Die Kunden sind also dort eigentlich in einer Rolle, die Komplexität der heutigen Gesellschaft in Concept Stores komprimiert zu erleben?
Menschen, die dort hinein gehen – ob mit Absicht oder eher zufällig, wenn man da so reinstolpert – tendenziell ja. Wir sind alle so konditioniert, dass wir mit solchen ästhetischen Wahrnehmungsmustern mehr oder weniger kompetent etwas anfangen können. Wenn Sie in Berlin das erste Mal ins Bikinihaus gehen, dann wissen Sie nicht so genau, was Sie erwartet. Aber Sie finden dort unvermittelt eine spezifische Atmosphäre vor, der man sich nur schwer entziehen kann. Dies ist mehr als völlige Unklarheit, aber auch nicht so geartet, das alles gleich transparent wirkt, wie es in einem Elektrofachmarkt der Fall ist.
Klingt doch aber eher anstrengend?
Diese Übersichtlichkeit ist aber auch gar nicht nötig. Vielmehr wirkt es entlastend, nicht gleich klar zu wissen, was passiert. Es ist eher eine Art Zerstreuung, Entspannung und Ablenkung, die gewünscht wird. Sie hat einen hohen Freizeitcharakter.
Shoppen als Erholung, nicht als Erledigung?
Mit Niklas Luhmann könnte man in diesem Zusammenhang von Kontingenz sprechen. Wir hier leben in einer Welt, in der sich auf Grund der Säkularisierung die Verantwortung für nahezu sämtliche Ereignisse in der Welt nicht mehr einer externen Instanz zurechnen läßt. Für die stark Gläubigen wohl schon, für die meisten anderen von uns aber wohl eher nicht. Damit fällt die Verantwortung für alle diese Ereignisse auf uns zurück. Wir Menschen richten die Welt zu, wir richten sie zugrunde. Alle Zurechnungs- und Verantwortungsschleifen, die wir drehen, beginnen und enden inzwischen bei uns. Alles, was ist, könnte auch anders sein, weil wir es so entschieden haben und damit auch anders entscheiden könnten. Das bedeutet die Erfahrung von Kontingenz, und ist zunächst ziemlich anstrengend und belastend.
Ziemlich viel Verantwortung.
Egal, was wir tun: Im Prinzip kann man sich nur sehr mühsam von dieser Verantwortung für sich selbst frei sprechen. Das ist immer problematisch, da man im Einzelfall nachweisen muss, weshalb man keinerlei Verantwortung hatte für dies oder jenes, und das ist längst nicht mehr so einfach. Inzwischen gilt dies sogar für den Konsum. Der Druck, fortlaufend verantwortlich zu sein für das, was unser Konsum mit der Welt macht, ist fast zu hoch geworden. Uns Konsumenten wird inzwishen ja fast schon die Verantwortung für das Überleben der Welt als solcher aufgehalst, etwa für die Abholzung der Urwälder, die Verschmutzung der Meere und so weiter. Der Diskurs der vergangenen 10 bis 15 Jahre ist dahingegangen: Wir Konsumenten haben es letztlich in der Hand. Das ist aber viel zu viel Verantwortung für den Einzelnen. Das ist kaum zu realisieren. Vor diesem Hintergrund ist die Chance für den je Einzelnen, dieser Verantwortung mal zu entgehen, umso verlockender. Und vor diesem Hintergrund ist die Zeit, die man in solchen Geschäften verbringt, enorm entlastend, weil einem dort vordergründig keinerlei Verantwortung zugerechnet wird, da gar nicht klar ist, worum es im Detail geht. Es ist Freizeit, es ist Konsum, ohne sich permanent fragen zu müssen, wofür ich schon wieder Verantwortung übernehmen muss.