Arbeitskampf Verdi will härtere Streiktaktik bei Amazon

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"Bei Amazon hat Verdi rein gar nichts erreicht"

Der US-Konzern betreibt allein in Deutschland neun Logistikzentren an acht Standorten, der größte liegt im osthessischen Bad Hersfeld mit zwei Warenlagern. 11 000 Festangestellte arbeiten bundesweit für das Unternehmen. 2016 schuf Amazon nach eigenen Angaben 800 unbefristete Arbeitsplätze in Deutschland. Und der Wachstumskurs hält an: Amazon verkündete bereits den Aufbau neuer Standorte: in Dortmund und Werne (NRW), Frankenthal (Rheinland-Pfalz) und Winsen (Niedersachsen).

Der Kern des Streits ist unverändert: Verdi fordert, die Blockade gegen Tarifverhandlungen aufzugeben. Die Gewerkschaft verlangt einen Tarifvertrag nach den Bedingungen des Einzel- und Versandhandels. Amazon weigert sich, sieht sich als Logistiker und verweist auf eine Bezahlung am oberen Ende des Branchenüblichen. Deswegen kommt es seit Mai 2013 immer wieder zu Streiks. Die Amerikaner sehen keinen Anlass für ein Einlenken. „Wir beweisen jeden Tag aufs Neue, dass man auch ohne Tarifvertrag ein fairer und verantwortungsvoller Arbeitgeber sein kann“, meint Ulrike Leikeb aus der Amazon-Deutschland-Zentrale in München. „Amazon und Verdi passen nicht zusammen.“

Amazons Logistik-Netz in Deutschland

Dieser Eindruck hat sich beim Handelsexperten Gerrit Heinemann schon lange verfestigt. „Mit den Streiks bei Amazon hat Verdi rein gar nichts erreicht“, sagt der Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule Niederrhein. „Die Gewerkschaft beißt sich an dem Handelsriesen die Zähne aus. Denn Amazon kann mit Leiharbeitern auf die Streiks reagieren und die Bestellungen der Kunden auch über Versandlager im benachbarten Ausland abwickeln.“ Er kenne Zahlen, wonach die Lieferqualität sich überhaupt nicht verschlechtert habe.

Dass Verdi mit anderen Gewerkschaften an Amazon-Standorten im Ausland eine Art multinationale Streikfront bilden kann, hält Heinemann für unrealistisch: „Die Koordinierung ist ja schon in Deutschland schwierig. Es spricht wenig dafür, dass Verdi eine schlagkräftige Zusammenarbeit mit ausländischen Gewerkschaften gelingt.“ Man müsse aufpassen, dass Amazon nicht sogar Jobs ins Ausland verlagere.

von Jacqueline Goebel, Niklas Dummer, Peter Steinkirchner
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