Als Drogerieunternehmer Anton Schlecker am 20. März beim Ulmer Amtsgericht die eidesstattliche Versicherung über seine Vermögensverhältnisse abgab, also den Offenbarungseid leistete, fiel das Ergebnis übersichtlich aus: kein Haus, keine Yacht, kein Pferd. Sogar der Porsche, mit dem der Pleite-Patriarch nach wie vor durch seinen Heimatort Ehingen düst, gehört ihm nicht selbst. Das geht aus dem Sachverständigengutachten hervor, das Schlecker-Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz für das Amtsgericht Ulm erstellt hat und das der WirtschaftsWoche vorliegt.
Auf Schleckers privatem Girokonto bei der Sparkasse Ulm fanden sich zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung demnach nur 18.000 Euro. „Von weiteren Bankguthaben oder nennenswerten Bargeldbeständen in Privatbesitz ist bisher nichts bekannt. Im Rahmen der Ermittlungen ergaben sich keine Hinweise auf weitere Privatkonten“, schreibt der Insolvenzverwalter.
Schlecker gab dem Gutachten zufolge an, weder über Lebens- und Rentenversicherungen noch über Schiffe und Villen zu verfügen. Das Ehinger Privatwohnhaus befinde sich „seit Langem im Eigentum der Ehefrau Christa Schlecker“, heißt es im Gutachten. Da die Eheleute in Gütertrennung leben, haben die Gläubiger also wohl keinen Zugriff darauf. Nur an einem Münchner Immobilienfonds, einer Ladenbaufirma und einem Parkhausbetrieb war Schlecker demnach privat beteiligt. Die Verkaufserlöse fließen nun in die Insolvenzmasse.
Auch Schleckers vermeintlicher Luxus-Fuhrpark war offenbar nur eine Dauerleihgabe. „Angabegemäß stehen keine Fahrzeuge in seinem Eigentum. Nach jetzigem Kenntnisstand sind alle von Herrn Schlecker genutzten Fahrzeuge ausschließlich im Unternehmensvermögen bilanziert“, heißt es im Gutachten des Verwalters. Insgesamt taxiert der Verwalter den „aus der Verwertung des pfändbaren Privatvermögens“ erzielbaren Betrag auf nur 118.000 Euro.
Ist bei Schlecker also wirklich nichts mehr zu holen? Bei seinen bisherigen Ermittlungen, schreibt Geiwitz, seien „insbesondere Zahlungsströme an Familienmitglieder“ untersucht worden, darunter zum Beispiel „Unterlagen zu Grundstücksübertragungen in den letzten zehn Jahren“. Das Resultat: Geiwitz sieht bei mehreren Sachverhalten möglicherweise „anfechtbare Rechtshandlungen“.
Eine halbe Milliarde Euro aus Privatbesitz
Laut dem Bericht zahlte Anton Schlecker noch am 20. Januar 2012 sieben Millionen Euro an das Logistikunternehmen LDG zurück. Am 23. Januar meldete er Insolvenz an. „Die Zahlung dürfte“, so Geiwitz, „anfechtbar sein.“ LDG gehört Schleckers Kindern Meike und Lars. Sie hatten dem väterlichen Konzern über die LDG zuvor ein Darlehen in zweistelliger Millionenhöhe gewährt. Last-Minute-Rückzahlungen von Krediten kurz vor einer Insolvenz gelten unter Verwaltern generell als problematisch, da oft der Verdacht nahe liegt, das auf diesem Weg der Insolvenzmasse Geld entzogen wird, um bestimmte Gläubiger zu bevorzugen.
Im Jahr 2009 habe Anton Schlecker zudem zwei Grundstücke aus seinem Privatbesitz an seine Ehefrau und seine Kinder unentgeltlich übertragen. In den letzten Jahren seien zudem „wiederholt Geldschenkungen an die Kinder und Enkelkinder des Schuldners“ erfolgt. Fest steht allerdings auch: Schlecker hat in den vergangenen Jahren rund eine halbe Milliarde Euro aus seinem Privatbesitz in das Unternehmen gepumpt, seine Kinder haben Millionendarlehen an Schlecker vergeben und zählen zu den größten Gläubigern (siehe WirtschaftsWoche 23/2012). Hätte Anton Schlecker in großem Stil Vermögen beiseite schaffen wollen, hätte er nur frühzeitig die Rechtsform seines Konzerns ändern müssen.
Neben der Schlecker-Familie und den Arbeitnehmern könnte die Schlecker-Pleite unterdessen auch für Markenartikelhersteller wie Henkel gravierendere Folgen haben als bislang erwartet. Zwar hatte Henkel-Chef Kasper Rorsted vor wenigen Wochen gesagt, Schlecker habe für den Pril-, Persil- und Schwarzkopf-Hersteller keine große Bedeutung, denn der Anteil am Gesamtumsatz liege bei unter einem Prozent. Henkel erlöste 2011 mehr als 15 Milliarden Euro. Aber in der Industrie wächst die Furcht, die Schlecker-Pleite könnte sie härter treffen als zunächst angenommen. Auch aus dem Top-Management des Henkel-Konzerns heißt es nun, den Wegfall Tausender Schlecker-Läden könnten die Düsseldorfer mittelfristig empfindlicher spüren als erwartet. Wenn die Schlecker-Kunden zu den Konkurrenten wie dm oder Rossmann wechselten, merkten sie schnell, welche preiswerten und dennoch hochwertigen Eigenmarken diese Ketten anböten.
Schlecker erwirtschaftete mit ‧seinen wenigen Eigenmarken nur 17 Prozent des Umsatzes, wie aus einer Verkaufspräsentation der Unternehmensberatung McKinsey und der Rothschild-Bank hervorgeht. Bei dm ist der Anteil knapp doppelt so hoch, Rossmann kommt auf 24 Prozent – und der Anteil „wächst permanent“, wie ein Unternehmenssprecher sagt.
Erschwerend kommt hinzu: Das Duopol Rossmann und dm könnte künftig den Herstellern die Preise und Konditionen noch stärker diktieren als bisher. Auch dass ein Großteil der Kunden Shampoo und Seife künftig in Supermärkten und bei Discountern kauft, hilft Markenartiklern wie Henkel, Unilever (Dove), Beiersdorf (Nivea) oder Procter & Gamble (Ariel, Pampers) nur wenig. So rüstet sich der Rewe-Ableger Penny mit der eigens aufgelegten Kosmetik-Eigenmarke Today für die Neuaufteilung des Drogeriemarktes. Bis zum Jahresende sind rund 80 Today-Artikel geplant.