Citystore Hamburg-Altona Warum Ikea in die Fußgängerzone zieht

Wer zu Ikea will, muss meist mit dem Auto an den Stadtrand fahren. Doch immer weniger junge Menschen besitzen einen eigenen Wagen. Deshalb rückt das Möbelhaus nun in die Fußgängerzone.

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Die Baustelle des neuen

Es ist die 48. Filiale von Ikea in Deutschland – und doch ist sie etwas ganz Besonderes. Denn die gelben Buchstaben auf blauem Grund prangen künftig mitten in der Innenstadt von Hamburg. In Altona eröffnet Ikea am Montag die erste Filiale in einer Fußgängerzone.

Der Ikea Citystore, von dem sich viele Hamburger eine Belebung und Aufwertung der Einkaufsmeile erhoffen, soll das normale Ikea-Sortiment bieten. Der Schwerpunkt liegt aber auf Mitnahmeartikeln und kleineren Möbelstücken.

Dazu wurde auch das übliche Konzept aufgebrochen, nach dem Kunden zunächst mit der Rolltreppe in die Möbelausstellung hinauffahren und anschließend den Bereich mit Kissen und Pflanzen finden. Im Citystore gibt es schon im Erdgeschoss allerlei Nippes wie Teelichter. In der Ausstellung finden die Kunden bei den Einbauküchen auch Töpfe und Pfannen oder die Bettwäsche eben bei den Betten.

Was Sie noch nicht über Ikea wussten

Eine weitere Besonderheit des Altonaer Citystores: Es wurde besonderes Augenmerk auf die lokalen Bedürfnisse gelegt. Typische Merkmale der mitunter beengten Altonaer Wohnsituationen mit Dachschrägen und der speziellen Hamburger Schiebetür, die Wohn- und Essbereich trennt, wurden in die Wohn-Ausstellung des Ladens integriert. Einrichtungsideen für kleinere Wohnungen stehen im Vordergrund.

Anstelle der gewohnten riesigen Lagerhallen auf der grünen Wiese soll Ikea also nun in der Fußgängerzone mit großen, dekorierten Schaufenstern die Passanten anlocken - ein echter Bruch mit den bisherigen Prinzipien. Denn üblicherweise finden sich die Filialen des schwedischen Möbelriesen am Stadtrand, nahe der Autobahn.

Doch das ist ein Problem, wenn man junge Menschen erreichen will. Denn das Auto verliert für diese Zielgruppe an Stellenwert. Laut einer Studie des Instituts für Mobilitätsforschung ist der Pkw-Besitz bei 20- bis 29-Jährigen von 83 Prozent im Jahr 1997auf 72 Prozent im Jahr 2007 zurückgegangen.

Ist der Citystore das Ikea der Zukunft?

Da kamen die Bedingungen in Altona gerade recht: ein leerstehendes Karstadt-Warenhaus mit starker ÖPNV-Anbindung in Deutschlands ältester Fußgängerzone, der Großen Bergstraße. Auch die Zielgruppe schien Ikea perfekt: In Altona gibt es neben Familien mit Kindern auch viele Singles, die in dem Viertel auf engem Raum leben.

Ohne Risiko ist das Projekt dennoch nicht. Zwar ist der zehn Meter hohe Laden mit seinen 18.000 Quadratmetern Verkaufsfläche rund 20 Prozent kleiner als das übliche Ikea-Einrichtungshaus. Mit 80 Millionen Euro hat er aber mehr als das Doppelte gekostet.

Neben dem normalen Sortiment, soll es in der neuen Ikea-Filiale vermehrt Mitnahmeartikel und kleinere Möbelstücke geben. Quelle: PR

In der Ruhrgebietsstadt Essen versuchte sich Ikea bereits mit einer Stadt-Filiale, diese liegt aber nicht direkt in der Fußgängerzone. Auch hat die Filiale nichts mit dem Konzept des Altonaer Citystores zu tun - es ist einfach nur ein kleiner Ikea. Mit 15.000 Quadratmetern ist den Kunden das Angebot zu beschränkt. Sie fuhren lieber in konkurrierende Filialen mit größerer Auswahl.

Deshalb ist seit langem unzufrieden mit der Essener Miniversion und überlegt, umzuziehen. Die Filiale soll in den nördlichen Krupp-Gürtel und dort zeitgemäß in entsprechender Größe neu aufgebaut werden. Das Unternehmen verhandelt derzeit mit ThyssenKrupp. Wo früher die Werkshallen standen, gibt es noch immer große brachliegende Flächen.

Ikea - Daten und Fakten

Dass Ikea nun seine Strategie grundsätzlich ändert und deutschlandweit die Innenstädte erobert, ist erstmal nicht zu erwarten. Pläne für weitere Citystores gibt es derzeit nicht. Bei dem Citystore handele es sich um einen Versuch, heißt es beim Unternehmen. Und den kann Ikea sich durchaus leisten: Im vergangenen Geschäftsjahr kletterte der Umsatz um drei Prozent auf rund 28 Milliarden Euro. Allein in Deutschland setzte Ikea vier Milliarden Euro um. Bis zum Jahr 2020 will der Konzern die Marke von 50 Milliarden Euro knacken.

Viele Probleme in Hamburg

Hinzu kommt: Der Fußgängerzonen-Ikea stößt unter den Hamburgern nicht nur auf Gegenliebe. Das ehemalige Einkaufszentrum wurde zwischenzeitlich von Künstlern genutzt, bis Ikea es ins Visier nahm. Nach lautstarken Protesten kam es zu einem Bürgerentscheid, bei dem sich dann aber 70 Prozent der Hamburger für Ikeas Neubau aussprachen. Im Januar dieses Jahres hat das Verwaltungsgericht Hamburg die Öffnungszeiten des innerstädtischen Möbelhauses eingeschränkt. Aus Rücksicht auf die Anwohner soll Ikea schon um 19.30 Uhr seine Pforten schließen. Ikea hat dagegen Beschwerde eingelegt, denn eigentlich ist eine Öffnung bis 20.00 Uhr geplant. Wann das Gericht darüber entscheidet, ist noch nicht abzusehen.

Für den Eröffnungstag werden Proteste erwartet. Beim Kurznachrichtendienst Twitter kursiert ein Flugblatt, das eine Protestkundgebung gegen Ikea am Nachmittag der Eröffnung ankündigt.

Das Mobilitätskonzept von Ikea geht davon aus, dass höchstens die Hälfte der Kunden mit dem Auto kommen wird. Anwohner fürchten, dass das Konzept nicht aufgeht und der Innenstadt ein Verkehrschaos droht. Laut einem Bericht des „NDR“ kommen in dem Gebiet statistisch gesehen derzeit rund 200 Autos auf einen Parkplatz. Ikea kündigte an, in allen Marketingmaßnahmen auf die Nutzung von Bus, Bahn, Car-Sharing oder Fahrradkurierservices hinzuweisen. Mit Lastentaxen oder ausleihbaren Fahrradanhängern sollen die Kunden ihre Waren nach Hause bringen.

Irritiert reagierten die Anwohner auf einen Vorstoß der Stadt, die nun eine kostenpflichtige Parkzone im Wohngebiet rund um den Ikea-Store errichtet hat. Eine Stunde kostet einen Euro – Anwohner können für 30 Euro im Jahr einen Parkausweis beantragen. Die Hamburger befürchten zudem durch den hohen Parkplatzdruck eine Ausweitung der Zone auf weitere Viertel.

Neben der Sorge um die Verkehrssituation geht es den Initiatoren der Protestaktion um Schutz vor steigenden Mieten und Lärmbelastung. Laut dem Pressesprecher der Hamburger Polizei, Andreas Schöpflin, werden zu dieser angemeldeten Versammlung rund 50 Teilnehmer erwartet.

Ikea sieht die Kritik gelassen. Die Proteste seien im Laufe der Zeit weniger geworden. Man müsse eben respektieren, dass nicht alle den neuen Ikea-Store als Gewinn sehen.

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