Beate Uhse Gefangen in der Schmuddelecke

Hohe Preise, leere Regale und noch leerere Läden: Der Imagewandel von Beate Uhse ist gescheitert, die finanzielle Lage spitzt sich dramatisch zu. Dem Erotikpionier droht der letzte Akt.

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Beate Uhse Quelle: dpa

Die Sparkassen in Schleswig-Holstein halten die wohl kurioseste Beteiligung aller deutschen Banken. Eine Tochterfirma ihres Landesverbands besitzt 13 Prozent der Aktien des bekanntesten Sexkonzerns der Republik, der Beate Uhse AG. Für die Tochterfirma haben sich die sonst so biederen Sparkassen-Mitarbeiter einen frivolen Namen einfallen lassen: Venus Hyggelig. Der erste Teil des Namens leitet sich von der römischen Liebesgöttin ab, der zweite kommt aus dem Dänischen und erinnert an die Nähe des skandinavischen Landes zu Flensburg, dem früheren Beate-Uhse-Sitz. Übersetzt heißt Hyggelig gemütlich, „was die Erfordernis darstellt, beim Umgang mit den Aktien Ruhe zu bewahren“, wie der Verband formuliert.

Geduld brauchen die Sparkassen und andere Aktionäre reichlich. Der Kurs dümpelt bei 22 Cent, die Finanzlage ist bedrohlich und der Versuch gescheitert, die Schmuddelecke zu verlassen und zur Lifestyle-Marke zu werden. Stattdessen haben hohe Preise und mangelhafte Ware Kunden vergrault. Beate Uhse droht der letzte Akt – ausgerechnet 70 Jahre nach der Gründung.

2015 sank der Umsatz im Vergleich zum Vorjahr um zehn Prozent auf 128 Millionen Euro, der Erotikkonzern fuhr ein Minus von 18 Millionen Euro ein. So ähnlich geht es seit Jahren, mittlerweile haben die Verluste das Eigenkapital fast aufgezehrt: Zwischen 2009 und Juli 2016 sind die Finanzreserven von rund 100 Millionen auf knapp fünf Millionen Euro gefallen – Besserung ist nicht in Sicht. Gerade räumte das Management ein, 2016 nur das untere Ende der eigenen Prognose erreichen zu können, die ein operatives Ergebnis zwischen zwei Millionen Euro und minus einer Million Euro vorsieht.

Beate Uhse im Überblick

Wegen der angespannten Finanzlage geriet Beate Uhse sogar in Streit mit den Gläubigern seiner Anleihe. Im Juli musste das Unternehmen die jährlichen Zinsen von 2,3 Millionen Euro zahlen, wollte den Gläubigern aber niedrigere Zinsen und eine längere Laufzeit abringen. Ohne Erfolg. Nach langen Diskussionen zahlte Beate Uhse doch, was vor allem deshalb gelang, weil ein Dritter ein Darlehen gewährte. Bei diesem handelt es sich nach Recherchen der WirtschaftsWoche um einen Großaktionär.

Beate Uhse wirbt kaum – und das wenig attraktiv

Trotz des jahrelangen Sanierungskurses und des tageslichttauglichen Umbaus der Filialen kommen immer weniger Kunden in die Läden – und auch beim Onlineshop hakt es. Schuld daran ist vor allem Missmanagement. Ex-Uhse-Leute berichten von schlechter Qualität der Produkte, etwa bei Vibratoren. Statt die Probleme anzugehen, habe das Unternehmen 2015 die Preise deutlich angehoben.

„Und dann wunderte sich die Geschäftsführung, warum die Verkäufe einbrachen“, sagt ein Exmitarbeiter. Zudem habe das Unternehmen unter Lieferschwierigkeiten gelitten, etwa bei Plüschhandschellen. Das Management soll Filialmitarbeiter angewiesen haben, andere Produkte großflächig über die Regale zu verteilen – um Lücken zu kaschieren.

Ein weiteres Problem: Das Unternehmen wirbt kaum und auch noch wenig attraktiv. So gibt es auf dem eigenen YouTube-Kanal nur vier Videos, die Nutzer erst 5660 Mal angeklickt haben. Einer der ärgsten Konkurrenten, der Onlinesexshop Amorelie, erreicht mit einem einzigen Filmchen locker doppelte oder dreifache Abrufzahlen. Woran es bei der Werbung hakt, zeigt ein Foto auf der Facebook-Seite des Unternehmens. Auf dem Bild werben zwei Models mit perfekten Maßen für rosa und blaue Unterwäsche. Die Fernfahrer-Erotik spricht eher die klassisch-männliche Klientel an als selbstbewusste Frauen. Nach WirtschaftsWoche-Recherchen ergab jüngst sogar eine interne Studie, dass viele das Unternehmen weiter in der Schmuddelecke verorten.

Deal mit sich selbst

Mitten in dieser brenzligen Situation verspielt das Management selbst auch noch jedes Vertrauen. Als Beate Uhse über die Restrukturierung der Anleihe verhandelte, versprach die Firma den Gläubigern ein Gutachten von Wirtschaftsprüfern. Die Experten sollten beurteilen, ob es sich lohnt, das Geschäft fortzuführen. Bislang ist das Gutachten nicht erschienen, viele Anleger warten darauf, und in der Finanzszene munkeln die Ersten bereits, die Erotikfirma habe einfach nicht das Geld, um die Prüfer zu bezahlen. Nach Recherchen der WirtschaftsWoche im Unternehmen dürfte die Wahrheit viel schlichter sein: Als die Anleiherestrukturierung scheiterte, bestand aus Beate-Uhse-Sicht kein Grund mehr, das Gutachten fertig zu stellen – was der Konzern so nie kommuniziert hat.

Noch merkwürdiger ging es Ende September zu. Da verkaufte Beate Uhse die Tochterfirma Beate Uhse New Media. Die bündelt das sogenannte „Entertainment-Geschäft“, das etwa aus Pornoangeboten besteht. Der Käufer ist die Schweizer tmc Content Group AG, an der Beate Uhse selbst mit 27 Prozent beteiligt ist. Weitere zehn Prozent gehören einem Luxemburger Unternehmen namens A.J.L. Associates S.A. Einer der Geschäftsführer ist nach WirtschaftsWoche-Recherchen Gerard Cok, der Beate-Uhse-Aufsichtsratschef. Weitere 35 Prozent gehören der niederländischen Letni B.V., deren Anteilsscheine der Consipio Holding B.V. zugerechnet werden. Dieses Unternehmen hält rund 30 Prozent der Beate-Uhse-Aktien und wird Aufsichtsratschef Cok und seiner Familie zugerechnet. Der Clan hat anscheinend einen Deal mit sich selbst gemacht.

Beate Uhse begründet den Verkauf der Sparte damit, dass sich das Unternehmen so besser auf den Online- und Offlinehandel konzentrieren kann. Dabei hatte der Konzern im Geschäftsbericht 2015 noch angekündigt, das Entertainment-Engagement auszubauen. Im aktuellen Halbjahresbericht vermeldet er, dass er die Onlineangebote „moderner und ansprechender“ gestaltet habe. Das Unternehmen hat wohl kurz vor dem Verkauf noch mal Geld in die Sparte investiert.

Neuer Chef ist branchenfremd

Mancher Beobachter glaubt deshalb, dass es sich eigentlich um einen Notverkauf handelt, um an Geld zu kommen. Andere Firmenkenner vermuten, dass die Familie Cok günstig ein gutes Stück aus dem Unternehmen herausfiletieren wollte. Abwegig ist das nicht: Die Beate Uhse New Media erzielte 2015 einen Gewinn von rund einer Million Euro. In den ersten sechs Monaten 2016 waren es rund 260 000 Euro, im Gesamtjahr wären das rund 500 000 Euro. Nach WirtschaftsWoche-Recherchen soll der Kaufpreis bei rund 1,5 Millionen Euro gelegen haben. Er beträgt also das Dreifache des Gewinns – das ist selbst für ein schwächelndes Unternehmen wenig.

Ende September präsentierte Beate Uhse Nathal van Rjin als neuen Vorstandsvorsitzenden. Der Exchef der niederländischen Rabobank besäße „höchste Qualifikationen im Change-Management“, schreibt der Konzern in einer Mitteilung. Ein ausgewiesener Handelskenner ist er nicht.

Van Rjin muss den Sanierungskurs fortführen, er muss den Onlineshop richtig ans Laufen kriegen und mit den Filialen verzahnen. Dafür müsste er viel investieren, doch die Finanzlage dürfte sich weiter zuspitzen. 2019 wird die Anleihe mit einem Volumen von 30 Millionen Euro fällig. Zudem muss das Unternehmen jährlich die Zinsen von 2,3 Millionen Euro stemmen. Das Eigenkapital reicht ungefähr aus, um zwei dieser Zahlungen zu leisten. Wie will der Erotikriese den Rest des Geldes auftreiben, wenn das Geschäft nicht schlagartig boomt? Die WirtschaftsWoche hat diese Frage und etliche weitere an den Konzern gerichtet, der jedoch keine einzige beantworten wollte.

Die Unternehmensgründerin Beate Uhse sagte einmal dem längst untergegangenen „Deutschen Allgemeinen Sonntagsblatt“: „Wenn etwas nicht geht, sage ich: Schluss, aus, vergiss es.“ Bis zu dieser Einsicht ist es offenbar ein langer, trauriger Weg.

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