Denn was Primark anderen Billigketten voraus hat, ist, dass ihre Kleindung modisch ausfällt. Das Design der Stücke ist aktuell und greift Stile der großen Labels auf – oder lässt sich zumindest gut mit ihnen kombinieren. Wer Primark trägt, ist kein Außenseiter. Er fällt unter modebewussten Jugendlichen nicht auf. Für ein kleines Taschengeld gibt es die Wirkung großer Modemarken.
Auch mit anderen Mitteln stärkt Primark das Gefühl, dass Kunden ein Schnäppchen machen können. Schon die Lage der Läden in den besten Teilen der Innenstädte suggeriert Qualität. Auch die Einrichtung der Läden leistet einen Beitrag. Mode, die auf den Kik-Wühltischen nach Ramsch aussieht, wirkt im Licht der Primark-Leuchten beinahe edel. Und wer eine Kik-Plastiktasche verschämt versteckt, trägt die braunen Öko-Papiertüten von Primark stolz durch die Stadt.
"Das ganz konkrete Glücks-Gefühl ist dabei sehr viel stärker, als der abstrakte Glaube, mit einem Verzicht die Welt zu verbessern", sagt Häusel. Die Belohnung schlägt das Gewissen, der Lifestyle-Faktor die Ablehnung der Billigmode.
Die Primark-Führung weiß genau um ihre Wirkung und nutzt sie geschickt, um Kunden einen Ausweg aus ihrem moralischen Dilemma zu bieten. Kritischen Nachfragen zu den Produktionsbedingungen begegnet Primark auf die einfachste Art: Der Konzern erklärt seine Methoden zum Branchenstandard. "97 Prozent der Fabriken arbeiten auch für Mitbewerber, die bekannten großen Textilunternehmen. Die Arbeiter sind also alle zu gleichen Bedingungen tätig und erhalten das gleiche Geld", sagte Wolfgang Krogmann, Deutschland-Chef der Modekette, Ende 2014 in einem Interview. Und wälzt die Anschuldigungen so auf die gesamte Textilwirtschaft ab.
Warum Primark so billig ist
Auch, wenn diese Argumentation Primarks Geschäftspraktiken in den Augen der Kritiker nicht weniger verwerflich macht: sie stimmt weitgehend. Tatsächlich produzieren viele große Mode-Hersteller in Schwellenländern. Viel von dem, was in deutschen Warnhäusern vertrieben wird, stammt aus Fabriken in Bangladesch oder Kambodscha. Dort fertigen es Näherinnen zu einem Spottpreis.
Dass Primark seine Kleidung zu Niedrigpreisen anbieten kann, liegt nicht allein an der Produktion in Billiglohnländern. Das Unternehmen drückt Kosten, wo es nur geht. An der Produktqualität wird gespart und Transport und Logistik so weit verschlankt, wie nur irgend möglich.
Werbung schaltet der Konzern erst gar nicht. Muss er auch nicht, denn das übernehmen Menschen wie Bibi und Dagi für ihn. Mit breitem Grinsen sitzen die beiden Frauen vor ihrer Computer. Wild gestikulierend halten sie abwechselnd Primark-Produkte in die Kamera. Einen Wäschesack, eine Bluse, Jogginghosen, Socken. Zu jedem Produkt haben die Frauen eine Anekdote parat. "Eigentlich ganz sweet", kommentieren sie, oder: "Das wird meine neue Lieblingsjogginghose."
Primark-Haul von Bibi und Dagi
"Haul"-Videos (englisch für "Beutezug"), in denen junge Mädchen ihre Shopping-Ausbeute präsentieren, sind auf Internet-Videoportalen wie YouTube der Hit. Bibis und Dagis Shopping-Ausflug nach Primark allein kommt mittlerweile auf mehr als 870.000 Abrufe. Und Hauls wie dieser finden sich zu Hunderten im Netz.
"Primark versteht es perfekt, die Sozialen Medien für sich zu nutzen", sagt Hans-Georg Häusel. Videos und Facebook-Likes sind für Primark die perfekte Werbung: zielgruppenspezifisch, glaubwürdig und nahezu kostenlos. Ab und zu sponsert der Konzern für beliebte Modeblogger nämlich auch mal ein paar Gutscheine. Werden die verlost, sorgt das für zusätzliche Aufmerksamkeit und hebt die Stimmung.