App mit Barcode-Scanner Zalando wird zum Angstgegner

Der Berliner Online-Anbieter Zalando bringt Schuh- und Modefilialisten zum Schreien - doch nicht vor Glück, sondern vor Wut. Muss bald jeder dritte Laden dichtmachen?

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Diese Eigenmarken stecken hinter Zalando
Sie sind längst nicht mehr nur für Supermärkte und Discounter, sondern auch für Fashion-Händler wie den Berliner Kult-Shop Zalando das Salz in der Suppe: Eigenmarken. Der Vorteil im extrem wettbewerbsintensiven E-Commerce: Mit den eigenen Labels, die bei Zalando als Eigenmarke gar nicht zu erkennen sind, ist die Marge viel höher als bei externen Markenprodukten. Auch die Abhängigkeit von Markenherstellern lässt sich reduzieren. Der Berliner haben mindestens zwölf Eigenmarken in ihrem Portfolio. Ein Überblick. Quelle: Presse
ZignUnter dem Label Zign verkauft Zalando Schuhe und Accessoires; es ist das größte eigene Label im Unternehmen. Hergestellt beziehungsweise kreiert werden die Produkte – laut Zalando etwa 170 Styles pro Saison – von einem jungen Designer-Team unter dem Dach der Berliner zLabels GmbH, die zum Zalando-Imperium gehört. (Quelle: Screenshot Zalando.de) Quelle: Screenshot
mint&berryMit dem Label mint&berry zielt Zalando auf „selbstbewusste junge Frauen, die wissen wo es lang geht.“ Praktisch: Der Chef von zLabels ist gleichzeitig auch einer der Zalando-Geschäftsführer: Robert Gentz. (Quelle: Screenshot Zalando.de) Quelle: Screenshot
Pier OneAuch das etablierte Schuh-Label Pier One wird unter eigener Flagge für Zalando kreiert. Im Handel sind Eigenmarken nicht neu und schon länger ein Kernelement vieler Geschäftsmodelle. Der insolvente Versandriese Neckermann hatte unzählige davon, der Quelle-Versand war bekannt für seine Labels Privileg und Universum und auch die Elektronik-Riesen Media Markt und Saturn, die zum Metro-Konzern gehören, produzieren Fernseher und Blueray-Player unter der Marke PEAQ in Eigenregie. (Quelle: Screenshot Zalando.de) Quelle: Screenshot
StupsDer große Vorteil dieser Strategie ist, dass Zalando im Endeffekt an jedem eigenen Produkt, dass verkauft wird, mehr verdient, als wenn es ein Produkt der etablierten Markenanbieter ist. Eine ausgedachte Beispielrechnung: Bei einem Marken-Snowboot, der 100 Euro kostet und für 50 Euro eingekauft wird, beträgt die Marge 50 Euro. Wenn ein Anbieter wie Zalando nun ein ähnliches Produkt als Eigenmarke für 90 Euro verkauft und die Erstellungs- und Produktionskosten nur bei 15 Euro liegen, ist die Marge wesentlich höher und beträgt satte 75 Euro. Unter dem Label Stups kreiert Zalando Schuhe für Kinder und junge Teenager. (Quelle: Screenshot Zalando.de) Quelle: Screenshot
Mai Piu SenzaEin weiterer Vorteil, der sich Zalando durch die Eigenmarken bietet: Im Online-Store werden z.B. Schuhe von Mai Piu Senza als „das könnte Ihnen auch gefallen“ angeboten, wenn Kunden zum Beispiel nach Schuhen von Hugo Boss suchen. Unter dem italienisch klingenden Label Mai Piu Senza präsentiert Zalando „aufregende Silhouetten, hohe Absätze und gewagte Plateaus“. (Quelle: Screenshot Zalando.de) Quelle: Screenshot
TwintipBesonders clever: Für ihre eigenen Labels können die Zalando-Maketer Anzeigen im hauseigenen Zalando-Fashion-Magazin schalten und sie in einem hochwertigen Umfeld direkt vor der Nase ihrer Zielgruppe platzieren. Das Zalando-Label Twintip versammelt sportliche Bekleidung von Beachwear bis hin zu robusten Snowboardoutfits. (Quelle: Screenshot Zalando.de) Quelle: Screenshot

Die neueste Attacke kommt auf den ersten Blick harmlos daher: Beim Berliner Schuh- und Modeportal Zalando – Werbeslogan „Schrei vor Glück“ – können die Kunden jetzt mit einer neuen App auch via Smartphone Handtaschen, Winterstiefel oder Wanderrucksäcke ordern.

Das allein wäre für die klassischen Modeläden noch keine Aufregung wert. Aber die App bietet nebst allerlei Fashion-Schnickschnack auch einen integrierten Barcode-Scanner an. „Artikel aus dem stationären Handel lassen sich damit kinderleicht scannen und bei Zalando online suchen“, heißt es in der Pressemitteilung zur App.

Soll heißen: Die Läden der Konkurrenz werden zum Showroom degradiert. Schrei vor Wut, dürften Verkäufer bei Breuninger, Kaufhof oder Karstadt den Vorstoß kommentieren – wenn allzu dreiste Interessenten nach Beratung und Anprobe die komplette Garnitur tatsächlich mit ihren Handys scannen und bei Zalando bestellen.

Zalando auf einen Blick

Das Miniprogramm kann als gezielter Angriff auf die Offline-Konkurrenz in den Fußgängerzonen gewertet werden. Der Internet-Riese macht dem stationären Modehandel ohnehin schon das Leben immer schwerer. Laut der Fachzeitschrift „Textilwirtschaft“, die wöchentlich die Umsätze zahlreicher Bekleidungshändler in einem Panel erhebt, schloss die Branche das Gesamtjahr mit einem Minus von zwei Prozent ab. 60 Prozent der Modeläden schrieben demnach rote Zahlen.

Amazon, Mirapodo und Co.

Für die Umsatzschmelze im Textilgewerbe halten betroffene Unternehmer gleich mehrere Erklärungen parat: Das Wetter sei lange zu mild und die Verbraucher seien zu knauserig gewesen, murrt die Branche unisono. Trendige Billigheimer wie die irische Modekette Primark oder der Discounter TK Maxx aus den USA erobern deutsche Einkaufsstraßen und erschüttern das Preisgefüge. Vor allem aber fällt ein Name, wenn es um den mauen Geschäftsgang geht: Zalando.

Kein anderes Unternehmen schreckt die City-Platzhirsche so wie der Berliner Online-Player, der zuerst den Schuhhandel aufmischte und nun dem Modewesen eine neue Kleiderordnung verpassen will.

Zorn der Zunft

Im Grunde dienen die Berliner dabei als Chiffre für den digitalen Generalangriff, der die Branche derzeit umwälzt. Bei rund 15 Prozent verorten Experten bereits den Anteil des Online-Handels am deutschen Schuh- und Bekleidungsmarkt. Bis 2020 könnte die Quote auf mehr als 20 Prozent steigen – und den stationären Geschäften zunehmend die Kundschaft abgraben.

Nebst Zalando bedrängen Dutzende Internet-Firmen wie Amazon, Mirapodo oder Asos die arrivierten Bekleidungsfilialisten. Ausländische Modehäuser wie Debenhams versuchen in den deutschen Markt per Web-Shop vorzudringen. Shoppingclubs buhlen um die Kundengunst, und Markenhersteller verkaufen ihre Ware zunehmend über eigene Online-Shops.

Und dennoch zieht zuvorderst Zalando den Zorn der Zunft auf sich.

Das "unbegrenzte" Angebot


Die größten Versandhäuser Deutschlands
Versand Quelle: AP
Werner Otto Quelle: dpa
Wachstum Quelle: dpa
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Quelle Quelle: dpa
Insolvenz Quelle: AP
Internethandel Quelle: AP

Aus dem Nichts ist das Anfang 2008 gegründete Unternehmen zum Milliardenkonzern aufgestiegen. Die Umsätze kletterten von 150 Millionen Euro netto im Jahr 2010 auf 510 Millionen Euro im Folgejahr. 2012 dürfte die Eine-Milliarde-Euro-Marke gefallen sein. Möglich wurde der Fabel-Aufstieg des Shoppingportals mit einer so aggressiven wie kostspieligen Strategie.

Schrei vor Glück - Zur vergrößerten Ansicht bitte auf die Darstellung klicken.

In einer Flut von TV-Spots ließen die Berliner kreischende Frauen und Postboten die Zalando-Werbebotschaft verbreiten: „Schrei vor Glück“. Parallel zum Reklameversprechen investierte das Management in Kundendienst und Online-Marketing, hielt die Preise niedrig, stockte IT und Logistik auf und nahm mit erweiterten Rückgabegarantien bewusst teure Retouren in Kauf, um an Reichweite zu gewinnen.

Die Folge: Zalando genießt eine Präsenz und Beliebtheit bei den Verbrauchern, die selbst Experten verblüfft. „Die Podiumsplätze im deutschen Textileinzelhandel zeigen in 2012 eine derart starke Verschiebung“, wie sie „bislang noch in keiner Branche zu beobachten war“, vermerkten die Spezialisten der Düsseldorfer Unternehmensberatung OC&C in ihrer jährlichen Kundenumfrage zum Image von Handelsunternehmen.

In vier von zehn Kategorien, darunter Modegrad, Vertrauen und Produktauswahl, hat Zalando die jeweils beste Bewertung von 26 Modeunternehmen erhalten und rangierte in Summe weit vor den meisten stationären Anbietern. Esprit, s.Oliver, Zara, H&M und New Yorker müssten sich „mit zunehmenden marktseitigen Herausforderungen konfrontiert sehen“, sagen die OC&C-Experten. „Es wird zunehmend schwerer, sich auf der begrenzten stationären Fläche gegen das ‚unbegrenzte‘ Angebot der Onliner zu verteidigen.“

Zalando und Co. hätten das Shoppingverhalten nachhaltig geändert, urteilt Handelsexperte Jörg Funder, geschäftsführender Direktor des Instituts für internationales Handels- und Distributionsmanagement in Worms. Durch die Rückschick-Garantie sei die Angst vor Fehlkäufen minimiert worden, ein Dammbruch, der die tradierten Modehändler „unter extremen Druck setzt“, so Funder.

Wie stark die Internet-Granden das Geschäft umkrempeln, ließ sich im Weihnachtsgeschäft besichtigen. Amazon testete in Großstädten einen neuen Expressversand: Die Kunden erhielten ihre Lieferung teilweise noch am Tag der Bestellung.

Schwierige Verteidigung


Die 10 größten Onlinehändler in Deutschland
Apple Quelle: AP
Alternate.de Quelle: Screenshot
Platz 8: Conrad.de Quelle: Screenshot
Tchibo.de Quelle: dpa
Platz 6: Bonprix.de Quelle: Screenshot
Cyberport.de Quelle: Screenshot
Platz 4: Notebooksbilliger.de Quelle: Screenshot

Laut Gerrit Heinemann, Leiter des eWeb-Research-Centers der Hochschule Niederrhein, hat Amazons Logistik-Coup das Zeug, dem Online-Handel nochmals enorme Wachstumsimpulse zu verschaffen.

Während im Modebereich der Berliner Großversender unverdrossen bei den stationären Geschäften wildert, verschließen sich weite Teile der sonst so trendaffinen Branche dem neuen Shoppingverhalten wie Goretex-Jacken dem Regen. Ein „erschreckend defensives Verhalten“ attestiert Konsumforscher Heinemann dem deutschen Bekleidungshandel.

Tatsächlich wurde die Online-Drift vielerorts verschlafen, agierten selbst die als wendig geltenden Anbieter wie H&M oder Zara lange Zeit zu zögerlich. Einige Branchengrößen verfügen bis heute über keinen funktionsfähigen Online-Shop.

So lässt sich auf der Internet-Seite des Düsseldorfer Modehauses Peek & Cloppenburg zwar recherchieren, ob die Boss-Orange-Lamm-Lederjacke für 399 Euro in Größe 48 in der Filiale in Bergen-Enkheim gerade verfügbar ist oder nicht. Nur direkt bestellen können die Kunden das Exemplar nicht – weder nach Hause noch in den Laden. Erst im Laufe des Jahres will P&C ein „nahtloses Cross-Channel-Angebot“ etablieren. Sprich: Die Ware kommt endlich auch beim Kunden an.

Auch P&C-Ableger Anson’s zählt bisher zu den Internet-Verweigerern, ebenso wie die Textildiscounter Takko und Kik oder der Sportartikelspezialist Intersport, der eine Online-Präsenz dem individuellen Engagement seiner angeschlossenen Fachhändler überlässt.

Auch das Nürnberger Modeunternehmen Wöhrl, das jüngst die Übernahme des Hagener Wettbewerbers SinnLeffers angekündigt hat, hält sich in Sachen E-Commerce bedeckt. SinnLeffers, immerhin, soll im Februar ins Online-Geschäft einsteigen.

Sicher, die Internet-Spätzünder zählen mittlerweile zu den Ausnahmen. Das Gros der großen Namen verkauft Jeans und Blusen auch im Netz – mal mehr, mal weniger professionell. Gleichwohl fließt das meiste Geld wie eh und je in neue Filialen. Trotz des Rückgangs der Kundenfrequenz, wächst die Verkaufsfläche der Modehändler weiter.

Überflüssige Ladenflächen

Angesichts der Entwicklung warnte Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub im Interview mit der WirtschaftsWoche bereits vor erheblichen Überkapazitäten: „25 bis 30 Prozent der Ladenfläche“ hält Haub für überflüssig. „Es gibt zu viele Baumärkte und Textilhändler in Deutschland“, so Haub, „über kurz oder lang wird sich da etwas tun.“

Wie ein Brandbeschleuniger


Die Trends beim Einkaufen
Hersteller werden zu HändlernAls einen der wesentlichen Trends der vergangenen Jahre sehen die Experten von KPMG und EHI, dass Markenartikelhersteller zunehmend eigene Einzelhandelsaktivitäten entwickeln. „Ob Adidas, Boss oder WMF – sie alle haben in den letzten Jahren massiv eigene Geschäfte eröffnet“, heißt es in der Studie. Diese Strategie sei nun in den Fokus zahlreicher Hersteller gerückt. „Überall dort, wo Hersteller aus den eigenen Produktionsstätten ein kompetentes Sortiment anbieten können und gleichzeitig eine starke Marke haben, gibt es hierfür zumindest eine gute Grundlage.“ Quelle: AP
Händler werden DienstleisterDie Integration von Dienstleistungen in Handelskonzepte könnte neuen Umsatzschwung bringen. So könnten Lebensmittelhändler ihren Kunden auch Cateringangebote unterbreiten. Der Verleih von Partyzelten, Tischen und Bänken ist eine Option für den Getränkehandel. Zwar konnten sich die Verbraucher in der Umfrage nur schwer vorstellen, ihren Babysitter künftig im Drogeriemarkt zu buchen oder die Bergsteigeausrüstung im Outdoor-Laden zu mieten, aber die Unternehmen werden solche Leistungen verstärkt anbieten, erwarten die Trendforscher. Quelle: AP
Zurück in die InnenstädteWurden bis Ende der 90er Jahre neue Shoppingcenter vor allem am Stadtrand oder auf der grünen Wiese eröffnet, lag der Anteil der innerstädtischen Neueröffnungen im Jahr 2011 bei 81 Prozent, schreiben die Experten. Auch andere Betriebsformen drängen zurück in die City. Im Möbelhandel seien dies Möbel Lutz und Ikea, bei den Baumärkten Hagebau oder Knauber. Quelle: dpa
Location Based ServicesDa die Anzahl der Smartphones weiter steigt, gehen die Handelsexperten von EHI und KPMG davon aus, dass auch so genannte ortsbasierte Dienste als Instrument der Kundenansprache immer wichtiger werden. Per Nachricht auf das Handy ist etwa möglich, dass Kunden sofort informiert werden, wenn sie sich in der Nähe einer Parfümerie aufhalten, die ihr Lieblingsparfum zum vergünstigten Preis anbietet. Quelle: obs
Augmented Reality (via Webcam Kleidungsstücke anprobieren)Eine Technologie, die sowohl im E-Commerce als auch im M-Commerce an Bedeutung gewinnen wird sei die so genannte ‚Augmented Reality‘, also erweiterte Realität, heißt es in der Handelsstudie. Insbesondere im Modesegment sehen die Experten Anwendungsmöglichkeiten. „Kunden können beim Online-Shopping via Webcam Kleidungsstücke virtuell anprobieren und deren Farben und Style ohne Probleme ändern. Eine größere Sicherheit bei der Produktauswahl senkt somit die Retourenquote.“ Quelle: dpa
Bezahlen per HandyEs sei durchaus denkbar, dass Kunden im Jahr 2020 Ware mit ihren Smartphones selber einscannen und bezahlen. „Ob der Einkauf für den Konsumenten dadurch wirklich komfortabler wird sei dahingestellt, der Handel jedenfalls bereitet sich technologisch bereits heute auf das Zeitalter des ‚Mobile Scanning & Payment‘ vor“, heißt es in der Studie. Quelle: dpa
Convenience-GeschäfteDemografie und Konsumverhalten führen dazu, dass im Lebensmittelhandel so genannte Convenience-Geschäfte etablieren. Läden also, die Salate, belegte Brote oder frische zubereitete Desserts zum sofortigen Verzehr oder zum Mitnehmen anbieten. Jüngstes Beispiel ist „Rewe to go“, ein Ableger der Kölner Rewe-Gruppe, der in Köln startete und nun auch nach Düsseldorf kommen soll. Auch die niederländische Ahold-Gruppe plant einen Markteintritt mit Convenience-Geschäften in Deutschland. Quelle: dapd

Als eines der ersten Opfer schlitterte 2012 die traditionsreiche Schuhhandelskette Leiser in die Insolvenz. Für die Schieflage waren zwar überwiegend hausgemachte Probleme verantwortlich. Doch die zusätzliche Internet-Konkurrenz wirkte in der Krise wie ein Brandbeschleuniger. Selbst vermeintlich gut gerüstete Schuhkontore wie der Hamburger Familienbetrieb Görtz wurden von den Marktverschiebungen kalt erwischt.

Dabei galt Görtz unter Händlern lange Zeit als eine Art Vorzeige-Multichannel-Unternehmen. Der Görtz Online-Shop heimste Auszeichnungen ein, die Umsätze stiegen kontinuierlich – bis Zalando die Bühne betrat. Fortan herrschte Flaute im Görtz-Shop. Die Berliner hatten neben der TV-Kampagne massiv in Google-Werbeanzeigen investiert und so die Besucherströme auf die eigene Seite gelenkt. Görtz konnte nicht mehr auf Augenhöhe mithalten, zumal auch das Filialgeschäft lahmte.

Im Sommer leitete Geschäftsführer Thorsten Hermelink die Sanierung ein. Rund 30 der 260 Standorte werden bis 2014 dichtgemacht. „Das Kaufverhalten hat sich grundlegend geändert“, sagt Hermelink, „darauf haben wir reagiert.“ Er will Görtz künftig als noch hochwertigeren Anbieter präsentieren, edlere Marken verkaufen und die Verfügbarkeit der Ware erhöhen.

„Wir können und wollen nicht gegen Zalando antreten, sondern müssen uns noch stärker abheben“, sagt Hermelink. Zugleich ist er überzeugt, dass der Konzentrationsprozess im Schuh- und Bekleidungshandel erst am Anfang seht.

Online-Handel mit Schuhen und Bekleidung boomt

Ob der düsteren Perspektiven tröstet sich manch Händler damit, dass das Wachstum von Zalando auf einem brüchigen Fundament basiert. Noch hat der Konzern keinen einzigen Cent verdient, das Unternehmen ächzt unter den hohen Retouren, und ein Großteil der Umsätze würde ohne Werbemillionen wohl prompt in sich zusammenfallen.

Stabiles Soufflé

Ist Zalando also nicht mehr als ein hübsch anzuschauendes Online-Soufflé? Selbst wenn, für den stationären Modehandel würde das die Lage nicht groß ändern. Solange die Investoren – darunter das Beteiligungsunternehmen Rocket Internet, hinter dem die Brüder Marc, Alexander und Oliver Samwer stehen, die Tengelmann-Gruppe und der schwedische Finanzinvestor Kinnevik – nicht nervös werden und die Mittel kappen, kann Zalando weiter expandieren.

Und falls das Unternehmen scheitern sollte, werden die Umsätze kaum zurück in den stationären Handel fließen. Nicht nur Unternehmen wie der Amazon-Schuhableger Javari, der Kunden mit kostenlosem Versand und einer Rückgabefrist von 365 Tagen lockt, stehen parat. Auch die Hersteller entwickeln sich von Lieferanten zu Konkurrenten.

Evolution des E-Commerce


So shoppen Multi-Millionäre im Internet
Der Luxus erhält Einzug in die virtuelle Einkaufswelt. Der Online-Shop "The Billionaire Shop" konzentriert sich ganz auf exklusive und teure Güter: Schnelle Autos, Luxus-Villen, Helikopter und Brilliant-Uhren. Hier kommen Multi-Millionäre, die mit einem Klick ihr Geld loswerden wollen, voll auf ihre Kosten. (Foto: Screenshot The Billionaire Shop) Quelle: Screenshot
Wer das nötige Kleingeld hat: Der luxuriöse Shop versteht sich nach eigenen Angaben als Anlaufstelle für Lottogewinner, die nicht so richtig wissen, wohin mit ihrem Geld. (Foto: Screenshot The Billionaire Shop) Quelle: Screenshot
Dieses Problem dürfe mit dem Luxusshop, der im Grunde genauso wie Amazon funktioniert, gelöst sein. Eine der beliebtesten Rubriken sind die Privatjets. (Foto: Screenshot The Billionaire Shop) Quelle: Screenshot
Die Macher des Online-Shops kommen aus Schweden und betreiben auch die internationale Glücksspiel-Seite Multilotto.com. Gegenüber Mashable sagte ein Sprecher, dass es bislang für Millionäre nicht leicht war, Luxusprodukte unkompliziert im Internet zu kaufen. (Foto: Screenshot The Billionaire Shop) Quelle: Screenshot
Wer sich eine Luxusuhr kaufen will, schiebt beispielsweise die Patek Philippe für 1.390.000 Euro in den Einkaufswagen und bezahlt dann per Mausklick. (Foto: Screenshot The Billionaire Shop) Quelle: Screenshot
Wer viel Geld hat, kann auch viel ausgeben: Zum Beispiel 289.000 Euro für einen Lamborghini, den The Billionaire Shop für seine wohlhabende Zielgruppe dann nach Hause verschifft. (Foto: Screenshot The Billionaire Shop) Quelle: Screenshot
Und wenn der vermögende Internet-Nutzer zu Hause merkt, dass er eigentlich lieber den schwarzen Mosler Raptor GTR haben wollte, kann er den roten Flitzer wieder zurückgeben. (Foto: Screenshot The Billionaire Shop) Quelle: Screenshot

So will der Sportartikelproduzent Adidas bis 2015 rund eine halbe Milliarde Euro über eigene E-Commerce-Aktivitäten einspielen. „Die enormen Steigerungsraten der letzten Jahre“ werden „mit Sicherheit weiter zunehmen“, erwartet Mark Bezner, geschäftsführender Gesellschafter des Hemdenherstellers Olymp. „Wir beobachten diese Evolution“, sagt Bezner, „und intensivieren unsere Bemühungen in diesem Geschäftsfeld.“

Der Online-Kampf

Im Online-Kampf zwischen Markenherstellern und Großportalen dürfte es vor allem kleineren Anbietern schwerfallen, sich zu behaupten. Doch es gibt Chancen. Das Modehaus Rübsamen ist eine Institution in Augsburg. Mitten in der Innenstadt steht das Stammhaus, über dem rot umrandeten Eingang prangt der Schriftzug Fashion Galerie. Seit dem Jahr 1900 hat der Händler seine Pforten geöffnet, verkaufte anfangs Wanderstöcke, Bierseidel, Kruzifixe und Schnupftücher.

Nach und nach wandelte sich das Unternehmen zum Anbieter von Mode, Bettwäsche und Accessoires, Filialen kamen dazu. Inzwischen führt das Traditionsunternehmen 15 Läden rund um Augsburg, beschäftigt 200 Mitarbeiter – und betreibt nebenher vier Web-Shops.

Rund 50 000 Pakete verschickte Rübsamen-Inhaber Marcus Vorwohlt im vergangenen Jahr an Online-Käufer. Schon vor fünf Jahren begann er, das Web-Geschäft aufzubauen. Statt das komplette Sortiment der Filialen eins zu eins im Netz abzubilden, konzentrierten sich die Augsburger auf die Artikel, bei „denen wir auch bundesweit vorn mitspielen können“. Im Fall von Rübsamen waren das etwa Bettwäsche und Tagesdecken.

Auf eine Nischenstrategie setzen auch die Eigentümer des Luxusmodeladens Theresa, der in der Münchner Maffeistraße all die Labels führt, die Fashion-Fans begeistern. 2006 entschloss sich das Inhaberehepaar Susanne und Christoph Botschen, nicht mit Nobelfilialen in andere Städte zu gehen, sondern via Web zu expandieren.

Gucci zum Googeln

Seither hat sich das Startup MyTheresa, das unabhängig vom Münchner Laden geführt wird, zu einer der größten Plattformen für Luxusmode im Netz entwickelt: 160 internationale Designer-Marken von Dolce&Gabbana über Gucci bis zu Givenchy hält das Portal von der Isar inzwischen bereit. 2011 spielte der Online-Shop bereits 25,3 Millionen Euro Umsatz ein. MyTheresa war von Anfang an profitabel. Für 2012 rechnet das Management mit einem Wachstum von 50 Prozent, das Ergebnis soll sich verdoppeln.

Nur einer, so scheint es, kann die Münchner Erfolgsgeschichte noch um ein Happy End bringen: Zalando. Anfang Januar haben die schrillen Modehändler ihren Luxusableger Emeza.de gelauncht. Auf der Internet-Seite kann die betuchtere Kundschaft Cocktailkleider der Edelmarke DKNY erstehen oder Keilstiefeletten des italienischen Designers Giuseppe Zanotti für 559,95 Euro ordern. Das Angebot ist noch weit entfernt vom Niveau von MyTheresa. Aber pünktlich zu den Frühjahrskollektionen soll die nächste Angriffswelle starten.

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