BrandIndex

Wo die Seitenbacher-Werbung immer noch wirkt

Radio-Werbung von Seitenbacher finden manche nervig, für andere ist es Kult. Aber sie erregt immer noch Aufmerksamkeit – nur das Kaufinteresse kurbelt sie nicht so recht an. Außer dort, wo man sie komplett versteht.

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Radio-Werbung von Seitenbacher Quelle: dpa

Eins ist klar: Man kann nicht über Seitenbacher reden, ohne über Seitenbacher-Werbung zu reden. Vor allem aus dem Radio sind die simplen und sich im Werbespot wiederholenden Aussagen wie „Seitenbacher-Bergsteigermüsli, Bergsteigermüsli von Seitenbacher“ oder „Lecker, lecker, lecker, lecker...“ bekannt.

Der Legende nach produziert Unternehmenschef Willi Pfannenschwarz die Spots selbst in seinem Keller, bevor sie „on air“ gehen. Seitenbacher ist eine der neuesten Marken im BrandIndex, dem täglichen Markenmonitor von YouGov. Unsere ersten Zahlen über die Marke zeigen, welchen Effekt ihre Werbung erzielt.

16 Prozent der Deutschen sagen, dass sie kürzlich Seitenbacher-Werbung gehört oder gesehen haben. Damit schafft es Seitenbacher locker in die Top 10 von mehr als 60 Lebensmittelmarken, zu denen wir täglich Verbraucher um ihre Einschätzung bitten. Die Werbeaufmerksamkeit von Seitenbacher ist auf einem Niveau mit Marken wie Landliebe oder Frosta.

Werbung mit Gesprächswert

Auch wenn sich der Stil der Werbung seit Jahren und Jahrzehnten kaum geändert hat, wirkt sie offenbar immer noch. Jedenfalls zeigt der BrandIndex, dass Verbraucher, die kürzlich Seitenbacher-Werbung wahrgenommen haben, viel öfter über die Marke reden als Verbraucher, die die Marke zwar kennen, sich aber nicht bewusst an Werbung von ihr erinnern: Jeder fünfte Erinnerer an Seitenbacher-Werbung redet mit Freunden oder Bekannten über die Müsli-Marke. Ein klares Indiz dafür, dass die Spots immer noch polarisieren und Verbraucher sie mit mehr als nur einem Augenrollen kommentieren.

Die erfolgreichsten Werbekampagnen des Jahres
Platz 10Der Spot „Rodeo“ von der Designagentur Loves, einer Tochter der Agentur Thjnk, für die Automarke Audi Sport. Szenen eines Rodeo-Auftritts werden mit rasanten Autobildern gegengeschnitten. Das Männerherz schlägt höher. Dafür gab es von der ADC-Jury zwei Mal Gold, ein Mal Silber und ein Mal Bronze. Quelle: Screenshot
Platz 9„German Mut 2016“ von der Agentur Heimat für die FDP. Die Freien Demokraten wollen ein Zeichen setzen gegen die typisch deutsche Verzagtheit, die im Angelsächsischen mit dem Begriff „German Angst“ belegt ist. Quelle: Screenshot
Platz 8Die Kampagne „Most open test drive“ von der Agentur BBDO Berlin für die Daimler-Tochter Smart. Dahinter verbirgt sich ein Spiel, bei dem zwei Personen in einem Smart sitzen, der Fahrer ist mit einem Lügendetektor verbunden, und das Autoerdeck bleibt so lange offen, wie die Fragen des Beifahrers wahrheitsgemäß beantwortet werden. Ein Beispiel: Die Tochter fragt, magst Du meinen Freund, und ihre Mutter antwortet zögerlich, nein. Das Verdeck blieb geöffnet. Quelle: Screenshot
Platz 7 Die Kampagne „Sea Hero Quest“ ist ein Onlinespiel, das dazu dient, der Demenzforschung zu helfen. Entwickelt hat es die Agentur Saatchi & Saatchi für die Deutsche Telekom. Spielen gegen das Vergessen: Schon zwei Wochen nach dem Launch hatten eine Million Menschen das mobile Spiel heruntergeladen, so berichtet es die Telekom. Quelle: Screenshot
Platz 6Die „Lachenden Pferde“ sind ein Viralfilm,, den die Agentur Grabarz & Partner für Volkswagen kreiert hat. Drei Pferde stehen auf einem Paddock und sehen wiehernd dabei zu, wie ein Fahrer sich vergeblich bemüht, rückwärts mit einem Pferdeanhänger einzuparken. Erst als ein anderer Mann mit einem Volkswagen Tiguan und eingebauter Anhänger-Einparkhilfe vorfährt, werden die Pferde wieder ernst. Quelle: Screenshot
Platz 5Die Kampagne „Iconic Moments“, die die Agentur BBDO Düsseldorf für Pepsi Light erstellt hat, zeigt drei Motive – einen Parcour-Läufer, einen Skateboarder und einen Breakdancer, die ihrem Sport nachgehen. Da sie dabei rote, weiße und blaue Kleidung tragen, ergibt sich im Bild das ikonische Muster von Pepsi. Höchst künstlerisch. Quelle: Screenshot
Platz 3Die „Eröffnungskampagne“ der Elbphilharmonie in Hamburg wurde von mehreren Agenturen konzipiert: Jung von Matt, Achtung und Madhat. Eigentlich hat Jung von Matt 2017 eine ihrer Award-Pausen eingelegt – für das teure Prestigeobjekt haben die Werber allerdings eine Ausnahme gemacht. Quelle: Screenshot

Hilft das nun, Müsli zu verkaufen oder hat es eher einen gegenteiligen Effekt? Von allen Verbrauchern, die die Marke kennen, haben rund ein Viertel Seitenbacher im Relevant Set, können sich also gut vorstellen, Produkte der Marke zu kaufen. Werbung erhöht diese Quote, allerdings nur um vier Prozentpunkte. Andere Müslimarken wie Vitalis von Dr.Oetker oder MyMuesli steigern hingegen durch ihre Werbung den Anteil an Kaufinteressenten um rund 20 Prozentpunkte. Der Effekt ist so groß, dass jeder Zweite, der sich an Werbung dieser Marken erinnert, sie auch im Relevant Set hat.

Ausnahme Baden-Württemberg

Doch es gibt eine interessante Ausnahme. Zum Charme – wenn man so will – der Seitenbacher-Spots gehört eben auch der starke Akzent. „Woischd Karle, du sollschd emol e Seitenbacher Müsli esse. Na hädschd auch net immer die Probleme mit deiner Verdauung.“

So hat die FAZ sie einmal transkribiert. Der Firmensitz ist Buchen in Baden-Württemberg, zwischen Mannheim und Würzburg. Und dort, wo man alles kann, außer Hochdeutsch, ist Seitenbacher überdurchschnittlich beliebt. Und zwar vor allem bei denjenigen, die sich an die Werbung der Marke erinnern können.

Unser Indexwert, mit dem wir Einschätzungen zu Qualität, Preis-Leistungs-Verhältnis, Kundenzufriedenheit und anderen Kriterien auf einer Skala von -100 bis +100 ausweisen, liegt deutschlandweit für Seitenbacher bei +16 Punkten. Unter Verbrauchern aus Baden-Württemberg, die sich an Werbung dieser Marke erinnern, liegt ihr Indexwert bei +29 Punkten.

Von Ernst Litfaß bis Bibis Beauty Palace
Werbung ist ein alter Hut. Aber sie kann immer neue Formen annehmen. In Deutschland lagen die Werbeausgaben 2015 nach Marktanalysen der Firma Nielsen bei über 29 Milliarden Euro (Brutto). Wichtige Werbeformen im Überblick. Quelle: obs
Mit dem Aufkommen von Tageszeitungen im 17. Jahrhundert konnte erstmals Werbung im großen Stil verbreitet werden. Die Annoncen dort waren anfangs nicht vom journalistischen Teil zu unterscheiden. Bald etablierten sich spezielle Werbezeitungen, in denen Händler gegen Bezahlung ihre Waren eintrugen. Quelle: DPA
Die Zeitungswerbung gehört noch heute zu den klassischen Formen. Während Verlage früher Höchstpreise für Werbeplätze in ihren Tageszeitungen, Magazinen und Broschüren verlangen konnten, änderte sich dies mit dem Internet und Suchmaschinen wie Google. Die Werbeumsätze der Printmedien sind insgesamt rückläufig, noch bleiben Tageszeitungen weiter der zweitstärkste Werbeträger in Deutschland. Quelle: DPA
Mit der „Annonciersäule“, nach dem Berliner Verleger Ernst Litfaß auch Litfaßsäule genannt, begann Mitte des 19. Jahrhunderts das Zeitalter der Plakatwerbung. Entscheidend war, „dass die Litfaßsäule das wilde Plakatieren im öffentlichen Raum beendete“, sagt Medienwissenschaftler Steffen Damm von der FU Berlin. Die „Anschlagsäule für die Außenwerbung“ stiftete nicht nur Ordnung, sondern war als Massenmedium auch kostenlose Informationsquelle. Quelle: DPA
Schon von Beginn an wurden schlaglichtartige Überschriften und einprägsame Slogans formuliert. Mit der „runden Sache“ kam ein Wirtschaftszweig auf, heute Out-of-Home-Medien - Außer-Haus-Medien - genannt, der auch 2015 einen Werbeumsatz im Milliardenbereich erwirtschaftete. Derzeit gibt es rund 330 670 klassische Plakate auf Säulen, Großflächen und Citylight-Postern. Quelle: DPA
Auch im Smartphone-Zeitalter ist die Säule nicht aus der Mode. Rund 36 000 „Allgemeinstellen“ zählt der Fachverband Außenwerbung. Der Dinosaurier mit den geklebten Plakaten ist dank günstiger Preise immer noch beliebt. Große Firmen setzen auf schicke Versionen mit Verglasung, Licht und digitalen Werbefenstern. Quelle: DPA
Werbefilme sind so alt wie der Film. Einer der Pioniere war Julius Pinschewer, der 1912 in Berlin seine erste Firma für Filmreklame gründete. Anfang der 20er Jahre sollen jede Woche rund vier Millionen Zuschauer seine Werbefilme in über 800 Kinos gesehen haben. Quelle: DPA

Entscheidend ist, dass Verbraucher in Baden-Württemberg die Marke nicht nur positiver einschätzen, sondern ihr auch beim Einkauf eher zugeneigt sind. Wenn sie sich an Werbung von Seitenbacher erinnern, haben sie Seitenbacher dann auch fast genauso häufig im Relevant Set wie Verbraucher in anderen Bundesländern Vitalis oder MyMuesli.

Einen Effekt hat die unverwechselbare Werbung von Seitenbacher sicher überall: Sie macht die Marke bekannt. Und würden wir sie nicht alle doch vermissen, wenn sie morgen eingestellt würde? Immerhin haben die Spots inzwischen einen solchen Kultstatus erreicht, dass Willi Pfannenschwarz schon von Comedians imitiert wird.

Wir sagen daher nur: Weiter, weiter, weiter...

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