Bettina Röhl direkt

Karstadt: Ist Berggruen der Retter oder das Problem?

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Berggruen muss jetzt liefern

Schon möglich, dass Berggruen diese wundersame Königin von Saba tatsächlich ist. Wie Berggruens Passadresse lautet, wo er steuerlich veranlagt wird, muss ja niemanden interessieren. Aber der Konkursverwalter, um auf diesen Herrn zurück zu kommen, hat sich möglicherweise nicht genug Gedanken gemacht, ob Berggruen tatsächlich mit einem soliden Zukunftskonzept für das Handelshaus Karstadt an den Start gegangen ist. Ob Berggruen auf eigene Rechnung arbeitet oder fremde Interessen vertritt, auch das schien für den Konkursverwalter nebensächlich gewesen zu sein.

Aber nimmt man den Fall Berggruen/Karstadt nur exemplarisch, dann stellt sich die Frage, ob die Abwicklung von Großinsolvenzen, für deren Abwicklung die Konkursverwalter wesentlich mehr Freiheiten bekommen haben, als sie traditionell hatten, nicht grundsätzlich einer strikteren Plausibilitätsprüfung unterliegen sollten und ob Bieter überhaupt zum Zuge kommen sollten, die bei näherer Betrachtung keinen Anfang und kein Ende, kein Herz und keinen Hintern und vor allem kein Portemonnaie, auf das man zugreifen kann, haben. Irgendwelche Retter, die kein spezifisches Branchen-Know-how mitbringen und gar kein Geld, verbessern die Situation eines Unternehmens kaum und können allein aufgrund ihrer vermuteten finanziellen Muskeln, deren Einsatz sie von vorne herein ausschließen, nicht nach dem Prinzip, es interessiert sich sonst keiner, mit Ein-Euro-Lösungen beglückt werden. Da muss schon ein bisschen mehr kommen.

Berggruen persönlich ist sicher perfekt abgesichert, was seine Haftung anbelangt und natürlich ist es keinem zuzumuten einen insolventen Laden wieder hoch zu päppeln, wenn er seine persönliche Haftung nicht entsprechend beschränken kann. Aber Vertragspartner, die mehr de jure als de facto Vertragspartner sind, können ein besonderer Risikofaktor sein.

Wenn jemand mit so viel heiligem Zinnober auftritt wie Berggruen, dann reicht dies im Zweifel eigentlich nicht. Wer als einzelne Person oder als Vertreter investitionswilliger Firmen an der Insolvenz eines Unternehmens verdienen will, der muss dem Konkursverwalter, der ihm den Zuschlag geben soll, nicht nur ein plausibles Konzept liefern, sondern auch mit einem gewissen angemessenen Kapital bei Abschluss des Kaufvertrages ins Risiko gehen. Das ist schließlich der einzige Beweis dafür, dass der Retter an sein eigenes Konzept wenigstens selber glaubt. Jemand allerdings, der wie Berggruen offenbar nichts in cash investiert und sich in dem bereits genannten ZDF-Film zwei Mal befragen lässt und mit den dümmsten aller denkbaren Ausreden antwortet und eine extrem scharf dazwischen gehende Aufpasserin während dieser kleinen Interviews neben sich hatte, wäre gut beraten, wenn er seine Geheimnistuerei beenden und die Karten auf den Tisch legen würde, aus denen sich ergibt, wie es mit den Karstadtmitarbeitern und dem Warenhauskonzern realistisch weiter geht.


Der Markt für ein derartig gerupftes Kaufhaus, wie es Karstadt jetzt ist, mit ruiniertem Ruf, mit gefrusteten und verängstigten Mitarbeitern, eingeschränktem, immer selektiver erscheinendem Angebot, das inzwischen oft genug von umliegenden Spezial-oder Ramschläden besser befriedigt wird, ist kein Marktplayer, der aus sich heraus besondere Lust auf mehr macht. Berggruen hat mit seinem Ein-Euro-Kauf die Suche nach anderen Lösungen beendet und selber bisher nicht im Entferntesten gehalten, was sich die Beteiligten von dem Milliardär erhofft hatten. Oder realistischer ausgedrückt: von dem sie auf naive Art als gewiss ansahen, dass Berggruen es liefern würde.

Berggruen, der sanfte Weise, ist ein guter Animateur, der andere dazu bringt, mit ihrem Geld in Vorlage treten. Aber jetzt ist er selber intensiv in der moralischen Pflicht die Unruhe um Karstadt mit eigenem Geld zu beenden und ein Übriges zu tun, nämlich eine klare Bilanz vorzulegen, die ausweist, was er persönlich oder seine Firmenkonglomerate bisher aus Karstadt herausgeholt haben. Ohne absolute Transparenz darf es keine unmittelbare oder mittelbare Förderung des Berggruen-Projektes geben. Und auch die Arbeitnehmervertreter sind im eigenen Interesse gehalten, absolute Transparenz für ihr Entgegenkommen zu verlangen. Und auch dies gilt: Karstadt ohne Berggruen muss für alle Beteiligten eine realistische Denkgröße werden.

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