Bilanzskandal bei Steinhoff Aufstieg und Fall eines Möbelimperiums

Der Ikea-Rivale Steinhoff steckt tief in der Krise. Schuld ist ein Bilanzskandal. Quelle: dpa

Alarm im Möbelhaus: Der Chef der Steinhoff-Gruppe räumt seinen Posten, die Aktie kollabiert. Innerhalb weniger Monate hat sich ein vermeintlicher Vorzeigekonzern mit deutschen Wurzeln als Skandalunternehmen entpuppt. Wie konnte es dazu kommen?

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Die Westersteder Unternehmerschar stapfte andächtig durch das Pferde-Idyll, bewunderte hier die komfortablen Ställe, dort die luxuriösen Trainingsanlagen bevor es in die große Reithalle ging. Dort rühmte Bürgermeister Karl Groß das neue Gestüt, das sich in dem Städtchen nahe Oldenburg angesiedelt hat.

Nur eines sei bedauerlich an diesem schönen Tag, merkte Westerstedes Bürgermeister bei seiner Rede an. Bruno Steinhoff, der Wirtschaftsbotschafter der Stadt, könne heute leider nicht dabei sein. Und während wenig später die teuren Tiere durch die neue Reithalle tänzelten, hob bei Käsehäppchen und Wein ein allgemeines Schwärmen und Schwelgen über „den Bruno“ an. Über jenen Unternehmer, der hier mitten im Ammerland zwischen Baumschulen und Reiterhöfen einen Weltkonzern erschaffen hat: die Steinhoff-Gruppe.

Nur ein gutes halbes Jahr ist die Episode her. Doch inzwischen hat sich die Wahrnehmung des einst von Steinhoff gegründeten Unternehmens fundamental gedreht. Das Image hat tiefer Kratzer erlitten. Statt als Vorzeigekonzern und Ikea-Angreifer gilt Steinhoff nun als Krisenunternehmen und Reich von Bilanztricksern.

Neue Schwierigkeiten für den Möbelriesen Steinhoff: Konzernchef Marcus Jooste muss seinen Posten nach erneuten Unregelmäßigkeiten räumen. Die Präsentation der Bilanz wird verschoben – die Aktie geht in den freien Fall.
von Gertrud Hussla

Jüngster Höhepunkt: Der Möbelhaus-Konzern trennte sich am Dienstag wegen Unregelmäßigkeiten in den Büchern von seinem Chef – und verschiebt die Vorlage seiner Jahreszahlen auf unbestimmte Zeit. Auch der Chef der Afrika-Tochter Star nimmt seinen Hut. Die Börsenaufsicht in Südafrika prüft mögliche Fälle von Insiderhandel mit Steinhoff-Papieren. Für die im MDax notierten Steinhoff-Aktien geht es steil abwärts. Am Mittwoch verloren die Papiere mehr als die Hälfte ihres Wertes.

Dabei ging es für den Konzern jahrelang nur in eine Richtung: aufwärts. Nur ein paar Kilometer entfernt von dem Gestüt soll sich das Wunder von Westerstede zugetragen haben. Aus einer Garage heraus – so viel Start-up-Folklore muss sein – legte Steinhoff mit einem kleinen Handelsunternehmen den Grundstein für das heutige Milliardenkonglomerat. Eine globale Möbelmacht, deren aggressives Wachstum selbst dem schwedischen Einrichtungskönig Ikea Respekt abnötigte.

Ältere Fotos zeigen Steinhoff in seinem Arbeitszimmer im gestreiften Hemd und mit grauweißem Haar vor einer riesigen Weltkarte, neben ihm ein rötlich bezogener Stuhl namens Gaby, der dem Unternehmer einst zum Durchbruch verhalf. Mitte der Sechziger Jahre hatte er sich als Importeur selbstständig gemacht und versorgte Möbelhändler mit Ware aus der DDR und dem Ostblock, darunter der Bestseller „Gaby“. Das Geschäft wuchs – bis zum Mauerfall.

Auf einen Schlag drohten Steinhoffs wichtigste Einkaufsquellen zu versiegen. Der Unternehmer steuerte um. Man muss schließlich „Dinge tun“, so vertraute er seinem Heimatblatt „Nordwest Zeitung“ einmal an, „die andere zu dem jeweiligen Zeitpunkt noch nicht tun wollen“. Er kaufte im großen Stil Möbelfabriken im Osten Deutschlands auf und zog eigene Produktionsstätten in Polen, Ungarn und der Ukraine hoch.

Der Importeur wurde zum Produzenten. Der Chef blieb der alte. Frühere Mitarbeiter beschreiben ihn als Unternehmenspatron alter Schule, einer, der auch mal bei Skatrunden mitspielte. Steinhoff sei „ein kerniger Mittelständler“ gewesen, sagt sein Wettbewerber Kurt Krieger, Inhaber der Höffner-Möbelmärkte. Bis er nach Südafrika ging und sich das Unternehmen plötzlich in einen „Granatenladen“ verwandelt habe, so Krieger.

Dafür sorgte der Textilunternehmer Claas Daun, ein langjähriger Freund Steinhoffs aus der niedersächsischen Heimat. Er hatte sich in Südafrika an Gommagomma, einem Hersteller opulenter Sofa-Landschaften beteiligt und überzeugte Steinhoff mit einzusteigen. Noch entscheidender: Bei Gommagomma arbeitete damals ein junger Finanzvorstand namens Markus Jooste. Der Sohn eines einfachen Postangestellten aus Pretoria hatte erst ein paar Jahre zuvor seinen Abschluss als Wirtschaftsprüfer gemacht und für das Studium 100.000 Rand Schulden angehäuft.

„Ich war hungrig. Das war mein Glück“, sagte er später. Steinhoff fand Gefallen an dem ehrgeizigen Mann, der bald zum operativen Chef des afrikanischen Parts aufstieg und das Unternehmen nach und nach neu ausrichtete: Steinhoff sollte nicht länger nur Betten und Schränke produzieren, sondern sie auch verkaufen.

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