Werner, Roßmann und Schlecker glauben, dass die Menschen zu ihnen strömen, wenn der Preis stimmt. Einsparungen geben sie an ihre Kunden weiter. „Damals hat eine Dose Elnett-Haarspray – gebundener Preis – 9,90 DM gekostet. Wir haben sie für 6,98 DM verkauft“, erinnert sich dm-Gründer Werner in seiner Autobiografie. „Das war nicht nur ein paar Pfennige billiger, das war richtig billig!“
Der Niedrigpreis zieht. Die neuen Drogisten beginnen ihr Geschäft auszuweiten. Schleckers Stunde schlägt. Er treibt die Aldi-Masche auf die Spitze, will der Billigste sein, immer. Die Ausgaben seiner Filialen reduziert er auf ein Minimum: spartanische Ausstattung für die Filialen, karge Löhne für die Mitarbeiter. Das Prinzip Schlecker ist geboren.
Es ist nicht nur mit seinem Namen, sondern tatsächlich mit seiner physischen Person verknüpft. Schlecker führt sein Unternehmen als eingetragener Kaufmann, kurz e.K. Eigentlich eine Rechtsform für Kleinsthändler. Die Vorteile: Er kann in seinem Unternehmen schalten und walten wie er will. Er ist niemandem Rechenschaft schuldig, muss nicht mal seine Geschäftszahlen veröffentlichen. Die Kehrseite wird Schlecker später zu spüren bekommen: Er hat nicht nur den Erfolg für sich, sondern auch die Niederlage. Schlecker haftet mit seinem gesamten Privatvermögen.
Stationen der Schlecker-Insolvenz
Schlecker meldet Insolvenz an.
Das Verfahren wird eröffnet. Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz hofft noch auf die Rettung von Teilen der Drogeriekette.
Es wird bekannt, dass Anton Schlecker sein Privathaus im Wert von zwei Millionen Euro vor der Insolvenz an seine Frau übertragen hat. Ein zweites Grundstück soll sein Sohn bekommen haben.
Die Staatsanwaltschaft Stuttgart leitet ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Untreue, Insolvenzverschleppung und Bankrott gegen Anton Schlecker ein.
Die Schlecker-Gläubiger fordern mehr als eine Milliarde Euro.
Der österreichische Investor Rudolf Haberleitner will 2013 bis zu 600 ehemalige Schlecker-Filialen mit dem Konzept eines modernen Tante-Emma-Ladens wiederbeleben.
Gut ein Jahr nach der Pleite zahlt die Familie Schlecker dem Insolvenzverwalter 10,1 Millionen Euro. Hintergrund ist der Streit um übertragenes Vermögen aus dem Unternehmen.
Haberleitner will einstige Schlecker-Filialen unter dem Namen Dayli wiederbeleben und Testläden in Deutschland eröffnen.
Noch vor dem geplanten Deutschland-Start ist der Schlecker-Nachfolger Dayli pleite.
Die Staatsanwaltschaft Stuttgart erhebt Anklage gegen Anton Schlecker wegen vorsätzlichen Bankrotts.
Der Insolvenzverwalter reicht Klage gegen ehemalige Schlecker-Lieferanten ein. Sie sollen Schlecker wegen illegaler Preisabsprachen um viel Geld gebracht haben. Geiwitz will Schadenersatz in Millionenhöhe.
Es wird bekannt, dass das Landgericht die Anklage zulassen will. Der Schlecker-Prozess soll im März 2017 beginnen.
Der Prozess vor dem Landgericht Stuttgart beginnt.
Staatsanwalt Thomas Böttger fordert für Anton Schlecker drei Jahre Haft. Lars Schlecker soll nach dem Willen der Staatsanwälte zwei Jahre und zehn Monate in Haft, Meike zwei Jahre und acht Monate. Die Verteidigung hält die Forderungen für „überzogen“, nennt aber selbst kein empfohlenes Strafmaß.
Das Urteil des Landgerichts Stuttgart ist am Ende doch eine Überraschung: Anton Schlecker muss nicht ins Gefängnis. Das Gericht verurteilte den 73-Jährigen wegen vorsätzlichen Bankrotts zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe und einer Geldstrafe von 54.000 Euro. Schleckers Kinder Lars (46) und Meike (44) wurden dagegen zu Haftstrafen von zwei Jahren und acht Monaten beziehunsgsweise zwei Jahren und neun Monaten verurteilt, unter anderem wegen Insolvenzverschleppung, Untreue und Beihilfe zum Bankrott.
Seine Billigdrogerien rollt Schlecker über das Land aus. Sein Kalkül: Wer die Marktmacht hat, kann bei den Herstellern bessere Preise aushandeln. Ein Plan, der aufgeht. Die Hersteller geben ihm Nachlass und vor allem lange Zahlungsfristen: Sie gewähren Schlecker indirekten Kredit, er muss teils erst viele Monate nach Erhalt der Waren zahlen. So finanzieren sie seine Expansion mit.
Was Schlecker betrieb, ist heute als Schneeballsystem verschrien. Zunächst wirkt es wie eine nicht aufzuhaltende Lawine in schleckerblau. 1977 gibt es bereits 100 Schlecker-Märkte. 1984 eröffnet die 1000. Filiale, 1995 die 5000. Spätestens seit 1994 ist Schlecker unangefochtener Marktführer. Der Emporkömmling nutzt die Schwäche der Alteingesessenen gnadenlos. „Für die Startphase von Schlecker gilt, dass die lokalen Konkurrenten regelrecht aus dem Markt „gekegelt“ wurden“, schreibt Wirtschaftswissenschaftler Roland Alter in seinem Buch „Schlecker, oder: Geiz ist dumm“. Rund 17.000 kleine Drogeriefachmärkte gibt es Anfang der 70er Jahre in Deutschland. Die allermeisten werden in den kommenden 20 Jahren aufgeben. Schlecker lernt: Wer sich gegen Widerstände durchsetzt, gewinnt.
Stürmisches Wachstum begleitet das Unternehmen fast bis zum Schluss - auch im Ausland. Ende der 80er baut er ein Filialnetz Österreich auf, er dringt nach Spanien, die Niederlande und Frankreich vor. Expandiert selbst in den 2000er Jahren noch in Süd- und Osteuropa.
Auch Rossmann und dm sind billiger, auch sie expandieren, breiten sich in Deutschland aus. Doch statt in jedes Dorf zu dringen, wollen sie in die 1A-Lagen in den Einkaufsstraßen.
Schlecker stört das nicht. Vieles stört ihn nicht. Vom Gericht wird er 1998 wegen Lohndumpings verurteilt, von Arbeitnehmervertretern angefeindet, von den Medien gescholten. Als Geizkragen und kontrollsüchtig ist er landauf, landab verschrien.
All das wurmt den Drogeriekönig nicht. Anton Schlecker ist schließlich ein e.K. und ein erfolgreicher noch dazu. 1999, wenige Monate nach dem Lohndumping-Urteil, feiert der Konzern sein Rekordjahr: 300 Millionen Euro Gewinn. Schlecker hat unternehmerischen Erfolg, weil er nicht auf die anderen hört.