Arbeitskampf in der Luft und am Boden Lufthansa will Streik in letzter Sekunde abwenden

Noch hat die Lufthansa die Hoffnung nicht begraben, die Spartengewerkschaft Cockpit von Streikplänen abzubringen. Doch bei den Inhalten liegen die Parteien weit auseinander. Auf der Schiene sieht es nicht besser aus.

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Sie wollen an den Einnahmen des Konzerns weiter wie bisher partizipieren, etwa über großzügige Rentenregelungen: Lufthansa-Piloten. Quelle: dpa

Frankfurt Im Tarifkonflikt mit den Piloten will die Lufthansa einen Streik in letzter Minute abwenden. Personalvorstand Bettina Volkens rief die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit am Montag in Frankfurt zu einer Rückkehr an den Verhandlungstisch auf: „Wir sind konsensbereit und suchen einen Kompromiss“. Noch am Nachmittag sollte ein Schreiben an die Gewerkschaft gehen, um die Verhandlungen fortzusetzen. Hintergrund des von Cockpit angedrohten Streiks ist ein Streit über die Übergangsrente für die Piloten. Deshalb hatte es bereits im April massive Flugausfälle gegeben, 3800 Verbindungen fielen aus.

Die Gespräche hätten in einer konstruktiven Atmosphäre stattgefunden, sagte Volkens. Die Lufthansa verstehe nicht, warum die Cockpit diese am Freitag für gescheitert erklärt und einen Ausstand angekündigt habe. Sie sagte, man habe Cockpit angeboten, einen gemeinsamen Verhandlungsprozess festzuschreiben, an dessen Ende eine Schlichtung stehen könnte. Bisher habe man aber darauf keine Antwort erhalten.

Wann und wie lange die Flugkapitäne streiken werden, war am Montag zunächst weiter unklar. Die Lufthansa rechnet nach eigenen Angaben damit, dass Cockpit einen Ausstand 24 Stunden vorher ankündigen werde. Derzeit sei ohnehin nicht davon auszugehen, dass die Piloten flächendeckend streikten, fügte Lufthansa-Manager Raimund Müller am Montag hinzu. Mehrtägige Streiks erwartet die Airline auch nicht. Lufthansa werde einen Sonderflugplan entwickeln, um wesentliche Strecken aufrechterhalten. Auf einen Ausstand sei man vorbereitet, betonte Europas größte Fluggesellschaft.

Cockpit hatte zuvor die Streikbereitschaft bekräftigt: „Es geht um die Abwägung von Passagierinteressen und der Effizienz eines Streiks“, sagte ein Sprecher der Pilotengewerkschaft auf Anfrage. Man wolle es Lufthansa nicht zu leicht machen, Ausfälle zu ersetzen.

In dem Konflikt geht es genau genommen um die gesamte Lebensplanung der 5400 Piloten bei Lufthansa, Germanwings und Lufthansa Cargo. Dreh- und Angelpunkt der Auseinandersetzung ist die Übergangsversorgung der Lufthansa-Mitarbeiter, die diese durch die Kündigung des Tarifvertrags durch die Lufthansa gefährdet sehen. Mit dem Geld aus der Versorgungskasse konnten die Piloten bis Ende 2013 frühestens mit 55 Jahren in Rente gehen, für bis zu 60 Prozent der letzten Bezüge. Das Geld dafür, das bis zum Beginn der staatlichen Rente gezahlt wurde, kam aus dem Topf der Übergangsversorgung. Teil der Regelung war aber auch, dass die Piloten spätestens im Alter von 60 Jahren den Steuerknüppel aus der Hand legen mussten. Ein Lufthansa-Kapitän, der länger arbeiten wollte, klagte dagegen und bekam 2011 vom Europäischen Gerichtshof Recht. Aus Sicht der Lufthansa ist mit dem Urteil die Rechtsgrundlage für die Frührente der Piloten entfallen, weshalb der entsprechende Tarifvertrag gekündigt wurde.
Die Piloten sehen das als Katastrophe, da die langen Arbeitszeiten und Nachtflüge auf die Dauer an der Gesundheit nagen. Sie fürchten, dass die Lufthansa die dafür gebildeten Rückstellungen von 1,2 Milliarden Euro auflösen will.

Im Schnitt gehen die Lufthansa-Kapitäne derzeit mit knapp 59 Jahren in den vom Unternehmen bezahlten Vorruhestand. Lufthansa will das Durchschnitts-Eintrittsalter wegen der hohen Kosten und der auf 65 Jahre hochgesetzten Altersgrenze für Verkehrspiloten schrittweise auf 61 Jahre anheben. Die bisherigen Regelungen zur Übergangsversorgung wolle Lufthansa bis 2016 beibehalten, um Zeit für eine gemeinsame Lösung zu haben, sagte Personalvorstandsfrau Volkens. Im Falle eines Streiks werde Lufthansa prüfen, ob rechtliche Schritte erfolgversprechend seien.

Dem Lufthansa-Management geht es darum, nach den Angestellten am Boden und den Stewards und Stewardessen auch die Piloten an dem vor zwei Jahren aufgelegten Sanierungs- und Sparkurs zu beteiligen. Aber insbesondere die Pläne des neuen Konzernchefs Carsten Spohr für eine Billig-Airline unter der Marke Eurowings treiben die Piloten auf die Barrikaden. Sie fürchten, dass Spohr damit die bisherige Tarifordnung aufbrechen und bei Eurowings die Piloten schlechter bezahlen will.


Höhere Gehälter interessieren Piloten kaum

Weiterer Krach steht auch noch an anderer Stelle an. Mit dem Tarifvertrag kippte Lufthansa nicht nur die Regelungen für die Übergangsversorgung, sondern auch die Vereinbarungen über die Betriebsrenten für die 60.000 Mitarbeiter in Deutschland. Die Zahlungen seien wegen der niedrigen Zinsen an den Kapitalmärkten nicht mehr finanzierbar, hatte Peter Gerber, Personalvorstand des Lufthansa-Passagiergeschäfts, gesagt. Für bisherige Angestellte ändert sich in dem Punkt nichts, doch Lufthansa-Neueinsteiger gehen leer aus, falls keine Einigung gefunden wird. Nicht nur VC, sondern auch die Flugbegleitergewerkschaft Ufo und Verdi wollten den Schritt nicht hinnehmen.

Forderungen nach höheren Gehältern für Piloten sind für die Protestler eher zweitrangig. Angesichts eines Einstiegsgehalts von 73.000 Euro inklusive Zulagen und Spitzengehältern von jährlich 250.000 Euro nach mehreren Jahrzehnten Dienstzugehörigkeit gibt es für viele keinen Grund zur Klage. Die Pilotengewerkschaft VC pocht dennoch auf zehn Prozent mehr Gehalt über 24 Monate. Der Tarifvertrag ist bereits seit zwei Jahren offen. Die Lufthansa bietet zunächst eine vom Geschäftserfolg abhängige Steigerung und ab 2016 ein Plus von drei Prozent.

Die Streik-Ankündigung trifft die Lufthansa in einer schwierigen Zeit. Die größte deutsche Fluggesellschaft steht angesichts einer harten Konkurrenz und eines nahezu weltweiten Preiskampfes unter Kostendruck. Man wolle gemeinsam mit Cockpit Modelle entwickeln, um dem Wettbewerb die Stirn zu bieten, sagte Volkens.

Die Lufthansa-Streiks durch die Spartengewerkschaften des Flugpersonals sind nicht die einzigen Arbeitskämpfe, die aktuell anstehen. Auch auf der Schiene soll der Verkehr demnächst stillstehen. In dem festgefahrenen Konflikt geht es zum einen um Entgeltsteigerungen für Bahn-Beschäftigte, zum anderen um die künftige Form der Zusammenarbeit der beiden Gewerkschaften GDL und EVG. Zunächst rief die GDL ihre Mitglieder für kommenden Mittwoch (27.8.) zu einer Protestversammlung in Fulda auf.

Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) forderte am Montag unterdessen sechs Prozent mehr Lohn. Für die rund 100 000 Mitglieder, die bei der DB AG beschäftigt sind, sollten es aber zugleich auch mindestens 150 Euro mehr pro Monat sein. Zugleich will die EVG, dass die etwa 5000 bei ihr organisierten Lokführer wieder unter die Tarifregelungen der EVG fallen.

Die Lokführergewerkschaft GDL will ihrerseits auch für andere Bahn-Beschäftigte verhandeln und damit in die Domäne der EVG vordringen. GDL-Chef Claus Weselsky hatte am Wochenende einen neuen Vorschlag der Bahn zu einem Kooperationsabkommen mit GDL sowie EVG abgelehnt und von einer „Provokation“ gesprochen.

Doch um allzu große Härten in der Verkehrsbehinderung zu vermeiden, wollen sich die einzelnen Gewerkschaften aus den verschiedenen Sparten bei ihren Arbeitskämpfen offenbar terminlich koordinieren. „Wir bemühen uns, durch Absprachen zu verhindern, dass es parallel zu Streiks kommt“, sagte ein Sprecher der Lokführergewerkschaft GDL am Montag in Frankfurt am Main. „Wir Spartengewerkschaften gehen verantwortungsbewusst mit unserem Streikrecht um“, betonte er. Die GDL und die Pilotenvereinigung Cockpit seien „in Gesprächen, in Abstimmungen drin“.

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