Château Lidl Discounter mischen den Weinhandel auf

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Die Probleme des Fachhandels

All dies trifft auf einen Fachhandel, der bereits angeschlagen ist. Weinverkauf ist in Deutschland mittlerweile die Domäne der Supermärkte, großen Kaufhäuser und Discounter. 74 Prozent aller Flaschen gehen in diesem Segment über das Kassenband, gerade einmal sieben Prozent verkauft der Fachhandel.

Das könnte nun noch weniger werden. „Bis heute war es nicht lustig mit Weinhandel, jetzt ist er tot“, klagt ein Berliner Händler, dessen Spezialität hochwertige Weine aus dem Bordeaux, der Champagne und den deutschen Spitzenweingütern sind.

Der Klimawandel verändert den Weinanbau
Bei vier Grad Erwärmung lägen die Bedingungen der Champagne in England.
An der Südküste Australiens würde die Weinqualität leiden.
Auch in den USA würden sich die idealen Anbaugebiete verlagern.
Und in Neuseeland würde es für Weinanbau im Norden zu heiß.

Der Fachhandel leidet darunter, dass für Weine unterhalb von zehn Euro kaum ein Kunde Beratung im Ladengeschäft sucht. Und selbst Händler in der Preislage oberhalb von 20 Euro pro Flasche können nicht sicher sein, dass der Kunde, der sich einen Sancerre zum Steinbutt empfehlen lässt, den auch im Geschäft einpackt.

Das Phänomen ist auch in anderen Branchen bekannt: „Die Kunden suchen heute zum Teil noch im Geschäft auf dem Smartphone nach dem empfohlenen Wein, und wenn er im Versand billiger ist, bestellen sie ihn dort“, schimpft der Berliner Händler, der weiß, dass nur die Spezialisierung auf seltene Weine sein Überleben sichert.

Deutschlands größter Weinhändler heißt Aldi

In der Beletage der Weinexperten gibt es gegenüber den Discountern – anders als bei manchen Winzern – offenbar weniger Berührungsängste. So hat Lidl die Kompetenz für den Verkauf hochwertiger Weine eingekauft und dafür Richard Bampfield verpflichtet.

Der Brite hat 2012 in Großbritannien erstmals für die dortigen Lidl-Filialen Top-Weine ausgesucht und bewertet. Bampfield ist einer von nur knapp 300 Masters of Wine, die vom gleichnamigen Institut ausgebildet und geprüft werden. Zu ihnen zählen einige der einflussreichsten Weinkritiker wie Michael Broadbent oder Jancis Robinson.

Aus Deutschland gehört Caro Maurer zu dem exklusiven Club. Für die Weinautorin und Dozentin ist Bampfields Lidl-Engagement kein Sündenfall: „Er bewertet die Weine nach den üblichen Kriterien.“ Sie freue sich, dass mit Lidl ein Discounter auch bessere Qualitäten anbiete und der Kunde so dazu angeregt werde, auch mal mehr Geld für einen Wein auszugeben.

Bei Deutschlands größtem Weinhändler Aldi ist der ehemalige Sommelierweltmeister Markus Del Monego an Bord – auch er ein Master of Wine. Del Monego ist Gründer der Essener Agentur Caveco, die für Aldi die Weine aussucht. Früher stand Del Monego mit seinem eigenen Gesicht für die Aldi-Weinauswahl, nach vielen Anfeindungen von Kollegen wirkt er inzwischen nur noch abseits der Öffentlichkeit.

Aldi – bekannt dafür, bewusst spät auf Branchentrends aufzuspringen – hat noch keinen Online-Shop, setzt aber auch auf bessere Weinqualitäten. So arbeitet der Discounter mit dem badischen Winzer Fritz Keller zusammen, der seit 2008 für Aldi Süd die Edition Fritz Keller produziert – zu Preisen deutlich über dem Aldi-Durchschnitt. Die Trauben stammen von mehr als 450 badischen Winzern, die nach Vorgaben Kellers die Rebstöcke beschneiden und Mengen reduzieren müssen.

Hinter Lidls Vorstoß stecken indes weitere Motive als nur der Angriff auf Weinhändler und Handelskonkurrenten. Lidls Strategie mit dem Angebot von 1000 Weinen im Online-Shop ist es auch, die eigenen Kunden an den gerade durchstartenden Kauf von Lebensmitteln im Internet zu gewöhnen. Alle fürchten sich auch vor dem Versandhändler Amazon, der in den USA mit fresh.amazon Erfolg hat.

Tjorven Jorzik ist Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Frag’ Henry, das einen digitalen Sommelier für Supermärkte entwickelt hat. Via Touchscreen können sich dabei Kunden im Geschäft einen Wein empfehlen lassen. Jorzik meint: „Die Weinfachhändler leiden zwar unter dem Vorstoß der Discounter, sind aber eher Kollateralopfer.“

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