Bangladesch Bengalisches Feuer

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Nirgendwo ist Mode so billig

Produktionsbedingungen in der Textilfabrik
Das brennende Gebäude Quelle: dapd
Bangladeschs Hauptstadt Dhaka Quelle: Probal Rashid für WirtschaftsWoche
Slum von Bangladeschs Hauptstadt Dhaka Quelle: Probal Rashid für WirtschaftsWoche
Frauen in Bangladesch Quelle: Probal Rashid für WirtschaftsWoche
Männer verladen Altpapier Quelle: Probal Rashid für WirtschaftsWoche
Näherinnen in einer Fabrik Quelle: Probal Rashid für WirtschaftsWoche
Frauen in einer Fabrik mit vergitterten Fenstern Quelle: Probal Rashid für WirtschaftsWoche

Vorläufig ist das Abkommen nicht viel mehr als ein breit angelegtes PR-Manöver: Dem temporär schockierten Verbraucher soll suggeriert werden, dass sich die Modelabel um die Sicherheit der Arbeiter kümmern. Tatsächlich geht es den Unterzeichnern um die Absicherung einer fragwürdigen Beschaffungspolitik, die ohne Alternative ist: Nirgendwo wird Mode so billig und in solchen Mengen produziert wie in Bangladesch. Wer sich auf den Wettbewerb um die "Geiz ist geil"-Kundschaft eingelassen hat, kann auf die Näherinnen und Näher aus Bangladesch nicht verzichten.

Die Handelsriesen bestreiten den PR-Vorwurf. "Die Vereinbarung ist eine wichtige Maßnahme, um eine verbesserte Brandschutz- und Gebäudesicherheit zu schaffen", sagt H&M. Um langfristig die Produktionsbedingungen vor Ort zu verändern, brauche es eine "breite Koalition aus anderen Unternehmen, Regierungsvertretern, Gewerkschaften und Industrieverbänden". Das Statement des Düsseldorfer Konkurrenten C&A geht in die gleiche Richtung: "Endlich ziehen mal alle großen Textilketten an einem Strang, um eine Verbesserung der Sicherheitslage durchzusetzen."

Wege zum sauberen Textilimport

Dhaka im Juli. Die Hauptstadt steht unter Spannung, seit den Katastrophen gibt es fast täglich Proteste. Mal fordern Demonstranten eine Erhöhung der Mindestlöhne, die inzwischen von 19 auf 34 Euro im Monat angehoben wurden, mal prangern sie Sicherheitsmängel an. Genauso häufig gehen Menschen auf die Straße, die ihren Job verloren haben, weil unsichere Fabriken dichtgemacht wurden. Am Boom ändert das nichts: Bis Ende Juni sind die Textilexporte im Vergleich zum Vorjahresmonat um 13 Prozent gestiegen, im Mai um 15 Prozent. Übers Jahr exportierte das Land Textilien im Wert von 21,5 Milliarden Dollar, 60 Prozent davon nach Europa.

Ein Zertifikat unter vielen

Das Brandschutzabkommen interessiert in Bangladesch kaum jemanden. Erst Ende Juli reiste eine Delegation der Unterzeichner nach Dhaka, um ihre Lieferanten darüber zu informieren, was die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) in Genf beschlossen hatte. Die lokalen Fabrikanten wissen, wie wichtig den Europäern Gutachten und Zertifikate sind – nachvollziehen kann deren Sinn aber kaum ein Bengale. Nur weil der Kunde König ist und das Geld mitbringt, unterwerfen sie sich den ethischen Regeln von Aldi, Lidl, Primark oder H&M: Den Brandschutzvertrag unterzeichnen sie ebenso wie den "Code of Conduct", in dem die formaljuristische Verantwortung des Lieferanten für die Arbeits- und Sicherheitsbedingungen in den Fabriken festgelegt wird. Ob die Einhaltung der Regeln kontrolliert wird, steht auf einem anderen Blatt.

Das Abkommen ist ein Zertifikat unter vielen – ein neuer Versuch, Entwicklungsländer wie Bangladesch zu Standards zu zwingen, die in Industrieländern über viele Jahrzehnte hinweg entstanden. Die Regierung bleibt außen vor, obwohl sie die Gesetze macht, mit denen die Wirtschaft reguliert werden könnte. Nicht mal der Dachverband der Textilexporteure (BGMEA) war eingebunden, obwohl er für die Vergabe der Exportlizenzen zuständig ist – und damit ein wirksames Instrument in der Hand hat: Einigen Fabriken hat er schon die Lizenzen entzogen.

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