Bettina Röhl direkt

Karstadt: Ist Berggruen der Retter oder das Problem?

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Der geblendete Konkursverwalter


Ähnlich muss es auch dem Konkursverwalter, Klaus Hubert Görg, gegangen sein. Die Zunft der Konkursverwalter tat ihre Arbeit traditionell weitestgehend, hoffentlich immer nach den Buchstaben des Gesetzes, im Verborgenen. Erst seitdem es spektakuläre Konzernpleiten gibt, hat diese Zunft wahre Stars, echte Künstler und Könner hervorgebracht, mindestens was deren Attitüden und was deren Showgehabe anbelangt. Konzerninsolvenzen und Rettungen, gute oder schlechte Sanierungen sind eben ein Leckerbissen für die Profis, aber auch für die Politiker. Man denke nur an den Baukonzern Philipp Holzmann und Gerhard Schröder.

Das Medieninteresse ist riesig und oft größer als deren Kompetenz und Großpleiten locken nicht nur die Leichenfledderer in Gestalt windiger Investoren oder auch die seriösen Sanierungsritter auf den Plan, sie beschäftigen in erster Linie die betroffenen Arbeitnehmer und deren Familien, und sie beschäftigen natürlich die Gläubiger. Großpleiten legen Managementfehler offen, an denen nicht nur die Kapitalseite beteiligt war, sondern auch die in den Vorständen und Aufsichtsräten zahlreich vertretenen Arbeitnehmervertreter und Gewerkschaftsbosse. Der Fall Klaus Esser ist noch in guter Erinnerung. Manch ein Ex-Mannesmann- Aktionär mag es neuerdings bedauern seine finanzielle Seele an Vodafone verkauft zu haben, aber der Deal, mit dem Mannesmann zu Vodafone wurde, war mit Billigung der Gewerkschaften zustande gekommen, die auch die äußerst umstrittene Abfindung für den damals arbeitslos gewordenen Ex-Mannesmann-Boss mit Namen Esser abgesegnet hatten.

Die Gewerkschaftsfunktionäre mimen das soziale Gewissen, den Rächer der geschundenen und enterbten Arbeitnehmer, wohl wissend, dass sie über ihre in Deutschland auch in der Praxis sehr stark ausgeprägte paritätische Mitbestimmung im Management oft genug auch zu den Mitverursachern der Krisen gehören. Die SPD spielt oft genug eine ähnliche Rolle in der Politik wie die Gewerkschaften in den Unternehmen, was die beschriebene Schizophrenie anbelangt. Deswegen fällt die Kritik, die von der Gewerkschaftsseite bei Großpleiten an die Kapitalseite kommt, meist relativ moderat aus. Man unterstützt auf der Straße hier und da ein paar Proteste und gewährt den Wütenden unter den Arbeitnehmern auch die Foren, aber die Gewerkschafter lehnen sich, wie im Fall Karstadt, auch nicht allzu weit aus dem Fenster.

Wenn die Zahl der gefährdeten Arbeitsplätze groß genug ist, bei Karstadt waren es über 25.000, ist der Staat, der meist auch Steuergläubiger in erheblichem Umfang ist, maximal interessiert. Die betroffenen Kommunen wollen Arbeitsplätze meist um jeden Preis retten und am Konzernsitz, wie im Fall Karstadt in Essen, leuchten bei der Stadt überall die Warnlampen und es entwickelt sich oft genug eine ungewöhnliche Spendierlaune. Motto: Lasst uns retten, was zu retten ist. Um jeden Preis. Die Gemengelage, die durch die jahrelange Schwindsucht von Karstadt entstanden war, war eine besondere, denn Karstadt war nicht irgendeine 25.000-Mann-Firma, die irgendwelche speziellen Produkte und Dienstleistungen weitestgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit brachte. Karstadt war - und dieser Wert schwindet zunehmend - seit vier Generationen regelrecht ein Synonym für Kaufhaus. Karstadt war eine Referenzgröße für den Handel.

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