Dabei darf es nicht darum gehen, Bangladesch komplett zu boykottieren – wovon sonst sollen die Arbeiter dort leben? Dass es möglich ist, Jobs zu schaffen und trotzdem faire Arbeitsbedingungen zu gewährleisten, zeigt das Beispiel des Lederwarenherstellers Picard. Der Markenhersteller aus Obertshausen bei Frankfurt fertigt zusammen mit dem Unternehmer Saiful Islam nahe Dhaka vor allem Damen-Handtaschen und Geldbörsen. Bald werden 4000 Mitarbeiter nicht mehr nur für Picard, sondern auch für andere Marken produzieren.
Die Fabriken sind hell und gut durchlüftet, an Säulen hängen Feuerlöscher, und der Chef verspricht, dass bei einem Feueralarm binnen 30 Sekunden alle draußen sind. Der Familienunternehmer, von kleiner Statur und mit schütterem Haar, ist kein gewöhnlicher Unternehmer für bengalische Verhältnisse.
Während andere ihre Mitarbeiter geradezu ausbeuten, bietet er seinen Leuten einen Betriebskindergarten, medizinische Versorgung und neuerdings sogar Schulunterricht. Frei von Sorgen ist Saiful Islam aber nicht: Die schlimmen Verhältnisse in vielen bengalischen Gerbereien zerstörten den Ruf des ganzen Landes. „Wenn wir dieses Problem nicht bald lösen, können wir unser Exportwachstum vergessen“, sagt Saiful Islam.
"Compliance ist Teil des Geschäfts"
Die Lösung? Vielleicht ein kompletter Neustart der bengalischen Lederindustrie. Raus aus den mittelalterlichen Hinterhöfen der Hauptstadt auf die grüne Wiese, in zeitgemäße Produktionsstätten. Pläne dafür gibt es längst. Seit zwölf Jahren aber harren sie der Verwirklichung.
Neben Saiful Islam macht sich auch Syed Nazim Mansur dafür stark. Er ist Chef von Apex, dem mit 9000 Mitarbeitern und einem Umsatz von 125 Millionen Dollar größten Schuhhersteller des Landes. Auch Deichmann führt seine Schuhe. Apex fertigt in seinen fünf Fabriken jeden Tag 20.000 Schuhe, leistet sich eine eigene Gerberei und gilt als Vorzeigeunternehmen des Landes – darum macht Manager Mansur über die Lederwaren-Assoziation Druck, damit das Gerberviertel Hazaribagh in Dhaka geschlossen wird.
„Compliance ist keine Charity für uns, sondern Teil des Geschäfts“, sagt er. Zugleich wirbt er aber für Verständnis: Der Kostendruck in Bangladesch nehme zu. „Wegen der Euro-Krise hat der Taka zum Euro um ein Viertel aufgewertet binnen eines Jahres“, sagt der Manager, „so hohe Profitmargen hat kein einziger Schuhproduzent hier.“
Trotzdem stelle sich ein deutscher Einkäufer vor ihn und jammere, dass der preissensible deutsche Kunde keine höheren Preise mittragen könne. Mansur macht eine Pause. Verständnis für die Geiz-ist-geil-Kultur westlicher Konsumenten liegt ihm in diesem Moment sehr fern.