Doch die Expansion kostet. Ziemlich viel sogar. Zu den Anfangsinvestitionen für die Renovierung des Ladenlokals, Ausstattung und Bereitstellen der Technik kommen Mietzahlungen und vor allem die Personalkosten hinzu. Beratung, Kundenbetreuung, Verkauf – was im Netz der Algorithmus erledigt, muss in der realen Welt eine Fachkraft übernehmen.
Warum die Deutschen Online-Shopper sind
„Aus heutiger Sicht wäre das der Weg zurück in die Steinzeit“, lautete eine Antwort auf diese Frage. E-Commerce hat sich fest in den Alltag der meisten Menschen integriert. Die Deutschen sind insgesamt besonders positiv eingestellt. 61 Prozent der Deutschen Online-Shopper möchten auf diese bequeme Art des Einkaufs nicht mehr verzichten.
„Zu den Zeiten einkaufen, die in mein Leben passen“ nennen in Deutschland vier von fünf Konsumenten als wichtigsten Vorteil. Eine echte Zeitersparnis haben 57 Prozent festgestellt. Mehr Zeit zu haben, empfinden dabei die meisten Deutschen als eine Entlastung im Alltag: 63 Prozent geben an, „viel weniger Stress beim Einkaufen als früher in der Stadt“ zu haben. 55 Prozent geben an, sich entspannter zu fühlen.
„Genau das Produkt, das ich suche“ finden in der Regel zwei Drittel der Online-Shopper. Und zwar sehr schnell und zum günstigsten Preis. Mehr als die Hälfte (54 Prozent) gibt an, im Internet oft besonders individuelle Produkte zu finden, 62 Prozent schätzen es, dass sie Produkte finden, „die man im Geschäft beziehungsweise via Katalog nicht bekommen würde“.
Die Mehrheit der Käufer erlebt sich im Internet als „empowered consumer“. Zwei Drittel der Online-Shopper halten sich für besser informiert über Angebote und Preise als früher, nutzen gerne Bewertungen anderer Kunden und meinen, dass Konsumenten heute durch Kommentarfunktion und Empfehlungen beim Online- Kauf viel mehr Einflussmöglichkeiten haben.
Quelle: Studie im Auftrag der Deutschen Post: Einkaufen 4.0 - der Einfluss von E-Commerce auf Lebensqualität und Einkaufsverhalten
Cyberport zahlt dafür einen hohen Preis: Trotz des starken Umsatzwachstums ist der Gewinn aus gewöhnlichen Geschäftstätigkeiten 2012 deutlich geschrumpft: Von 2,35 Millionen in 2011 auf gut 206.000 Euro. "Die Ergebnisentwicklung war infolge von massivem Preisdruck aus dem Markt und von Investitionen in die neuen Stores deutlich rückläufig", heißt es im Lagebericht. Nichts davon dürfte sich seitdem verbessert haben oder sich auf absehbare Zeit ändern.
Warum also nehmen immer mehr Onlinehändler diese Kosten und das Risiko des Scheiterns auf sich und versuchen im stationären Handel Fuß zu fassen? "Wir betrachten die Stores als Teil des Vertriebs-Mixes", sagt Jeremy Glück, Geschäftsführer von Cyberport auf die Frage nach den Kosten und Zukunftsaussichten der Expansion. Aber was heißt das genau?
Online unter Druck
Mit den stationären Geschäften wollen die Onlinehändler Umsatz generieren, sicher. Doch das allein ist nicht der Grund. Für viele Internetshops ist das Ende der fetten Jahre absehbar – falls sie je begonnen haben. Insgesamt wird der Onlineshopping-Boom schwächer, das Wachstum langsamer, die Konkurrenz größer. Zwischen den Händlern im Netz tobt ein brutaler Verdrängungskampf, der vor allem über den Preis und die Bekanntheitsgrad ausgetragen wird.
"90 Prozent aller reinen Online-Shops werden nicht überleben", sagt Branchen-Kenner Nikolaus Mohr, Professor an der Universität Regensburg. "Ein Großteil der heute existierenden Online-Shops hat auf Dauer keine Chance, wenn sie sich nicht von ihren bisherigen 08/15-Ansätzen trennen." Ein Hauptproblem der Internetshops: Wer nur im Netz ist, kann schnell ausgetauscht werden. Die Konkurrenz ist einen Klick entfernt.
Das Geschäft als Kundenfänger
Diese Erkenntnis hatten nicht nur die Händler. Etwa 2,5 Kilometer vom künftigen Amazon Store entfernt öffnet bald der nächste Internetgigant die Türen für seine Anhänger. Die Google-Tochter YouTube richtet in Manhattan ein Studio ein. Damit die Youtuber auch hochwertigere Videos produzieren können, stellt ihnen das Unternehmen dort Räume und Ausrüstung zur Verfügung – auf Profi-Niveau. Zusätzlich wird es Workshops und Kurse geben zum Thema Videodreh und -schnitt geben.
Das YouTube-Studio in Manhattan ist nicht das erste seiner Art. Seit zwei Jahren hinterlässt der Online-Riese auch offline Fußspuren. London, Tokio, Los Angeles: in den Szene-Städten der Welt hat YouTube bereits Studios eingerichtet.
Wer rein will in das Offline-Paradies des Video-Riesen, braucht allerdings Online-Reputation: Mindestens 5.000 Abonnenten braucht ein Videokünstler, um Zugang zu erhalten. YouTube will durch die Studios höherwertige Inhalte für das Portal produzieren lassen. Höhere Qualität soll noch mehr Zuschauer und vor allem potente Werbekunden anziehen.
Doch es geht um mehr. Indem YouTube seine Videolieferanten zu sich einlädt, bindet das Unternehmen sie. Durch seine Präsenz vor Ort wird YouTube wird zu mehr als einer Abspielplattform, es wird zum Geschäftspartner, zum Ausstatter – zum Mentor. Und einem solchen kehrt man weniger schnell den Rücken zu.
Eine ganz ähnliche Funktion übernehmen die stationären Geschäfte für die Onlinehändler. "Die Präsenz von Ansprechpartnern vor Ort kann die Kundenbindung stärken", sagt Stefan Hertel. Persönliche Beratung und Kundenkontakt auf Augenhöhe – mit ihren Geschäften vor Ort können die Online-Händler im Optimalfall einen Kundenservice bieten, der im Netz kaum möglich ist. Der Anbieter wird wieder zur Persönlichkeit und bleibt nicht eine austauschbare Suchmaske, so die Hoffnung.
Das Geschäft als Servicepoint
Der Service vieler Stores umfasst dabei nicht nur die Beratung. Klicken, kaufen, einsammeln lautet der Dreiklang des modernen Onlineshoppings, den viele Händler mittlerweile bieten. Kunden können die Waren im Netz bestellen und im Geschäft abholen.
Pakete landen nicht beim Nachbarn, sondern in einem Laden mit festen Öffnungszeiten und der Möglichkeit zur Beratung und direkten Rücknahme.
Die Onlinebestellung an einen Laden eröffnet neue Möglichkeiten. "Bei einer geschickten Sortimentssteuerung kann der Onlinehändler aus seinem Laden die 'Schnelldreher', also Produkte mit hoher temporärer oder durchgängiger Nachfrage, im Ladenumfeld sehr schnell liefern", sagt Groß-Albenhausen. Selbst taggleiche Lieferungen wären so einfacher möglich.
Auch Retouren, Rückfragen und Beschwerden können vor Ort angenommen und bearbeitet werden. Das spart dem Kunden Frust und wertet das Image des Händlers auf.
Das Geschäft als Showroom
Die Stores punkten mitunter nicht nur durch die Serviceangebote, sondern allein schon durch ihre Existenz – und den Waren, die sie im Angebot haben. Wer ein Kleid kauft, möchte es wahrscheinlich anfassen, sehen wie der Stoff fällt. Wer ein Sofa sucht, will wissen, wie es im Wohnzimmerlicht wirkt. Und wer sich einen neuen Fernseher gönnt, möchte wissen ob die Farben kräftig sind. Virtuell ist das kaum möglich.