Rettung oder Untergang? Wer derzeit auf eine klare Aussage des vorläufigen Weltbild-Insolvenzverwalters Arndt Geiwitz hofft, dürfte enttäuscht werden. Die Lage sei nicht zu beschönigen, sagte Geiwitz Anfang der Woche bei einer Betriebsversammlung in Augsburg und ließ Skepsis durchblicken. Gestern Abend folgte dann ein wohlgesetzte Dosis Optimismus: Er wolle die Gruppe zusammen halten, kündigte Geiwitz an, mögliche Investoren hätten sich bereits bei ihm gemeldet. Ein Pleitespezialist präsentiert sich als Sphinx.
Das ist nicht ungewöhnlich: Gerade die Startphase einer Insolvenz ist eine stete Gratwanderung für den Verwalter. Zuversicht muss er verbreiten, darf aber keine Euphorie schüren. Die Mitarbeiter will er auf Einschnitte vorbereiten, aber ihnen nicht die Hoffnung rauben. Die Dialektik ist dem Verfahrensablauf geschuldet: Damit der Laden läuft, müssen die Mitarbeiter motiviert, Lieferanten und Dienstleister überzeugt werden. Andererseits ist auch zu viel Optimismus schlecht. Wenn alles halb so wild ist, lässt sich mit Gewerkschaften und Betriebsräten später schlecht über Entlassungen und Zugeständnisse verhandeln.
Hinzu kommt: Das Weltbild-Verfahren ist nicht irgendein Verfahren für Geiwitz. Die Zukunft von Tausenden Mitarbeitern hängt vom Ausgang des Verfahrens ab. Klar, das ist viel Verantwortung - angesichts der Großverfahren, die die Kanzlei Schneider-Geiwitz sonst betreut, aber auch keine völlig neue Dimension. Was den Fall für Geiwitz so heikel macht, ist vielmehr die stete Beobachtung durch Öffentlichkeit und durch die gesamte Insolvenzszene. Kaum eine andere Kanzlei betreut derzeit ähnlich prominente Pleitefälle, steckt bis zum Anschlag in Großverfahren.
Zuletzt war Geiwitz etwa beim Callcenter-Betreiber Walter Services, beim deutschen Ableger von Alpine Bau und dem Strumpf-Fabrikanten Kunert im Einsatz. Nach dem Weltbild-Zuschlag fragte sich die Zunft nun, wie die Kanzlei das neue Mammutverfahren stemmen will. Zudem wird die Pleite des katholischen Verlags von einer steten Schlagzeilenflut begleitet. Patzen Geiwitz und sein Team diesmal, droht der Kanzlei in der Öffentlichkeit der Stempel „Abwickler“ aufgedrückt zu werden. Punktet Geiwitz dagegen mit dem Erhalt von Jobs oder einem schnellen Verkauf des Versandhändlers, kann er wohl endgültig alle Kritik, die im Zuge der Schlecker-Insolvenz an seinem Pleite-Management aufkam, abschütteln.
Ausgerechnet Schlecker, jener krachende Zusammenbruch des schwäbischen Drogerieimperiums, bei dem Geiwitz ebenfalls als Insolvenzverwalter Regie führte, wird damit zur Referenzgröße. Für Geiwitz war das Verfahren Fluch und Segen zugleich: Einerseits war der Fall ein prominentes und lukratives Mandat, andererseits aber auch kein Verfahren für die Bewerbungsmappe: der Verkauf des Konzerns scheiterte, 25000 Mitarbeiter verloren ihre Jobs, das Gros der Gläubiger ging leer aus. Schlecker lässt den 44-Jährigen denn auch bis heute nicht los. Zwar soll das Verfahren bis Ende 2014 größtenteils abgewickelt sein. „Die wesentlichen Tätigkeiten werden wir im Laufe dieses Jahres erledigt haben“, sagt Geiwitz. Doch die Erfahrungen wirken nach.
11. Oktober 2013, 19 Uhr, Hochschule Neu-Ulm. Geiwitz wird im Hörsaal A mit freundlichem Applaus begrüßt – den gibt es selten für Insolvenzverwalter. Doch diesmal muss er auch nicht verschüchterten Angestellten erklären, wie schlecht es um ihren Betrieb steht. Vielmehr soll er im Rahmen des hochschuleigenen Management Forums über „Patriarchalische Unternehmensführung“ referieren. Peter Hurler, der die Veranstaltungsreihe für seine Studenten und andere Interessierte organisiert, stellt Geiwitz kurz vor: Betriebswirtschaftsstudium in Passau, dann Ein- und Aufstieg bei der Neu-Ulmer Kanzlei Schneider-Geiwitz, die Großverfahren wie die Pleite des Baukonzerns Walter Bau abgewickelt hat, ab 2012 Schlecker-Insolvenzverwalter. Absolvent des Internats Salem, Rotarier-Mitglied und Spross einer Ulmer Schuhhandelsfamilie ließe sich seine Vita noch ergänzen.
Doch Geiwitz bedankt sich für das freundliche Intro und leitet zum eigentlichen Thema des Abends über. „Es ist unglaublich, was Patriarchen in der Insolvenz aushalten müssen“, sagt er und meint auch Großpleitier Anton Schlecker. Wer vorher als Halbgott verehrt und teilweise gefürchtet wurde, den treffe der Vorwurf ‚Du hast den Laden gegen die Wand gefahren‘ besonders hart. Ihn selbst habe „das Schlecker-Verfahren um Jahre altern lassen“, räumt Geiwitz an dem Abend ein. Das Gute war, dass nicht er selbst von der Presse als der Böse dargestellt wurde, der die Jobs schleift, sondern dass das auf Schlecker zurückgefallen sei, so Geiwitz.
Auf eine ähnliche Konstellation kann er nun bei Weltbild bauen. In der Öffentlichkeit stehen vor allem die katholischen Eigner in der Kritik. „Die Bischöfe sollten sich warm anziehen“, drohten Gewerkschafter bei einer Betriebsversammlung am Mittwoch. Die Kirchenvertreter haben bereits finanzielle Hilfen in Aussicht gestellt. „Eigentlich müsste Geiwitz aus der Vorlage etwas machen können“, kommentiert ein süddeutscher Insolvenzverwalter die Ausgangssituation.