Der Alibaba-Gründer im Porträt Die fünf Gesichter des Jack Ma

Jack Ma ist Gründer des chinesischen E-Commerce-Giganten Alibaba - und eine der schillerndsten Unternehmerpersönlichkeiten weltweit.

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Jack Ma Quelle: Reuters/Steven Chi

Mal mit Weißhaarperücke, mal als Krokodil, mal Antreiber, mal Möchte-gern-General: Wer ist dieser Jack Ma, jene 49-jährige, drahtige Gestalt, die voraussichtlich am 19. September mit ihrem Unternehmen, dem chinesischen E-Commerce-Konzern Alibaba, den größten Börsengang aller Zeiten aufs Parkett legen will? Ein Psychogramm der fünf Charaktere.

1. Der Exzentriker

Ma besitzt die Fähigkeit, sich Menschen auf unkonventionelle Art sympathisch zu machen. China Ende der Achtzigerjahre, das rückständige „Königreich der blauen Ameisen“ hat sich gerade der Welt geöffnet, da verfällt der junge Ma auf eine ausgefallene Idee. Er spricht in der ostchinesischen Stadt Hangzhou ausländische Touristen an, um ihnen den nahe gelegenen berühmten Westsee zu zeigen. Geld will er dafür keines, nur sein Englisch verbessern und in Kontakt mit Westlern kommen. Die schätzen seine offene, ein bisschen durchgeknallte Art.

Börsenneuling Alibaba im Check

Die behält Ma auch bei, nachdem er im dritten Versuch die Abschlussprüfung in Englisch am Hangzhou Teacher’s Institute bestanden und sich zunächst als Englisch-Lehrer für 20 Dollar im Monat verdingt hatte. Als er 2009 das zehnjährige Bestehen von Alibaba feiert, tritt er mit einer Weißhaarperücke, Sonnenbrille und rot geschminkten Lippen als Marilyn-Monroe-Double auf die Bühne. Er singt „Can You Feel the Love Tonight“ aus dem Film „König der Löwen“. Das Publikum tobt.

Sein exzentrisches Showtalent führt Ma auf seine Eltern zurück. Die arbeiteten als Künstler für klassische chinesische Musicals, den „Pingtan“. Bei Alibaba nutzt er sein Faible, um Mitarbeiter zu motivieren. So forderte er 2003 Manager während einer Sitzung auf, einen Kopfstand zu machen, um „eine andere Perspektive zu bekommen“. Einer wandte ein, er habe noch nie einen Kopfstand gemacht. Als er es schaffte, klopfte Ma ihm auf die Schulter und sagte: „Du bist zu Sachen fähig, von denen du gar nichts weißt.“

50 Jahre Jack Ma

Der Amerikaner Porter Erisman stieß 2000 zu Alibaba und war dort bis 2008 stellvertretender Konzernchef. Im vergangenen Jahr drehte er einen Film über Ma mit dem Titel „Das Krokodil im Yangtse“. „Alibabas Management hatte nie eine Starbesetzung“, sagt Erisman. „Aber durch seine herausragende Fähigkeit, Menschen zu motivieren, gelang es Jack Ma, ein Team zusammenzuschweißen, das gewaltige Hindernisse überwinden konnte.“

2. Der Visionär

„Jack ist nicht primär von der Aussicht auf Geld getrieben“, sagt Biograf Erisman über Ma. „Er hatte von Anfang an eine Vision, die er schließlich wahr werden ließ.“

Das kam so: 1995 bringt der Job Ma als Übersetzer in die USA. Dort sieht er zum ersten Mal einen Computer mit Internet-Zugang. Er tippt das Wort „Beer“ in die Suchleiste und erhält Tausende Treffer. Dann tippt er „Beer“ und „China“ ein und erhält null Treffer. In diesem Moment nimmt sich Ma vor, das Internet in seiner Heimat groß zu machen. Er kehrt nach China zurück und gründet mit 2000 geliehenen US-Dollar China Pages, eine Art Online-Katalog für chinesische Unternehmen. Zur Premiere lädt Ma Freunde zu sich nach Hause ein. Während es dreieinhalb Stunden dauert, bis die Seite geladen ist, trinkt die Runde Bier und spielt Karten.

Chinas Internet-Riese Alibaba will beim Börsengang mehr Geld einsammeln als je ein Unternehmen zuvor. Damit will der Konzern Amazon und Ebay überholen. Aber Geld allein wird dazu nicht reichen.
von Andreas Toller, Stephan Happel

China Pages scheitert, doch Ma gibt nicht auf und leiht sich 1999 abermals Geld von Freunden, insgesamt 60.000 US-Dollar. Damit gründet er Alibaba. China hat zu dieser Zeit gerade einmal drei Millionen Internet-User, trotzdem hat Ma nur ein Ziel: „Alibaba soll sich mit den größten Internet-Unternehmen der Welt messen.“

Heute ist China Weltmeister mit rund 650 Millionen Internet-Nutzern. Ma hat mit seiner Online-Plattform Taobao, einer Mischung aus Ebay und Amazon, den Alltag seiner Landsleute revolutioniert. Seit Taobao kann jeder in China ein eigenes Geschäft eröffnen, und auch Konsumenten in der abgelegenen Provinz kommen an Produkte, die sie wollen.

Keine Gnade, kein Einsehen, keine Geduld

3. Der Exzentriker

Kaum etwas sagt über Mas Persönlichkeit so viel aus wie sein Eingeständnis: „Ich habe mir immer gewünscht, in Zeiten des Krieges geboren zu sein. Was hätte ich als General erreichen können!“

Denn Angriff und Aggressivität gehören zu dem Charakter des Chinesen wie der Klick zum Internet. Als Ebay 2003 im Reich der Mitte einen Marktanteil von 85 Prozent besaß, erklärte Ma dem US-Giganten einfach den Guerillakrieg. Dazu wies er seine Manager an, den Revolutionär Mao Tse-tung zu studieren und in Militäruniformen zu joggen. „Heute ist dunkel, morgen ist noch dunkler, doch übermorgen scheint die Sonne“, ließ er sie wissen. „Die meisten sterben am Abend des zweiten Tages!“

Der Aufstieg von Alibaba

Mit chinesischem Wimmeldesign und einer Chat-Möglichkeit, um mit Kunden und Verkäufern zu reden, macht Ma seinen Online-Marktplatz zur digitalen Vernichtungswaffe für Ebay. 2005 hat er bereits 60 Prozent Marktanteil. In dieser Zeit spricht er auch die heute berühmten Worte: „Ebay ist ein Hai im Ozean, wir sind ein Krokodil im Yangtse. Wenn wir im Ozean kämpfen, verlieren wir, im Fluss aber sind wir die Gewinner!“ Im darauffolgenden Jahr räumt Ebay die Niederlage ein und zieht sich 2007 fast vollständig aus China zurück.

4. Der Unerbittliche

Ma kennt keine Gnade, kein Einsehen, keine Geduld. Als er das Flaggschiff des Unternehmens, das Online-Portal Taobao, entwickelte, verordnete er seinen Mitarbeitern strikte Isolation und Hingabe. Seine Ali-Ren, wie die Alibaba-Mitarbeiter heißen, dürfen ein halbes Jahr keine Presse lesen, Zum Arbeiten pfercht Ma sie in seiner eigenen Wohnung ein. Unerbittlich kämpft Ma, bis er seinen anfangs übermächtigen Konkurrenten Ebay vom Markt gedrängt hat.

Zurzeit heißt Mas Hauptgegner Tencent. Der größte Internet-Konzern Asiens ist 135 Milliarden Dollar schwer und macht Alibaba an mehreren Fronten zu schaffen: Der beliebte Messaging-Dienst WeChat (vergleichbar mit dem westlichen WhatsApp) wird von 300 Millionen Chinesen genutzt. Dagegen hat Ma seine Eigenkreation Laiwang in Stellung gebracht. Er hat seine Mitarbeiter aufgefordert, auf Laiwang umzusteigen. Würden sie das Produkt nicht ausreichend bewerben, drohte er, werde er ihnen den Jahresbonus streichen.

Mas Rigorosität erstreckt sich bis ins Privatleben. Ende der Neunzigerjahre installierte er seine Frau Zhang Ying, mit der er seit den Achtzigern verheiratet ist, als General Manager von Alibaba. Den 1992 geborenen Sohn sah das Paar darauf hin nur am Wochenende. Als der Zehnjährige später süchtig nach Online-Games wurde, wies Ma seine Frau an, sich nur noch um die Familie zu kümmern. Sie tut, was er sagt.

Auch politisch kennt Ma kein Pardon. Ende der Neunziger arbeitete er selbst zwei Jahre lang für die Regierung. Als ein Journalist eingesperrt wurde, weil der Alibaba-Investor Yahoo Informationen an die Öffentlichkeit weitergegeben hatte, fragte ihn eine Reporterin, wie er sich verhalten hätte: „Genau so!“, platzte es aus Ma heraus. „Wer Geschäfte machen will, muss sich an die Gesetzes des Landes halten!“

5. Der Menschenfreund

Seiner Sozialisation hat Ma es zu verdanken, dass er jetzt danach lechzt, seinen Landsleuten Gutes zu tun. Der Endvierziger gehört zur ersten Generation großer chinesischer Unternehmer wie Yang Yuanqing von Lenovo oder Pony Ma von Tencent, die ihre Kindheit in bitterer Armut verbrachten.

Als Ma im Mai 2013 seinen Rücktritt vom Chefposten bei Alibaba bekannt gab, um an die Aufsichtsratsspitze zu rücken, erklärte er, seinem Land etwas zurückgeben zu wollen. Seitdem macht er auf Menschenfreund. So hat Ma mit über drei Milliarden US-Dollar, zwei Prozent des Firmenvermögens, dieses Jahr einen Fonds für wohltätige Projekte gegründet, der kulturelle, soziale und umweltfreundliche Projekte fördert.

Zudem ist Ma Vorsitzender des chinesischen Arms der Organisation The Nature Conservancy, die sich um die verschmutzten Böden und Gewässer durch das unkontrollierte Wirtschaftswachstum kümmert.

„In China werden in den nächsten 10 oder 20 Jahren viele Leute Krankheiten wie Krebs bekommen, weil Wasser, Luft und Lebensmittel verschmutzt sind“, sagt er.

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