Der Widerspruch schreit einem in Lynchburg, Tennessee, förmlich entgegen. Die 6000-Einwohner-Stadt im Süden der USA liegt in einem der vielen „dry counties“. Landkreise, in denen auch 80 Jahre nach dem Ende der Prohibition ein strenges Alkoholverbot gilt. Die holzvertäfelten Restaurants im schmucken Stadtkern dürfen zu ihren deftigen Menüs – Spare Ribs, Pulled Pork, frittiertes Hühnchen – zwar Bier ausschenken, aber nichts Hochprozentiges. Keinen Wodka, keinen Rum, keinen Whiskey.
Letzteres ist besonders bemerkenswert, hat doch ausgerechnet in diesem Provinznest, das nur eine einzige Ampel zählt, der größte Whiskey-Exporteur der Welt seinen Hauptsitz. Jack Daniel's produziert und lagert seit 1866 in Lynchburg und Umgebung seinen bekannten „Tennessee Whiskey“. In diesem Herbst feiert der Konzern seinen 150. Geburtstag.
Der Absatz von US-Bourbon steigt
Und Jack Daniel's hat allen Grund zum Feiern. Der US-Bourbon erlebt seit mehreren Jahren ein Revival; die Absatzzahlen steigen. In den USA sind die Umsätze von Bourbon und Tennessee Whiskey um 7,8 Prozent auf 2,9 Milliarden US-Dollar gestiegen. Und auch im Ausland erfreut sich der Alkohol aus den USA allergrößter Beliebtheit. Haben die US-Hersteller 2002 noch Whiskey im Wert von 376 Millionen US-Dollar verkauft, waren es 2013 schon mehr als eine Milliarde US-Dollar – und im vergangenen Jahr 1,56 Milliarden US-Dollar.
Deutschlands beliebteste Spirituosen
Kräuterliköre (zum Beispiel Jägermeister)
2013: 12,2 Prozent
2014: 11,7 Prozent
Quelle: VuMA / Statista
Diese Statistik zeigt das Ergebnis einer Umfrage in Deutschland zu den beliebtesten Spirituosen in den Jahren 2013 und 2014. Die Zahl gibt an, wieviel Prozent der deutschsprachigen Bevölkerung ab 14 Jahre mindestens einmal pro Monat eine bestimmte Spirituosenart tranken.
Cream-, Sahnelikör
2013: 9,9 Prozent
2014: 9,7 Prozent
Magenbitter (zum Beispiel Underberg, Fernet)
2013: 9,6 Prozent
2014: 9,9 Prozent
Wodka
2013: 9 Prozent
2014: 9 Prozent
Halbbitter (zum Beispiel Ramazotti, Averna)
2013: 8,8 Prozent
2014: 9,3 Prozent
Obstbrände
2013: 8,5 Prozent
2014: 8,4 Prozent
Eierlikör
2013: 7,7 Prozent
2014: 7,3 Prozent
Korn, Doppelkorn
2013: 7,4 Prozent
2014: 7,3 Prozent
Whiskey
2013: 7 Prozent
2014: 7 Prozent
Weinbrand
2013: 6,7 Prozent
2014: 6,8 Prozent
Insbesondere Platzhirsch Jack Daniel's profitiert von dieser Entwicklung. Doch der Erfolg ruft nun immer mehr Nachahmer auf den Plan. Kleine Destillerien wollen den Marktführer angreifen. In den USA. Und in Übersee, etwa in Großbritannien, Australien und auch Deutschland, die größten ausländischen Abnehmer. Die Whiskey-Branche steht vor einem Wandel, wie ihn die Bier-Konzerne seit knapp 15 Jahren erleben: Mikrobrauereien sprießen förmlich aus der Erde. Gab es vor zehn Jahren US-weit keine 300 Whiskey-Destillerien, sind es heute schon um die 700. Tendenz steigend. Können die Kleinen die Branchen so verändern, wie es das „craft beer“ geschafft hat?
Amir Peay ist davon überzeugt. Der großgewachsene, kahlköpfige Mann schnappt sich eine Flasche, zieht den Korken heraus und schenkt einen Fingerbreit der bräunlichen Flüssigkeit in ein Schnapsglas. Zwei Drehungen, ein kurzes Schnuppern, ein zufriedenes Nicken. Peay führt das Glas zum Mund, nimmt einen Schluck und lässt den Whiskey durch seinen Hals gleiten. Erwartungsgemäß schaut er den Journalisten an, der zum Testen aufgefordert ist. „Sehr sanft, weniger wuchtig als die bekannten Bourbon-Sorten“, sagt der Whiskey-Distiller, noch bevor sich der Gast ein Urteil erlaubt hat. Und ergänzt: „Die leichte Vanille-Note dennoch deutlich zu erkennen.“
Qualität und Geschmack sind gefragt
„1776“ heißt der Whiskey, mit dem Peay die USA und Deutschland erobern will. „Die Bedürfnisse der Bürger haben sich verändert“, ist er überzeugt. Ausgewählte, hoch qualitative Zutaten, Nachhaltigkeit, ein unverwechselbarer Geschmack und eine eigenen Identität seien heute gefragt. Keine Frage, dass Peay genau diese Eigenschaften dem „1776“ zuschreibt.
Zu Zeiten der US-amerikanischen Revolution gestartet, verkaufte die James E. Pepper Familie bis 1958 ihren ruhmreichen Whiskey. Die Prohibition und sich verändernde Trinkgewohnheiten zwangen den „1776“ schließlich in die Knie. Ab 2008 erweckten Peay und die Georgetown Trading Co. den Whiskey inklusive seiner traditionellen Produktionsstätte wieder zum Leben. Inzwischen ist der „1776“ in den Metropolen der USA – San Francisco, Chicago, New York – gefragt. Nun drängt Peay mit seinem Herzensprodukt auch in Deutschland auf den Markt.
Mikrodestillerien auf dem Vormarsch
„Für uns sind Märkte interessant, auf denen das Qualitätsbewusstsein hoch und die Kneipenszene gut ist“, so Amir Peay. Deutschland zähle „definitiv“ dazu. Während die Großen der Branchen – Jack Daniel's, Jim Beam oder Maker's Mark – zunehmend neue Märkte erobern wollen und ihr Augenmerk auf China oder Indien richten, glaubt „1776“ den Platzhirschen in Deutschland – wie in den USA – Marktanteile abjagen zu können. Autor und Whiskey-Kenner Fred Minnick räumt den noch Namenlosen gute Chancen ein.
„Die Zeiten haben sich dramatisch verändert“, sagt Minnick. Als vor fünf Jahren die ersten Mikrodestillerien mit der Whiskey-Produktion gestartet haben, wurden sie von den Großen der Branche nicht ernst genommen. „Heute lacht keiner mehr“, so der Whiskey-Experte. Die Mini-Produzenten hätten sich vielerorts einen starken Namen erarbeitet. Sie stünden für Qualität und Authentizität. Vor allem profitieren sie vom Trend zum Lokalen. Großstädter, die Eier von freilaufenden Hühnern kaufen und ihr Brot auf dem Bauernmarkt besorgen, verlangten längst auch in der Kneipe einen Drink mit lokalem Anstrich. Dieses Phänomen sei in allen Industriestaaten zu sehen.
Jack Daniel's reagiert mit neuen Sorten auf die Konkurrenz
„Start-ups, die erfolgreich sein wollen, sollten sich nicht an Jack Daniel's oder Maker's Mark orientieren“, rät Minnick, sondern ihre Eigenständigkeit. Sowohl beim Geschmack, als auch bei der Produktion und Vermarktung. „Sei du selbst!“, empfiehlt Minnick.
Bei Jack Daniel's gibt man offen zu, dass man die Konkurrenz beobachtet. Gleichwohl glaubt man an die eigenen Stärken. „Anders als die großen, anonymen Bierkonzerne, die vom craft beer überrascht wurden, haben wir eine Identität“, sagt Jeff Arnett, Master Distiller bei Jack Daniel‘s. Das Fanlager ist fraglos groß. Im vergangenen Jahr besichtigten 300.000 Besucher das Gelände der ruhmreichen Brauerei im abgelegenen Lynchburg.
Informationsquellen für Whisky-Liebhaber
Über 9.400 Tasting-Notes vom Single-Malt Guru Serge Valentin:
Prämierter Whisky-Blog:
Michael Jackson, Doling Kindersley: Whisky. Alle Marken und Destillerien der Welt
Michael Jackson: Malt Whisky. Das Standardwerk
Jim Murray's Whisky Bible 2012 (engl., ab Oktober 2011)
Marc A. Hoffmann: Whisky: Marken aus der ganzen Welt
Um alle Geschmäcker zu bedienen, hat Jack Daniel's neue Produkte auf den Markt gebracht – und auf die Konkurrenz der Kleinen reagiert. Jack Daniel's verkauft inzwischen Whiskey mit Honig- oder Chilinote – und das sehr erfolgreich, fast alle Marken haben inzwischen Whiskey, der nicht mit Mais, sondern mir Roggen hergestellt wird, im Programm.
Und dennoch haben sich im ganzen Land – von Seattle über Cleveland und Chicago bis nach New York City – Mikrodestillerien etabliert. Die Bandbreite der Leute, die plötzlich ins Whiskey-Geschäft einsteigen, ist groß. Vom ehemaligen Softwareentwickler und Kneipenbesitzer bis hin zum früheren Jack Daniel's -Mitarbeiter ist alles dabei.
,,So viel Alkohol steckt in ... "
Jede Flasche enthält 4,9 % Alkohol, nach vier Pils sind das 64 Milliliter.
Die richtige Wahl für Autofahrer: garantiert ohne Alkohol.
Ungefähr 2,5% Alkohol. Nach zwei Radlern haben Sie 25ml getrunken.
Keine Belastung des Promillekontos. Aber: Nüchtern macht er auch nicht.
Ein Cocktail enthält genauso viel Alkohol wie zwei Radler: 25ml
Ein guter Roter hat etwa 13%. Mal vier macht das 100 ml Alkohol.
Wie beim Pils 4,9%. Bei vier Bier sind das insgesamt 98 ml Alkohol.
Neulingen rät Minnick, die Herausforderungen der Branche nicht zu unterschätzen. Anders als beim Bierbrauen bräuchte man bei der Whiskeyherstellung teures Equipment und vor allem: viel Zeit. „Ein vier Jahre alter Whiskey muss nun einmal vier Jahre im Fass reifen“, sagt Minnick. Einige Destillerien versuchen über Future-Scheine die Anfangskosten zu decken. Ein zweiter Weg: sich nicht nur auf Whiskey zu beschränken, sondern auch Rum oder Brandy zu produzieren, der zeitnah in den Verkauf gehen kann.
Diese Alkoholika sind derweil nichts für die Menschen von Lynchburg. Hier trinkt man Bourbon – „dry county“ hin oder her.