Dies ist an den Kölnern nicht spurlos vorbeigegangen. Doch „der Kölsch-Markt nimmt weniger ab als der Gesamtmarkt“, sagt Heinrich Philipp Becker, der gemeinsam mit seinem Vater Heinrich die Privatbrauerei Gaffel führt. Ob das stimmt, wissen nur Eingeweihte, da der Kölner Brauerei Verband keine Zahlen über den Kölsch-Absatz herausgeben will. Schätzungen von Branchenkennern zufolge soll der Kölsch-Markt von 2010 auf 2011 sogar um über sechs Prozent gestiegen sein.
Ohne Sorgen in die Zukunft
Der Konferenzraum, in dem Becker sitzt, verströmt holzschwere Bodenständigkeit, in einer Ecke ist eine Bar. Die Gaffel-Zentrale ist in einem Backsteinhaus untergebracht, direkt hinter der Brauerei am Eigelstein 41 zu Köln. Seit 700 Jahren wird hier Bier gebraut, seit 1908 unter dem Namen Gaffel, 2011 waren es 440 000 Hektoliter.
Zukunftssorgen, sagt Becker und schaut auf das Glas Fassbrause in seiner Hand, habe er derzeit keine. Gaffel habe ihren Absatz 2011 um vier Prozent gesteigert und rund 52 Millionen Euro umgesetzt. Dazu beigetragen hat ein Absatzplus von zehn Prozent bei der Fassbrause, einer Mischung aus Limonade und alkoholfreiem Bier. Gaffels Neuauflage des Berliner Klassikers ist so erfolgreich, dass Brauereien wie Bitburger und Warsteiner jetzt mit einer eigenen Fassbrause nachziehen.
Reissdorf: Marktführer bei Kölsch
Ähnlich entspannt gibt sich die Privatbrauerei Reissdorf: 635 000 Hektoliter Bier haben 2011 die Brauerei Richtung Kunde verlassen, knapp ein Prozent mehr als 2010. Damit ist Reissdorf Marktführer bei Kölsch, obwohl sie im Vergleich zu anderen Brauereien kaum Werbung machen. Der geschäftsführende Gesellschafter Michael von Rieff ist sich der Marktstärke seines eher milden Kölsch so sicher, dass er „keinen Grund für neue Marketingstrategien und Produkte“ sieht. Es sei jedoch hilfreich, räumt er ein, „dass Verbraucher mehr und mehr ein regionales Markenbewusstsein entwickeln“. Neuere Zahlen mag von Rieff nicht nennen, aber die letzte veröffentlichte Bilanz der 1894 gegründeten Brauerei wies für 2010 ein Gewinnplus von zwölf Prozent auf gut drei Millionen Euro aus.
Kölsch-Konvention: Kölsch muss aus Köln kommen
Auch die dritte im Bunde, die Cölner Hofbräu P. Josef Früh von 1904, ist mit dem Geschäft zufrieden. Geschätzt sechs Meter hoch und hundert Meter lang, stapeln sich ihre roten Bierkästen auf dem Brauereigelände am Kölner Stadtrand. Mit 380 000 Hektolitern Kölsch haben sie 2011 zwei Prozent mehr Bier abgesetzt als 2010. Zu ihrem Erfolg trägt ein Schutzgesetz bei, dass Kölsch eine extra Portion Lokalkolorit verleiht: Die von den Brauern vereinbarte Kölsch-Konvention legt seit 1986 mit Segen des Kartellamts im Prinzip fest, dass Bier nur Kölsch heißen darf, wenn es aus Köln kommt. Seit 1997 genießt Kölsch zudem eine geschützte EU-Herkunftsbezeichnung wie Champagner oder Cognac.