Für Schlecker ist dabei das Timing entscheidend. Die Anklage wirft ihm vor, dass seinem Konzern ab Ende 2009 die Zahlungsunfähigkeit drohte. Erst ab diesem Zeitpunkt kommen Straftaten in Betracht. Doch "war ab dem 31.12.2009 der Eintritt der Insolvenz tatsächlich wahrscheinlicher als deren Vermeidung?", fragt Scharf und gibt damit einen Hinweis auf seine Prozesstaktik. Die Verteidiger dürften argumentieren, dass die Zahlungsunfähigkeit erst wesentlich später drohte, da es immer wieder Hoffnung auf eine Rettung des Unternehmens gegeben habe.
Zudem sei die Insolvenz für seinen Mandanten schlicht "unvorstellbar" gewesen, sagt Scharf. Vor allem ein Punkt soll das belegen. So hätte Schlecker mehr als 50 Millionen Euro in sein Einzelunternehmen investiert, als laut Staatsanwaltschaft schon die Zahlungsunfähigkeit drohte. Warum aber hätte Schlecker dies tun sollen, wenn er an von einer Pleite seines Unternehmens ausging? Tatsächlich wirft der Vorgang, den die WirtschaftsWoche bereits im vergangenen Jahr thematisierte, Fragen auf.
Dabei kommt der Logistikgesellschaft LDG, die den Kindern gehörte und die für den väterlichen Konzern tätig war, entscheidende Bedeutung zu. Über die Gesellschaft soll Schlecker laut Staatsanwaltschaft durch überhöhte Verrechnungspreise einerseits Vermögen aus dem Drogeriekonzern zu seinen Kindern geschleust haben.
Andererseits hat die LDG dem väterlichen Schlecker-Konzern jene 50-Millionen-Euro als Darlehen gewährt und die Forderung immer wieder verlängert. Wenn Schlecker Vermögenswerte beiseiteschaffen wollte, machen diese Transaktionen keinen Sinn. "All dies beißt sich", sagte Scharf dazu vor Gericht. Er will auch die Behauptung der Staatsanwaltschaft widerlegen, die LDG-Rechnungen seien drastisch überhöht gewesen. Bei den kommenden Verhandlungstagen werde sein Mandant aussagen, stellte der Anwalt klar.
Auch Lars, Meike und Christa Schlecker seien an zu Einlassungen bereit, erklärten ihre Anwälte und wiesen die Vorwürfe der Anklage ebenfalls zurück. Deutlich kritisierten Scharf und Meike Schleckers Verteidiger Sebastian Gall, dass vor Prozessbeginn Details der Anklageschrift und einer Steuerauseinandersetzung mit dem Finanzamt Ehingen bekannt geworden sind. Gall sieht vor allem in Letzterem den Versuch, das Verfahren zu beeinflussen und die "Gefahr, ein Klima einer vorverurteilenden Treibjagd" zu schaffen.
Die Anklage reagierte prompt. Von der Behörde seien keine Informationen an die Medien durchgestochen worden, sagte der Staatsanwalt. Auch das Bild der Anklage sei nicht schief, vielmehr gelte es die Besonderheiten des Falls zu berücksichtigen. So habe Anton Schlecker seinen Konzern in der Rechtsform des Einzelkaufmanns geführt. Er habe sich bewusst dazu entschieden, frei schalten und walten zu können. "Wenn ich mich so entscheide, dann muss ich auch in der Krise mein privates Geld zusammenhalten und keine privaten Ausgaben" im Schlecker'schen Umfang tätigen.
Fünf Minuten vor elf Uhr endete der erste Schlagabtausch zwischen Anklage und Verteidigung. Was bleibt, ist die Gewissheit, dass es im Gerichtssaal hoch hergehen wird in den kommenden Monaten.
Bis Oktober soll in dem niedrigen Saal mit einem Hauch Schlecker-Anmutung in der Regel montags verhandelt werden. Womöglich dauert das Verfahren noch länger. Der Richter bat die Beteiligten schon mal, sich auch ab Oktober den Kalender freizuhalten.