Für Scott Galloway ist Amazon ein neuer Typus Unternehmen. Einem, dem Profit zweitrangig ist. Und der dafür auch noch gefeiert wird. Galloway ist Professor für Marketing an der New York University Stern School of Business. Mit seinem Unternehmen L2 bewertet er die digitalen Leistungen von Marken – und tritt auf Konferenzen wie dem DLD in München auf. Dann spricht er wie ein Maschinengewehr und ballert dem staunenden Publikum Zahlen und Fakten um die Ohren.
So auch wieder Mitte April als er sich dem Wachstum des 1994 in Seattle von Jeff Bezos gegründeten Unternehmen widmete. Wann immer, so witzelte Galloway, der Gewinn bei Amazon zu hoch ginge, würde Bezos seine Führungskräfte versammeln und sicher fragen: „Was ist schief gelaufen?“. Profit, so Galloway, sei nachrangig. Und die Investoren begrüßten das auch noch.
Wenn es nach Galloways Interpretation von Bezos geht, ist bei den nun verkündeten Quartalszahlen wohl so ziemlich alles schief gegangen. Der Umsatz stieg in den ersten drei Monaten 2017 um 23 Prozent im Vergleich zum Vorjahr auf 35,7 Milliarden US-Dollar, auch der Gewinn pro Aktie (EPS) stieg auf 1,48 US-Dollar. Analysten hatten mit etwas weniger Umsatz und einem deutlich geringeren EPS von 1,08 Dollar gerechnet. Die Anleger bedankten sich mit einem nachbörslichen Kurssprung von rund fünf Prozent.
Diese Unternehmen hat Amazon gekauft
Auf den ersten Blick gibt es keinen Zusammenhang zwischen einer Shoppingplattform aus Dubai und dem Hersteller von Robotern. Doch alle gehören zu Amazons Reich, das wegen der verschiedenen Art seiner Unternehmungen kaum zu greifen ist. Hier einige Beispiele für Verkäufe in der Vergangenheit.
Für die Expansion im Mittleren Osten hat Amazon die Webseite souq.com übernommen. Der Kaufpreis wurde nicht genannt. Mitbieter Emaar Malls PJSC, die das größte Shopping Center der Welt betreiben, hat jedoch rund 800 Millionen Euro geboten.
Nice - wie nett. So heißt das italienische Unternehmen in Asti, das Amazon 2016 für eine unbekannte Summe übernommen hat. Es ist ein Softwarehersteller, dessen Produkt EnginFrame in der Industrie verwendet wird.
Mitgegründet von zwei ehemaligen Mitarbeitern der NSA beschäftigt sich harvest.ai mit der Sicherung gegen Cyber-Attacken. Mit künstlicher Intelligenz analysiert das Unternehmen Nutzerverhalten rund um die IP von Unternehmen und versucht so, Attacken rechtzeitig zu identifizieren und Datenraub zu verhindern. Der Kaufpreis betrug laut der Webseite Techcrunch rund 20 Millionen US-Dollar.
Im März 2012 schloss Amazon den damals zweitgrößten Kauf seiner Geschichte ab und erwarb Kiva Robotics. Das Unternehmen produziert Roboter für die Warenlogistik in Hallen. Seit 2015 heißt das Unternehmen Amazon Robotics
Am 15. Februar erklärte das Unternehmen do.com, dass es gekauft wurde und kündigte an, seine Webseite zu schließen.. Die Internetadresse mit dem knackigen Namen gehört nun zum Amazons Cloud-Computing-Unternehmen Amazon Web Services (AWS). Die Software von do.com ist eine Meeting-Plattform, die die produktiver werden lassen soll. Sie erstellt unter anderem Berichte für diejenigen, die nicht anwesend waren. Do.com ist nun aufgegangen in Amazons Konferenzangebot chime.aws.
Bereits 2009 hat Amazon den Schuhhersteller Zappos übernommen und war mit einem Umsatz von 10 Millionen Aktien zum damaligen Wert von 900 Millionen Dollar die größte Übernahme. Doch während Zappos auch weiterhin unter eigenem Namen aufzufinden ist, leitet die Adresse endless.com inzwischen auf amazon um, die Webseite wurde eingestellt.
Damit hat alles begonnen in Deutschland. 1998 kaufte Amazon den damaligen Buchhändler telebuch.de, der seit 1991 Bücher über das BTX-System der Deutschen Bundespost vertrieb. Der Auftakt am 15. Oktober 1998 rumpelte jedoch noch etwas, schrieb damals die Computerwoche.
Amazon hat nun die Möglichkeiten, das weiter zu tun, was es am liebsten tut: Wachsen. Da wäre zum einen das personelle Wachstum. Waren es 2014 noch 154.000 Mitarbeiter weltweit in Voll- oder Teilzeit, stieg die Zahl 2015 auf 230.000. Der Sprung in 2016: noch mal 111.000 Mitarbeiter mehr. Am 31. Dezember 2016 waren es laut Amazon 341.400 Menschen, die ihr Geld bei dem als Buchhandel gestarteten Versandhändler verdienten. Das Wachstum geht weiter – die Zahl der Jobangebote in den verschiedenen Amazon-Unternehmen rangieren zwischen drei- und vierstellig. Ingenieure und Softwareentwickler werden bevorzugt.
Zum anderen füllt Amazon durch Zukäufe ganzer Unternehmen und Beteiligungen in Start-ups Lücken, die das Unternehmen in seinen verschiedenen Sparten nicht schnell genug selbst füllen kann. Das reicht von der Übernahme eines Roboterherstellers, der die inzwischen 45.000 Logistikroboter von Amazon produziert, bis zu Investments in kleine Unternehmen, die sich um Softwarelösungen für Videos oder Serversicherheit kümmern.
In diese Unternehmen hat Amazon investiert
Amazon kauft nicht nur Unternehmen, sondern unterstützt mit Investitionen über seinen Alexa Fund Start Ups. Von Sprachkontrolle bis Babyüberwachung - kaum ein Lebensbereich, der nicht Amazons Interesse auf sich zieht. Hier eine Auswahl jüngerer Aktivitäten des Fonds.
Im Februar diesen Jahres machte das Unternehmen Grail aus San Francisco damit Aufhebens, dass es Investitionen von rund 1 Milliarde Dollar einsammeln möchte, um einen Bluttest zu entwickeln, mit dem Krebs diagnostiziert werden kann. 900 Millionen wurden bis Anfang März gesammelt, unter anderem von Pharmaunternehmen wie Merck, aber auch Amazon gehört zu den Investoren.
Das Unternehmen stellt ein Armband namens Myo her. Dieses liest die elektrische Aktivität der Muskeln aus. Damit können Geräte gesteuert werden, ohne dass sie berührt werden müssen. Die Anwendungen reichen von der Steuerung einer Lichtanlage bis zur Hilfe für Menschen, die Prothesen tragen und damit zugreifen können.
Über seinen Alexa Fund ist Amazon an dem Unternehmen Mojio beteiligt. Das bietet eine Plattform, die es Nutzern ermöglicht, ihre Autos via Apps mit Menschen, Orten oder Dingen zu verknüpfen. Unter anderem kann die Software Fahrzeugdaten auswerten - aber auch das Fahrverhalten seines Nutzers.
Spracheingabe ist eines der wichtigsten Themen der Tech-Branche. Sprechen statt tippen - das soll immer zuverlässiger funktionieren. Vesper entwickelt dafür Mikrofone.
Owlet Baby Care ist ein Babyphone, das den Eltern erlaubt, unter anderem den Herzschlag des Babys auf dem Smartphone zu überwachen. Der Sensor dafür ist zum Beispiel in Socken untergebracht.
Im Vergleich zu Google, Apple oder Facebook ist Amazon dabei zurückhaltend. Mit fünf Übernahmen bildet Amazon das Schlusslicht des Quartetts, das Scott Galloway als „The four Horsemen“ bezeichnet – basierend auf einem durch die Band Metallica bekannt gewordenen Rocksong auf deren Debutalbum. Dessen Titel war: „Kill ‚em all“.
Amazon macht in seinem Geschäftsgebaren sicher keine Gefangenen – ist bei Zukaufpolitik dennoch eher konservativ, urteilt Nat Burgess von der Beratung TechStrat in den USA. „Sie denken langfristig und lassen sich nicht von hochfliegenden Bewertungen verführen“, sagte Burgess dem Portal Geekwire.
Die Langfriststrategie, die sich aus den Aufkäufen ganzer Marken wie shoes.com oder dem Gesundheitsunternehmen Grail.com erkennen lässt, dürfte dennoch eine Reihe von Branchen nervös machen.