Mit Nackedeis, die den Paketboten entblättern, vor Glück kreischenden Frauen und seit neuestem einem Päckchenzusteller, der noch schneller sein will als der Weihnachtsmann, hat sich Zalando ins Gedächtnis der Zuschauer gebrannt. Für die witzigen Spots und den unglaublich schnellen wie erfolgreichen Aufbau der Marke erhält Zalando am Freitag den Deutschen Marketingpreis. Unter anderem mit TV-Spots, in denen ein Priester den Kundinnen das Zalando-Virus austreiben soll, erreichte die beauftrage Agentur Jung von Matt eine Markenbekanntheit von 95 Prozent.
Nicht immer war die Begeisterung für den Onlinehändler, bei dem zunächst nur Schuhe und mittlerweile Kleidung und Fashion-Accessoires zu haben sind, so groß. Genau genommen überwiegt immer noch die Skepsis. Wie kann ein Unternehmen, das Millionen für Marketing und Retouren ausgeben muss, Gewinn abwerfen? Wie soll ein Händler, der binnen drei Jahren von einem in 14 europäische Ländern expandiert, profitabel sein? Wie lange kann Zalando so weiterwachsen?
Zalando auf einen Blick
Die Berliner Robert Gentz und David Schneider starteten im Oktober 2008 mit dem kleinen Online-Schuhshop Zalando. Ihr Büro diente als Warenlager, der Service lief über ihre Mobiltelefone.
Zu den Investoren zählen die Tengelmann-Gruppe (6 Prozent), der Facebook-Investor Digital Sky Technologies DST (9 Prozent), Holtzbrinck Ventures (8 Prozent) sowie die Samwer-Brüder Marc, Oliver und Alexander über ihren Berliner Startup-Entwickler Rocket Internet und European Funders Fund (17%). Die schwedische Investment AB Kinnevik hat mehrfach aufgestockt und hält mittlerweile 36 Prozent an Zalando direkt und indirekt via Rocket Internet. Damit sind die Schweden die größten Gesellschafter des E-Commerce Unternehmens. Im August 2013 stieg die Mode-Gruppe Bestseller von Anders Holch Povlsen mit 10 Prozent ein. Er kaufte u.a. Holtzbrinck und Tengelmann Anteile ab. Weitere Investoren wie der russischen Dotcom-Finanziers Yuri Milner halten insgesamt zusammen 13,5 Prozent.
Zalando expandierte in den vergangenen vier Jahren extrem schnell und aggressiv in ganz Europa und ist mittlerweile in 15 Ländern aktiv. Dafür setzte das Unternehmen große Summen für das Marketing, vor allem TV-Spots ein. Das Marktforschungsunternehmen Nielsen berechnete die Ausgaben für die Spots im Jahr 2011 allein in Deutschland auf 90 Millionen Euro. Der Bekanntheitsgrad der Marke Zalando liegt in der werberelevanten Zielgruppe bei 95 Prozent. In Frankreich kennt den Online-Händler nach einem Jahr am Markt bereits jeder Zweie.
Laut Bundesanzeiger wies Zalando für 2009 einen Fehlbetrag von 1,6 Millionen aus. 2010 waren es 20,4 Millionen. Der Umsatz lag 2010 bei 150 Millionen Euro. 2011 waren es bereits 510 Millionen Euro, 2012 hat Zalando die Milliarden-Marke mit 1,15 Milliarden Euro Nettoumsatz geknackt und den Vorjahresumsatz verdoppelt. 2013 kletterte der Umsatz um 52 Prozent auf 1,76 Milliarden Euro. Dabei steht aber ein Rekordverlust von 100 Millionen Euro in den Büchern.
Zalando beschäftigt aktuell mehr als 1200 Mitarbeiter. In Berlin entsteht ein neuer Bürokomplex mit 20.000 Quadratmetern für mehrere hundert Mitarbeiter. Ab Sommer 2013 sollen weitere Büroflächen in Berlin Mitte angemietet werden. In Erfurt eröffnet Anfang Dezember das erste eigene Logistikzentrum, mit dem Bau eines weiteren hat der Online-Händler in Mönchengladbach begonnen, hier sollen bis zu 1000 Beschäftigte arbeiten.
Zalando selbst gibt auf die meisten Fragen keine Antwort. So laut und schrill die Kundenansprache, so verschwiegen gibt sich der Konzern gegenüber der Presse. Was zu zahllosen Gerüchten führt. Etwa, dass der Online-Händler siebzig bis achtzig Prozent Retoure zu verkraften hätte – das Todesurteil für jedes Versandhaus. „Das ist fern der Realität“, beruhigt Zalando. Die Retoure gehöre absolut zum Geschäftsmodell dazu und sei Teil des Serviceversprechens. „Trotzdem müssen wir dafür sorgen, dass das Gesamtunternehmen profitabel arbeitet“, so ein Sprecher des Unternehmens.
Die Profitabilität wurde immer wieder angezweifelt. 2009 wies das Unternehmen im Bundesanzeiger einen Fehlbetrag von 1,6 Millionen aus - 2010 waren es 20,4 Millionen. Alles kein Drama, findet Gerrit Heinemann, Professor für Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Trade und Retail und Leiter des eWeb Research Centers an der Hochschule Niederrhein. „Verluste sind in der Anlaufphase völlig normal“. An der bisherigen Erfolgsgeschichte von Zalando hat der Experte wenig zu mäkeln. „Zalando hat bisher mehr richtig als falsch gemacht."
Für die Blitzexpansion innerhalb von ein, zwei Jahren hat das Unternehmen viel Geld in die Hand genommen – mehrere hundert Millionen, so schätzen Experten. „Das ist im E-Commerce absolut notwendig und richtig.“ Zalando sei mit dem Mut zur Investition in der Größenordnung im deutschen Handel die Nummer eins. „Der Break-Even ist erst nach etwa sechs Jahren erreicht“, weiß Heinemann „Zalando ist also gerade mal auf der halben Strecke und macht bisher einen guten Job.“
Ein bisschen wie bei Amazon
Beim Blick auf die Umsatzentwicklung dürften manchem gestandenen Händler die Augen übergehen: 150 Millionen im Jahr 2010, schon 510 Millionen im Jahr 2011 und Ende 2012 will Zalando die Milliardenmarke knacken. Nicht schlecht für eine Schuh-Bude, die 2008 als Traum vom großen Geschäft der beiden Uni-Absolventen Robert Gentz und David Schneider in Berlin ihren Anfang nahm. Ihr Büro diente als Warenlager, der Service lief über ihre Mobiltelefone.
In nur drei Jahren hat sich Zalando einen Marktanteil von acht Prozent im Schuhhandel erarbeitet. Im Ranking Deutschlands beliebtester Händler der Beratergesellschaft OC & C liegt der Onlinehändler bereits auf Platz 15 und nach einer Studie von Nielsen Media Research vom Sommer dieses Jahres ist Zalando die unangefochtene Nummer eins der Fashion-Anbieter im Internet.
Top 10 Fashionanbieter im Internet
Internetnutzer: 3,93 Mio.
Active Reach: 8,1%
Anteil Frauen/ Männer: 65%/ 35%
Werbeaufwendungen (Januar - August 2012): 70,1 Mio. €
'active reach' ist definiert als der prozentuale Anteil aller aktiven Internetnutzer im Erhebungszeitraum (August 2012)
Quelle: Grundlage dieser Studie sind die Daten zur Internetnutzung aus dem Nielsen NetView-Panel (Home & Work Panel, August 2012, Germany) und Nielsen Werbestatistik
Internetnutzer: 3,11 Mio
Active Reach: 6,4%
Anteil Frauen/ Männer: 64%/ 36%
Werbeaufwendungen (Januar - August 2012): 47,7 Mio. €
Internetnutzer: 2,91 Mio. (gesamt 20,0 Mio.)
Active Reach: 6,0%
Anteil Frauen/ Männer: 62%/ 38%
Werbeaufwendungen (Januar - August 2012): 65,7 Mio. €
Internetnutzer: 1,71 Mio. (gesamt: 20,0 Mio.)
Active Reach: 3,5%
Anteil Frauen/ Männer: 58%/ 42%
Werbeaufwendungen (Januar - August 2012): 13,6 Mio. €
Internetnutzer: 1,66 Mio.
Active Reach: 3,4%
Anteil Frauen/ Männer: 68%/ 32%
Werbeaufwendungen (Januar - August 2012): 36,9 Mio. €
Internetnutzer: 1,36 Mio.
Active Reach: 2,8%
Anteil Frauen/ Männer: 65%/ 35%
Werbeaufwendungen (Januar - August 2012): 47,5 Mio. €
Internetnutzer: 1,26 Mio. (gesamt: 2,9 Mio.)
Active Reach: 2,6%
Anteil Frauen/ Männer: 63%/ 37%
Werbeaufwendungen (Januar - August 2012): 23,8 Mio. €
Internetnutzer: 0,99 Mio.
Active Reach: 2,1%
Anteil Frauen/ Männer: 72%/ 28%
Werbeaufwendungen (Januar - August 2012): 24,2 Mio. €
Internetnutzer: 0,76 Mio.
Active Reach: 1,6%
Anteil Frauen/ Männer: 69%/ 31%
Werbeaufwendungen (Januar - August 2012): 6,1 Mio. €
Internetnutzer: 0,75 Mio.
Active Reach: 1,5%
Anteil Frauen/ Männer: 70%/ 30%
Werbeaufwendungen (Januar - August 2012): 0,6 Mio. €
So viel Erfolg ruft Neider auf den Plan. Die Debatte erinnert an die Anfänge von Amazon. Vor gut zehn Jahren traute kaum jemand den verrückten Amerikanern zu, jemals schwarze Zahlen zu schreiben. Heute ist Amazon der größte Onlinehändler der Welt „zerlegt den deutschen Buchhandel“, wie Heinemann es ausdrückt und ist auch von einem aggressiven Emporkömmling wie Zalando nicht mehr einzuholen.
Doch es spricht einiges dafür, dass der Schuh-Händler in Sieben-Meilen-Stiefeln der Gewinnzone entgegenläuft. Neben Deutschland ist das Portal bereits in Österreich, der Schweiz, Holland, Frankeich, England, Italien, Belgien, Polen, Spanien sowie Dänemark, Schweden, Norwegen und Finnland online. Die Phase der exzessiven Expansion ist damit erst einmal abgeschlossen, bestätigt das Unternehmen gegenüber der WirtschaftsWoche: „Aktuell gibt es keine Planung, neue Länder aufzutun. Wir sind nun in den wichtigsten europäischen Kernmärkten. Jetzt heißt es, sie zu beherrschen und dort überall eine dominante Rolle zu spielen.“
Ein gutes Zeichen
Dass Zalando nach dem rasanten Wachstum eine Pause macht, ist für Handelsexperte Heinemann ein gutes Zeichen. „Das Unternehmen muss seine Organisation und seine Strukturen der neuen Größe anpassen. Genau das scheint jetzt zu geschehen.“
Um die alten wie neuen Märkte zu beschicken, hat Zalando in diesem Jahr kräftig in die Infrastruktur investiert. In der Anfangsphase hagelte es Kritik von verärgerten Kundinnen, die ihre Päckchen gar nicht, zu spät oder an eine falsche Adresse geschickt bekamen. Das soll besser werden. In wenigen Tagen eröffnet das neue Logistikzentrum in Erfurt. In Mönchengladbach haben die Bauarbeiten für einen weiteren Logistikknoten begonnen.
Wann kommt der Börsengang?
Die millionenschweren Bauprojekte sind für Heinemann ein weiteres Indiz, dass es sich bei Zalando nicht, wie immer wieder spekuliert, um eine Luftnummer handelt. „Wäre Zalando nicht stabil, würde das Unternehmen eher auf Dienstleister setzen und nicht selbst zwei große Logistikzentren bauen.“
Bei der Finanzierung der Projekte haben zudem höchst konservative Geldgeber geholfen. So stellten die Commerzbank, die Sparkasse Mittelthüringen und die KfW Bankengruppe eine langfristige Fremdkapitalfinanzierung in Höhe von 40,7 Millionen Euro zu Verfügung. Auch dass der schwedische Investor Kinnevik seine Beteiligung erhöht hat, kann als Zeichen für ein funktionierendes Geschäftsmodell gelten, denn die Schweden „gelten als eher konservative Investoren“, so Heinemann.
Der Handelsexperte hält es durchaus für möglich, dass sich Zalando nach einer Phase der Konsolidierung in den jetzt erschlossenen Märkten der Vertikalisierung widmet. „Um sich von anderen Onlinehändlern abzuheben, müsste Zalando jetzt eigene Marken bilden.“ Amazon macht das bereits im Buchhandel vor, indem es Inhalte von Verlagen anliefern lässt und die Bücher selbst druckt. „Ein zweiter Hebel zur Rentabilisierung des Geschäfts wäre eine Ausbau hin zum offenen Marktplatz.“ Bei diesem Modell erhält Zalando eine Provision dafür, dass andere Händler über Zalando ihre Waren verkaufen. Ein solches Partnerprogramm gibt es bereits. Laut Zalando, solle es aber „keine so große Prominenz finden.“
Die zehn umsatzstärksten Online-Händler in Deutschland im Jahr 2010 (in Mio. Euro)
Online-Händler | Online-Umsatz in Mio. Euro |
Amazon | 1.800 |
Otto | 1.100 |
Telekom | 800 |
Conrad | 450 |
Neckermann | 448 |
Thomann | 350 |
Weltbild | 327 |
BonPrix | 292 |
Baur | 281 |
notebooksbilliger.de | 271 |
Quelle: WirtschaftsWoche
Die große Frage, die sich Beobachter seit Monaten stellen, lautet: Wann geht Zalando an die Börse? Wie zu erwarten gibt sich der Händler zugeknöpft: „Die Frage stellt sich noch gar nicht, weil wir es erst einmal schaffen müssen, dass das Unternehmen profitabel ist und erfolgreich wirtschaftet. Wenn wir diesen Weg weitergehen, ist ein Börsengang irgendwann ein möglicher, aber kein garantierter Schritt für Zalando.“
Worauf sich die Fans der Marke in ganz naher Zukunft freuen dürfen, ist der Schoko-Paket-Bote aus der aktuellen TV-Werbung. Er soll in diesen Tagen in Tengelmann -bzw. Kaisers-Märkten zu haben sein. „Unsere Facebook-Fans haben uns dazu animiert und unser Investor Tengelmann hat das kurzfristig möglich gemacht“, freut sich Zalando.
Die Freude dürfte jedoch nur von kurzer Dauer sein. Weil der Schokoladen-Mann nicht geplant war, ist die Stückzahl leider begrenzt.