockt, ist die besondere Auswahl an Titeln. Backhaus versteht sich als literarische Buchhandlung. Die „Spiegel“-Bestsellerliste hat Schwoll verbannt: „Wir verkaufen nur, was zu uns passt.“ Das wird überregional anerkannt: Im vergangenen Jahr gehörte Backhaus zu den Preisträgern beim erstmals ausgeschriebenen Deutschen Buchhandlungspreis. Auch, weil Backhaus auf seinen knapp 90 Quadratmetern kleinen Verlagen Raum gibt. „Wir empfangen jedes Halbjahr mehr als 30 Vertreter“, sagt Schwoll, „das ist weit über dem Durchschnitt.“

9000 Titel bietet er, das Konzept scheint aufzugehen. Denn gegen den Branchentrend meldet der Backhaus-Chef für die ersten Monate 2016 steigende Umsätze, die er durch ungewöhnliche Aktionen füttert: Einmal im Monat lädt Backhaus zum „Spät-Lesen“. Ein Dutzend Leser darf sich drei Stunden lang ohne Buchhändler im Laden aufhalten, bei Käse und Wein, die Bilanz des Abends sei meist „sehr erfreulich“.

Vor zwei Jahren erhielt Ralph Effgen einen Anruf. Sein Bekannter Jörg Wagner, Filial-Vize der Kreissparkasse, fragte den Unternehmer aus Idar-Oberstein, ob er mit ihm eine Buchhandlung übernehmen wolle. Effgen musste nicht lange nachdenken. Seine Familie ist in der Region verwurzelt. Ralph hatte von seinem Vater Effgen Schleiftechnik übernommen, einen Spezialisten für Diamantwerkzeuge und Schleifmaschinen, und zu einer Gruppe mit 40 Millionen Euro Umsatz und 400 Mitarbeitern ausgebaut. Effgen hat miterlebt, wie sein Ort von 45.000 Einwohnern auf unter 30.000 schrumpfte, als Kasernen schlossen und Bundeswehr und US-Militär abzogen. Zu spüren bekam das auch der Handel, Kaufhof und C&A machten dicht. Schulz-Ebrecht, mit fast 130 Jahren ältester Buchhändler am Ort, hatte es im Februar 2013 ebenfalls erwischt. „Da mussten wir etwas tun“, erklärt der Unternehmer sein Engagement: „Wir wollen, dass diese Stadt lebendig bleibt.“

Sechs Wochen nachdem der Laden geschlossen hatte, machten Wagner und Effgen ihn zusammen mit drei Buchhändlerinnen gründlich renoviert wieder auf. Anders als Backhaus in Aachen ist Schulz-Ebrecht keiner, der sich seine Nische sucht. Wichtig ist, dass es ihn überhaupt noch gibt.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%