Bauern vor der Pleite Cranberries in der Krise

Cranberries haben eine lange Tradition in der amerikanischen Küche. Nun droht vielen Züchtern – insbesondere kleinen Höfen – das Aus. Denn das Angebot übersteigt die Nachfrage bei Weitem.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Die Früchte werden vor allem in Nordamerika angebaut. Quelle: AP

Rochester Sie ist reich an Vitamin C und soll Harnwegsinfektionen verhindern: Die Großfrüchtige Moosbeere, weitläufig unter der englischen Bezeichnung Cranberry bekannt, ist auch in Deutschland als Backzutat, Kompott, Knabberei oder Saft beliebt und darf in den Vereinigten Staaten in keinem Thanksgiving-Menü fehlen. Seit 200 Jahren wird die Kranbeere, wie sie auch genannt wird, in Nordamerika kommerziell angebaut. Und sie steckt in der Krise.

Steigende Produktionskosten, ein Preisverfall, veränderte Essgewohnheiten der Konsumenten und der wachsende Wettbewerb setzen den Bauern in Massachusetts, dem Geburtsort der Cranberry-Industrie, zu. Hinzu kommt eine der schwersten Dürren in der Region seit Jahrzehnten, so dass manche Höfe vielleicht nicht genug Wasser haben werden, um die Felder für die Ernte zu überfluten.

„Für einen kleinen Züchter wie mich ist das ein echtes Verlustgeschäft“, sagt Eugene Cobb, der auf zehn Hektar Cranberries anbaut. Von den vergangenen 16 Jahren, seit er den Hof von seinem Vater erbte, kann er nur zwei als wirklich gut beschreiben.

Die Kranbeeren wachsen an Reben und werden meist geerntet, indem die Bauern die Felder erst überschwemmen und dann maschinell die Beeren abtrennen. Weil die Früchte leichter sind als Wasser, treiben sie an der Oberfläche und können abgeschöpft werden. Heny Hall, ein Veteran des Unabhängigkeitskriegs, soll den Anbau 1816 auf Cape Cod erstmals kommerziell betrieben haben.

Schon damals war die Beere etabliert, boten doch Boden und Klima ideale Voraussetzungen für ihr Wachstum. Wahrscheinlich waren es die Ureinwohner, die den Pilgern die Verwendung der Cranberries als Lebensmittel oder Farbstoff zeigten. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts waren bereits Rezepte für Cranberry-Sauce bekannt. Wegen ihres hohen Vitamin-C-Gehalts wurden die Beeren auch auf Walfangschiffen eingelagert, um unterwegs Skorbut unter der Mannschaft zu verhindern.

Heute ist die Cranberry in Massachusetts die bedeutendste Nutzpflanze und generiert etwa 1,4 Milliarden Dollar jährlich für die Wirtschaft. Im dem US-Staat ist auch die Kooperative Ocean Spray Cranberries angesiedelt, der größte Verarbeiter von Kranbeeren der Welt. Der größte Erzeuger-Staat ist allerdings seit Mitte der 90er Jahre nicht mehr Massachusetts, sondern Wisconsin. Kürzlich fiel Massachusetts sogar auf den dritten Platz in Nordamerika zurück, hinter das kanadische Quebec, wo die Bauern von staatlichen Subventionen profitierten.


Bauern werden Felder aufgeben

Ocean Spray zufolge wird Massachusetts in diesem Jahr 2,1 Millionen Barrel Cranberries je 159 Liter produzieren. In Wisconsin wird mit 5,8 Millionen Barrel gerechnet, in Ostkanada mit 2,6 Millionen.

Dieses Angebot übersteigt die Nachfrage. „Gebraucht werden rund acht oder neun Millionen Barrel, und in diesem Jahr wird die Branche wohl etwa 13 Millionen Barrel hervorbringen“, erklärt der Cranberrie-Züchter Matt Beaton, dessen Familie schon in der fünften Generation im Geschäft ist. „Man muss kein Mathematiker sein, um sich auszurechnen, was da passiert.“

Er baut eine der vielen neuen Sorten an, die in den vergangenen Jahren durch Kreuzzüchtungen entstanden. Seine Beeren sind bis zu zweieinhalb Mal größer als ihre Vorläufer, wie Beaton erklärt. Und sie sind besser für getrocknete Cranberry-Produkte geeignet, die im Verkauf zulegen, während der Absatz von Säften und Soßen zurückgeht. „Das kurbelt unser Geschäft an“, sagt der Züchter.

Er hat nach eigenen Schätzungen in den vergangenen Jahren eine Million Dollar von seinem eigenen Geld und weitere drei Millionen an Krediten investiert, um die größeren Beeren anbauen und ernten zu können. Kleinere Züchter haben diese Möglichkeit häufig nicht. Das schlägt sich in Zahlen nieder. 93 Prozent der Bauern in Wisconsin verfügten über neue Maschinen, um die größeren Beeren ernten zu können, erklärt Brian Wick vom Verband der Cranberry-Züchter auf der Halbinsel Cape Cod. In Massachusetts seien es dagegen nur 50 Prozent.

Züchter, die wie Beaton in die Kooperative einzahlen, erhalten einen Anteil am Gewinn von Ocean Spray. Sie stehen im Allgemeinen deutlich besser da als ihre unabhängigen Konkurrenten. Derzeit nimmt die Firma allerdings keine neuen Mitglieder auf.

Experten empfehlen höhere Steuerfreibeträge und Kreditbürgschaften, damit die Züchter ihre Betriebe modernisieren können. Sie gehen aber auch davon aus, dass in den nächsten Jahren viele Bauern ihre Felder aufgeben müssen.

„Ich überlege jeden Tag, ob ich aussteigen soll oder nicht“, erklärt Steve Ward, der Cranberries züchtet. „Aber mein Bauchgefühl sagt mir, wenn man ein Feld aus der Produktion nimmt, dann kommt es nie zurück. Ich will dieses Feld für die nächste Generation bewahren.“

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%