Bäckerhandwerk Wo es in Deutschland noch gutes Brot gibt

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Bio statt Allergie

Doch woran erkennt man die Spreu im Brotgeschäft, woran den Weizen? Was macht ein richtig gutes Brot aus? „Wenn ich Fantasienamen lese wie Hildegard-von-Bingen-Brot, dann werde ich misstrauisch“, sagt Lutz Geißler, der sich mit Brot auskennt wie kaum ein Zweiter in Deutschland. Der Geologe fing mit dem Backen an, als er an seiner Diplomarbeit schrieb und einen Ausgleich zur Arbeit am Bildschirm suchte. Mit wissenschaftlicher Akribie machte er sich auf die Suche nach den Geheimnissen guten Brotes. Er entdeckte zum Beispiel, dass sich in einem Haushaltsofen dieselben Verhältnisse wie in einem Bäckerofen herstellen lassen, wenn eine Schale mit anderthalb Kilogramm Schrauben miterhitzt und zum richtigen Zeitpunkt mit einer definierten Wassermenge besprüht wird, um Dampf im Inneren herzustellen.

Wenn der Schreibtisch zum Mittagstisch wird
Arbeiter sitzen an einem Tisch und machen Mittagspause Quelle: ZBSP
Ein Arbeitnehmer in einem Büro in Hamburg sieht sich mit zahlreichen Anforderungen konfrontiert Quelle: dpa
Eine Seite des Online-Netzwerks Facebook Quelle: dpa
Ein Besucher der Universitätsmensa bezahlt sein Essen. Quelle: dpa
Ein Mann tippt in einem Büro auf einer Tastatur. Quelle: dpa
Ein Mann arbeitet an einem Laptop in Berlin und hält dabei einen Döner in seiner Hand. Quelle: dpa
Zeppelinwerft-Mitarbeiter Stefan lässt während seiner Mittagspause seine Füße in einen Messe-See hängen, während er auf dem Holzsteg liegt. Quelle: dpa

„Das Interesse am guten Produkt wächst“, sagt Geißler, der Kurse für Amateure und Profis anbietet. „Viele Privatleute kommen, weil sie in ihrer Gegend schlicht kein gutes Brot mehr finden“, erzählt er. Woran das liegt? Im deutschen Bäckerhandwerk lernen die Auszubildenden weder den richtigen Umgang mit den Rohstoffen noch die verschiedenen Eigenschaften von Mehl. In den vorgefertigten Mischungen sorgt die Chemie dafür, dass alle Prozesse gleichmäßig und beschleunigt ablaufen: Statt in 20 bis 24 Stunden ist ein Natursauerteig in drei bis vier Stunden ofenfertig. Das Fachwissen, das die offizielle Weiterbildungsstätte – die Akademie Deutsches Bäckerhandwerk in Weinheim – vermittelt, hat Geißler wenig beeindruckt: „Ich habe dort Meisterkurse belegt und mich gelangweilt.“

Die beiden Vorzeigebäcker aus dem Schwäbischen haben aus unterschiedlichen Gründen beschlossen, ihren eigenen Weg zu gehen. Der Traditionalist Weber kommt aus der Anti-AKW-Bewegung, buk zunächst in einem Kollektiv und immer schon mit Biozutaten, weil ihm wichtig war, „einen möglichst kleinen Fußabdruck auf dieser Erde zu hinterlassen“. Baier, der zunächst Konditor lernte, dann Bäcker und außerdem Betriebswirtschaft, stand mit 26 Jahren vor der Entscheidung, den Betrieb der Eltern zu schließen, weil er an Allergien litt. Die Berufsgenossenschaft empfahl ihm dringend, sich von Mehl fernzuhalten. Doch er entdeckte, dass sein Asthma und sein Heuschnupfen abklangen, wenn er mit Biomehl arbeitete und auf alle Zusätze verzichtete. Der Vater fürchtete, dass die Ökoware den Betrieb in den Ruin treiben würde; ein Kunde sagte ihm, dass er für den Biohumbug keinen Pfennig draufzahlen werde. Bis heute weisen im Laden nur sehr dezente Schilder darauf hin, dass es sich um Demeter-Ware handelt. Sehr viel größer fällt dagegen der Hinweis aus, dass fast alle Zutaten aus der Gegend kommen, dass das Mehl seit fast 20 Jahren vom selben Lieferanten bezogen wird. „Nur die Kürbiskerne kommen aus der Steiermark“, sagt Baier, „die wachsen nicht in Baden-Württemberg.“

Alte Brotschießer Quelle: Rudolf Wichert für WirtschaftsWoche

Selbst beim Wasser geht Perfektionist Baier nicht den einfachen Weg. Er nutzt Wasser, das durch Edelsteinschichten gefiltert wird und dadurch seine Urform zurückbekommen soll. „Ich war sehr skeptisch, als ich davon hörte, es klang esoterisch“, erinnert er sich. Erst seit zwei Jahren redet er drüber; er befürchtete, die Kundschaft könnte ihm „Hokuspokus“ vorwerfen. „Aber der Teig wird viel lebendiger, viel wohliger“, erzählt er. Und macht damit deutlich, was die wichtigste Zutat für gutes Brot ist: Herzblut.

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