Brauen mit Blaubeeren "Vor 500 Jahren konnte man gar kein gutes Bier brauen"

Mikkel Borg Bjergsø gilt als einer der kreativsten Kleinbrauer der Welt. Ob seine Biere der Marke Mikkeller dem Reinheitsgebot entsprechen, ist ihm egal. Wie er dennoch den deutschen Markt erobern will.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Mikkel Bjergsø hält nichts davon, die Vielfalt der Bierwelt durch ein Reinheitsgebot einzuschränken Quelle: PR

Herr Bjergsø, Deutschland feiert in diesem Jahr 500 Jahre Reinheitsgebot, Ihre dänische Craftbrauerei Mikkeller den zehnten Geburtstag. Prallen hier zwei Bierwelten aufeinander?

Bjergsø: Ich finde es schade, dass eure Produkte in einer Art eingeschränkt werden, die es den Brauern nicht leicht macht, international zu konkurrieren. In Dänemark würden wir sicher das Gegenteil machen: Die Einschränkungen lockern, wenn wir eine Möglichkeit sehen, mehr zu exportieren. Die Brauwelt ist doch heute eine andere als vor 500 Jahren. Zu der Zeit konnte man kein hochwertiges Bier brauen.

Im Reinheitsgebot von 1516 steht, dass für Bier nur Hopfen, Wasser und Gerstenmalz eingebraut werden dürfen. Hefe fehlte in der Verordnung, weil ihre Wirkung nicht bekannt war. Sie brauen nun exakt solche Biere, die mit wilder Hefe aus der Luft spontan vergären. Doch nicht so schlecht, das Reinheitsgebot?

Wir setzen unseren Spontan-Bieren aber Früchte zu, wie Ananas oder Blaubeeren. Ich sage ja nicht, dass ihr in Deutschland schlechtes Bier braut. Im Gegenteil: Deutsches Bier gehört zu den besten der Welt, weil es so klar in seiner Struktur ist. Aber ihr limitiert euch in einer Weise, die nicht zeitgemäß ist. Bier nach dem Reinheitsgebot bildet eben nur einen kleinen Teil davon ab, was man herstellen kann.

Zur Person

Ein Fruchtbier darf in Deutschland nicht als Bier verkauft werden.
Für mich gibt es keinen Grund, sich bei den Zutaten einzuschränken. Es gibt so viele neue Ideen und Geschmackseinflüsse in der Bierwelt.

Welches Bier trinken Sie am liebsten?
Das ändert sich immer mal wieder. Aktuell würde ich sagen Lambic, also ein spontanvergorenes Bier.

Und deutsche Biere?
Altbier aus Düsseldorf ist eines meiner Lieblingsbiere. Daran würde ich auch niemals etwas verändern wollen und Früchte hinzufügen. Es ist ein wundervoll klares Produkt.

Zapfhähne in einer Mikkeller-Bar. Kunden können aus bis zu 20 Sorten wählen. Quelle: PR

Bekommen Sie das überhaupt in Dänemark?
Ich trinke es gerne direkt in der Brauerei. Ich bin schon mal zehn Stunden mit dem Auto aus Kopenhagen nach Düsseldorf gefahren, dort direkt ins Brauhaus gegangen, um mir ein frisches Alt nach dem anderen zu bestellen. Besser kann man ein Bier nicht trinken. Ich mag die Historie dieser Brauhäuser.

Sie haben 2015 viele Ihrer Fans in Deutschland verschreckt, als Sie ankündigten, über die Radeberger-Tochter Braufactum die Mikkeller-Biere in Deutschland zu vertreiben.
Ich habe mit vielen Vertriebspartnern in Deutschland gesprochen, aber bin zu dem Schluss gekommen, dass Radeberger der richtige Partner war.

Warum?
Wir wollen alle Vorschriften auf dem deutschen Markt erfüllen, mit unseren Flaschen etwa regulär dem Pfandsystem folgen. Kleine Importeure hätten das für uns nicht übernehmen können, weil es zu teuer ist. Wenn wir uns nicht an die Vorschriften halten, könnte das langfristig unser Geschäft in Deutschland gefährden.

"Bier nicht in die falschen Hände geben"

Nun bieten Sie in Deutschland mit vier Bieren über den Braufactum-Kühlschrank im Supermarkt aber nur eine sehr eingeschränkte Auswahl Ihrer Biere an.
Der deutsche Biermarkt ist sehr konservativ und unterliegt dem Einfluss des Reinheitsgebots. Hier etwas mit unseren Bieren zu verändern, wird sehr schwierig. Deshalb haben wir uns entschieden einen langfristigen Ansatz zu verfolgen.

Das heißt?
Ich würde liebend gerne hunderte verschiedene Bier nach Deutschland exportieren, genau wie Radeberger mehr von unserem Bier verkaufen wollen würde. Aber was hilft es uns, wenn nur ein paar Bierliebhaber unsere Flaschen kaufen. Mit den vier Sorten im Supermarkt sollen sich alle deutschen Biertrinker langfristig daran gewöhnen, wie Bier schmecken kann. Und dann können wir bald hoffentlich auch weitere unserer Sorten auf den Markt bringen.





Haben Sie keine Angst, dass die Bierliebhaber dann längst andere Marken kaufen? Das Angebot an Craftbeer wird auch in Deutschland immer größer.
Das ist ein Risiko, natürlich. Aber wir planen gerade eine Mikkeller-Bar in Berlin. Dort wird es mehr Sorten geben als im Supermarkt. Das sollte uns helfen, die Marke in Deutschland bekannter zu machen. Es geht einfach darum, ein Verständnis für Craftbeer zu etablieren.

In anderen Ländern gelingt Ihnen das schneller. In Asien haben Sie bereits Bars in mehreren Metropolen eröffnet. Was ist dort anders?
Deutschland ist wie eine alte Maschine, die lange vorwärmen muss, bevor man sie starten kann. In Asien können wir dagegen fast über Nacht etwas verändern. Wir sind dort von der Bekanntheit auf einem guten Weg die größte Craftbrauerei zu werden.

Mikkeller-Biere gehören zum Premiumsegment, ihre Flaschen kosten in Deutschland drei bis vier Euro. Verkaufen sich Premiumprodukte in Asien besser?
Natürlich sehen wir, dass Kunden in China oder auch in Russland einfach unsere Biere kaufen, weil sie die teuersten auf dem Markt sind. Wir exportieren zwar nach Russland. Auf der anderen Seite möchte ich aber, dass die Leute mein Bier wertschätzen. Und das passiert nicht, wenn jemand etwas kauft, nur weil es das teuerste auf dem Markt ist.

Verbreitet weltweit den Craftbier-Spirit

Die Grafik zeigt die Standorte der Mikkeller-Brauerei

Daten: Unternehmen

In Ihrer Bar in Kopenhagen bieten Sie eine 6-Liter Flasche Blaubeerbier für gut 340 Euro an. Was bestimmt den Preis für so ein Produkt?
Die Kosten für unsere Rohstoffe, also Hopfen, in diesem Fall die Blaubeeren und so weiter. Dann meine investierte Zeit und die Kosten für die Produktion in der Brauerei. Aber ein wichtiger Faktor ist die Verfügbarkeit unserer Biere.

Sie haben hunderte verschiedene Sorten gebraut. Einige nur in einzelnen Fässern. Je rarer, desto teurer?
Natürlich, viele Leute würden das so klar nicht sagen. Aber wenn ich nur kleine Mengen einer Sorte braue, kostet die eben mehr. Wenn ich das nicht so machen würde, könnte es sein, dass das Bier in den falschen Händen landet.

Wie meinen Sie das?
Dass ein Bierliebhaber alle Flaschen einer Sorte aufkauft. Oder, wie gerade schon angesprochen, Leute mein Bier nur kaufen, weil es teuer ist und wie ein Statusprodukt als Luxus gilt. Und nicht, weil Sie den Geschmack schätzen. Mit höheren Preisen kann ich dafür sorgen, dass die Leute mein Produkt wirklich wertschätzen.

Mikkeller ist bekannt dafür, mit anderen Brauereien zu kooperieren und Biere in limitierter Auflage zu verkaufen. Etwa mit den US-Brauern von Three Floyds. Unterstützen Sie damit nicht ihre Konkurrenz? Es wäre ja undenkbar, dass Carlsberg etwa gemeinsam mit AbInbev braut.
Die anderen Craftbrauer sind doch nicht meine Konkurrenten. Wir spielen für das gleiche Team: Das Team, das gutes Bier brauen will. Aber natürlich: Unsere Kunden müssen im Laden eine Entscheidung treffen, ob sie eine Flasche Mikkeller oder eine Flasche Three Floyds kaufen. Ich glaube aber, dass sie wieder kommen, wenn ihnen das Bier schmeckt, und ihre Freunde mitbringen. Schon haben wir zwei potenzielle Kunden für unsere Biere.

Mit mehr als 4000 kleinen Brauereien in den USA fürchten einige dort das Platzen einer Craftbeer-Blase. Glauben Sie nicht, dass die Konkurrenz langsam auch in Europa größer wird?
Vielleicht würden US-Craftbrauer die Situation schon anders einschätzen, ja. Aber hier in Europa ist das Potenzial für Wachstum noch so groß, dass wir weiterhin alle Freiheiten für Kooperationen haben.

"Wenn ich verkaufe, muss ich die Kontrolle behalten können"

Wo ziehen Sie die Grenzen? Was halten Sie etwa von Carlsberg, der größten Brauerei in Dänemark?
Sie sind das Gegenteil von Mikkeller, ganz klar. Aber ich stehe in regelmäßigem Austausch mit ihnen. Ihre Biere Carlsberg und Tuborg halte ich zwar nicht für besonders interessant. Aber sie haben einen Platz auf dem Markt.

AbInbev hat Anfang des Jahres die Craftbrauer von Camden Town Brewery in London übernommen. Würden Sie ihre Brauerei an einen größeren Konkurrenten verkaufen?
Mein Ansatz für Mikkeller ist nicht, damit das große Geld zu verdienen. Ich möchte in der Bierwelt etwas verändern. Mein Ziel ist, gutes Bier zu brauen und mehr Leute zu animieren, ihre Trinkgewohnheiten in Bezug auf Bier in Frage zu stellen. Sollte ich einmal verkaufen, müsste ich die Kontrolle über das Unternehmen behalten, sonst ist es nicht mehr Mikkeller.

Ihre Konkurrenten von Brewdog in Schottland haben mit Anleihen und der Ausgabe von Unternehmensanteilen ihre Expansion finanziert. Ist so etwas für Mikkeller denkbar?
Ich schätze sehr, was Brewdog macht und kenne die Gründer gut. Aber man sieht, dass sie nun gezwungen sind, jedes Jahr neue Bars zu eröffnen, ein bestimmtes Wachstum und Umsatzziele zu erreichen. So denken wir bei Mikkeller nicht. Gegen Investoren im Unternehmen hätte ich nichts einzuwenden.

Wachstum ist nicht Ihr Fokus, sagen Sie. Und doch konnte Mikkeller von 2013 auf 2014 den Umsatz um 50 Prozent auf 2,5 Millionen Euro steigern.
Wir sind von der Start-up-Phase jetzt zu einem professionelleren Unternehmen gewachsen. Mein Ziel ist weiterhin, langsam organisch zu wachsen und interessante Märkte zu erschließen. Wir haben eine Bar in Reykjavík eröffnet. Das ist so ein kleiner Markt, dass es für unser Geschäft eigentlich keine clevere Investition ist, genauso wenig, wie unsere Bar in Bangkok. Aber es macht einen Riesenspaß. Und ich glaube, dass wir dort den Biermarkt verändern können. Diese Veränderung hilft uns dann hoffentlich langfristig auch mit dem Wachstum.

Bislang haben Sie sich zum Brauen als sogenannter Gypsy-Brauer immer bei anderen Brauereien eingemietet und so die Kosten für eine eigene Brauerei gespart. Jetzt eröffnet in San Diego die erste Mikkeller-Brauerei. Ein Sinneswandel?
In den USA können wir mit der eigenen Brauerei unsere Kapazität nahezu verdoppeln und den teuren Transport unserer Biere von Europa in die USA sparen. Aber in Europa werde ich weiterhin ohne eigene Sudkessel in Belgien und Norwegen brauen. Aber es könnte schon sein, dass wir auch hier irgendwann unsere eigene Brauerei eröffnen.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%