Das Ende von Online-Only Warum die reale Welt für Online-Händler sexy ist

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Die Kosten der Offline-Offensive

Doch die Expansion kostet. Ziemlich viel sogar. Zu den Anfangsinvestitionen für die Renovierung des Ladenlokals, Ausstattung und Bereitstellen der Technik kommen Mietzahlungen und vor allem die Personalkosten hinzu. Beratung, Kundenbetreuung, Verkauf – was im Netz der Algorithmus erledigt, muss in der realen Welt eine Fachkraft übernehmen.

Warum die Deutschen Online-Shopper sind

Cyberport zahlt dafür einen hohen Preis: Trotz des starken Umsatzwachstums ist der Gewinn aus gewöhnlichen Geschäftstätigkeiten 2012 deutlich geschrumpft: Von 2,35 Millionen in 2011 auf gut 206.000 Euro. "Die Ergebnisentwicklung war infolge von massivem Preisdruck aus dem Markt und von Investitionen in die neuen Stores deutlich rückläufig", heißt es im Lagebericht. Nichts davon dürfte sich seitdem verbessert haben oder sich auf absehbare Zeit ändern.

Warum also nehmen immer mehr Onlinehändler diese Kosten und das Risiko des Scheiterns auf sich und versuchen im stationären Handel Fuß zu fassen? "Wir betrachten die Stores als Teil des Vertriebs-Mixes", sagt Jeremy Glück, Geschäftsführer von Cyberport auf die Frage nach den Kosten und Zukunftsaussichten der Expansion. Aber was heißt das genau?

Online unter Druck

Mit den stationären Geschäften wollen die Onlinehändler Umsatz generieren, sicher. Doch das allein ist nicht der Grund. Für viele Internetshops ist das Ende der fetten Jahre absehbar – falls sie je begonnen haben. Insgesamt wird der Onlineshopping-Boom schwächer, das Wachstum langsamer, die Konkurrenz größer. Zwischen den Händlern im Netz tobt ein brutaler Verdrängungskampf, der vor allem über den Preis und die Bekanntheitsgrad ausgetragen wird.

"90 Prozent aller reinen Online-Shops werden nicht überleben", sagt Branchen-Kenner Nikolaus Mohr, Professor an der Universität Regensburg. "Ein Großteil der heute existierenden Online-Shops hat auf Dauer keine Chance, wenn sie sich nicht von ihren bisherigen 08/15-Ansätzen trennen." Ein Hauptproblem der Internetshops: Wer nur im Netz ist, kann schnell ausgetauscht werden. Die Konkurrenz ist einen Klick entfernt.

Das Geschäft als Kundenfänger

Diese Erkenntnis hatten nicht nur die Händler. Etwa 2,5 Kilometer vom künftigen Amazon Store entfernt öffnet bald der nächste Internetgigant die Türen für seine Anhänger. Die Google-Tochter YouTube richtet in Manhattan ein Studio ein. Damit die Youtuber auch hochwertigere Videos produzieren können, stellt ihnen das Unternehmen dort Räume und Ausrüstung zur Verfügung – auf Profi-Niveau. Zusätzlich wird es Workshops und Kurse geben zum Thema Videodreh und -schnitt geben.

Das YouTube-Studio in Manhattan ist nicht das erste seiner Art. Seit zwei Jahren hinterlässt der Online-Riese auch offline Fußspuren. London, Tokio, Los Angeles: in den Szene-Städten der Welt hat YouTube bereits Studios eingerichtet.
Wer rein will in das Offline-Paradies des Video-Riesen, braucht allerdings Online-Reputation: Mindestens 5.000 Abonnenten braucht ein Videokünstler, um Zugang zu erhalten. YouTube will durch die Studios höherwertige Inhalte für das Portal produzieren lassen. Höhere Qualität soll noch mehr Zuschauer und vor allem potente Werbekunden anziehen.

Die wertvollsten europäischen Einzelhändler
Bereits zum vierten Mal veröffentlicht Interbrand die Studie Best Retail Brands, die sich dem Einzelhandelssektor widmet. Der Report listet die wertvollsten europäischen Retail-Marken auf. Es folgen die zehn ersten Plätze des Rankings.Platz 10: Sephora Das französische Unternehmen Sephora schafft es mit einem Marktwert von 2,1 Milliarden US-Dollar auf den zehnten Platz im Ranking. Der 1970 gegründete Kosmetikkonzern verkauft über 100 verschiedene Marken. Seit 1998 erobert er auch den amerikanischen Markt. Quelle: imago images
Platz 9: AldiDer einzige deutsche Einzelhändler in den Top Ten ist Aldi. Die Einzelhandelskette konnte ihren Markenwert nach den hohen Markenwertverlusten der letzten Jahre wieder leicht steigern und rangiert mit 2,9 Milliarden US-Dollar auf Platz neun. Quelle: dpa
Platz 8: BootsMit einem Marktwert von 3,3 Milliarden US-Dollar schafft es Boots auf den achten Platz. Der Konzern ist einer der bedeutendsten Pharmagroßhändler Europas. In Großbritannien ist er der größte Konzern, der Pharmazieprodukte verkauft. Quelle: dapd
Platz 7: AuchanAuchan belegt den siebten Platz mit einem Marktwert von 3,6 Milliarden US-Dollar. Die Warenhauskette aus Frankreich ist noch in 13 weiteren Ländern vertreten. Auchan ist in Frankreich mit seinem Drive-Through-Format sehr erfolgreich. Und um noch näher am Kunden sein zu können, haben in den letzten Jahren Anbieter wie Rewe oder die Hypermarktanbieter Carrefour, Auchan und Casino zudem kleinere Stores meist in zentraler Lage eröffnet – meist in zentraler Lage. Der Trend geht zu „Markenshops“, die das Unternehmen selbst zelebrieren. Auch gemischte Konzepte wie etwa ein Laden inklusive eines Cafés entstehen vermehrt. Quelle: rtr
Platz 6: Marks & SpencerDie Supermarktkette Marks & Spencer rangiert auf dem sechsten Platz mit einem Marktwert von 5,6 Milliarden US-Dollar. In ganz Großbritannien betreibt das Einzelhandelsunternehmen mehr als 375 Einkaufsläden. Quelle: dapd
Platz 5: TescoRund neun Milliarden US-Dollar ist Tesco wert. Die britische Supermarktkette ist mittlerweile weltweit vertreten und beschäftigt insgesamt mehr als 530.000 Mitarbeiter. Außerhalb des Landes sind Tesco-Märkte unter anderem in Polen, Irland, Tschechien, USA und der Türkei zu finden. Quelle: dpa
Platz 4: CarrefourDer Marktwert von Carrefour beträgt 10,2 Milliarden Euro, was dem Einzelhändler den vierten Platz im Ranking beschert. Das französische Unternehmen ist Europas größtes Einzelhandelsunternehmen und nach Wal-Mart das zweitgrößte der Welt. In zahlreichen Ländern betreibt der Konzern insgesamt knapp 15.000 Filialen. Quelle: REUTERS

Doch es geht um mehr. Indem YouTube seine Videolieferanten zu sich einlädt, bindet das Unternehmen sie. Durch seine Präsenz vor Ort wird YouTube wird zu mehr als einer Abspielplattform, es wird zum Geschäftspartner, zum Ausstatter – zum Mentor. Und einem solchen kehrt man weniger schnell den Rücken zu.

Eine ganz ähnliche Funktion übernehmen die stationären Geschäfte für die Onlinehändler. "Die Präsenz von Ansprechpartnern vor Ort kann die Kundenbindung stärken", sagt Stefan Hertel. Persönliche Beratung und Kundenkontakt auf Augenhöhe – mit ihren Geschäften vor Ort können die Online-Händler im Optimalfall einen Kundenservice bieten, der im Netz kaum möglich ist. Der Anbieter wird wieder zur Persönlichkeit und bleibt nicht eine austauschbare Suchmaske, so die Hoffnung.

Das Geschäft als Servicepoint

Der Service vieler Stores umfasst dabei nicht nur die Beratung. Klicken, kaufen, einsammeln lautet der Dreiklang des modernen Onlineshoppings, den viele Händler mittlerweile bieten. Kunden können die Waren im Netz bestellen und im Geschäft abholen.
Pakete landen nicht beim Nachbarn, sondern in einem Laden mit festen Öffnungszeiten und der Möglichkeit zur Beratung und direkten Rücknahme.

Die Onlinebestellung an einen Laden eröffnet neue Möglichkeiten. "Bei einer geschickten Sortimentssteuerung kann der Onlinehändler aus seinem Laden die 'Schnelldreher', also Produkte mit hoher temporärer oder durchgängiger Nachfrage, im Ladenumfeld sehr schnell liefern", sagt Groß-Albenhausen. Selbst taggleiche Lieferungen wären so einfacher möglich.

Auch Retouren, Rückfragen und Beschwerden können vor Ort angenommen und bearbeitet werden. Das spart dem Kunden Frust und wertet das Image des Händlers auf.

Das Geschäft als Showroom

Die Stores punkten mitunter nicht nur durch die Serviceangebote, sondern allein schon durch ihre Existenz – und den Waren, die sie im Angebot haben. Wer ein Kleid kauft, möchte es wahrscheinlich anfassen, sehen wie der Stoff fällt. Wer ein Sofa sucht, will wissen, wie es im Wohnzimmerlicht wirkt. Und wer sich einen neuen Fernseher gönnt, möchte wissen ob die Farben kräftig sind. Virtuell ist das kaum möglich.

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