Der Espresso-König will an die Börse Was Segafredo-Chef Zanetti anders macht

Der Eigentümer des italienischen Espressoherstellers Segafredo, Massimo Zanetti, will an die Börse. Der Gewinner der Globalisierung tickt anders als die meisten seiner Kaste.

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Um die Menschheit auf den italienischen Kaffeegeschmack zu bringen, ist Massimo Zanetti kein Weg zu weit. Er verfrachtet Espresso nach Ulan Bator in der Mongolei, ins Herz Asiens, um ihn, wenn es sein muss, bei minus 25 Grad auszuschenken. Am Ende der Welt, in Ushuaia im argentinischen Patagonien, der südlichsten Stadt der Welt, kommt das schwarze Lebenselexier aus seinen Maschinen. Und im 30. Stock des Shinjuku Grand Tower mitten in Tokios Shoppingparadies Nishi-Shinjuku eröffnete er vor wenigen Wochen die 327. Filiale seiner Kette Segafredo Zanetti Espresso Café.

Nun hat sich der Kaffeehersteller aus dem Hinterland Venedigs zu einem neuen Ziel aufgemacht – an die Börse. Anfang November sollen die Aktien seiner Holding Massimo Zanetti Beverage Group (MZB Group) aus dem norditalienischen Treviso in Mailand in den Handel gehen.

So trinkt die Welt ihren Kaffee

Vom Firmensitz bis in die lombardische Finanzmetropole sind es zwar nur 240 Kilometer. Vielen italienischen Familienunternehmern aber ist das eine unüberbrückbare Entfernung. Für Börsenaspirant Zanetti gilt das nicht. „Signor Segafredo“, wie er in Italien genannt wird, tickt anders als die meisten seiner Kaste.

3,5 Millionen Kaffeesäcke pro Jahr

Der hochgewachsene Veneter verbindet Bodenständigkeit mit Zukunftsdrang. Mit weißem Haarschopf und bunter Brille sitzt er entspannt in einem Clubsessel in seinem Büro in der Villa Zanetti, in der er vor 66 Jahren als Sohn und Enkel von Kaffeehändlern zur Welt kam. Neben dem gediegenen, lederbezogenen Schreibtisch hängt ein riesiger Flachbildschirm an der Wand. Vor dem Heiligenbild gegenüber steht das Modell des Privatjets, mit dem er durch sein Firmenimperium jettet.

„Kaupé“ taufte der umtriebige Unternehmer das Flugzeug, was in der Sprache des südamerikanischen indigenen Mapuche-Volkes „sich zu Hause fühlen“ bedeutet. In dem Zimmer, in dem Zanetti geboren wurde und aufwuchs, speisen heute die Mitarbeiter der Firmenzentrale. Seine Mutter war zur Geburt in den abgelegenen Raum gezogen. „Mein Vater wollte die Schreie nicht hören“, erzählt er.

Vor vier Jahren kehrte Zanetti an seinen Ursprung zurück und bezog mit seiner Holding die frisch restaurierte Villa aus dem 17. Jahrhundert bei Treviso. Im Seitenflügel, wo er als Kind im Lager zwischen Kaffeesäcken spielte, ließ er einen modernen Veranstaltungssaal einrichten. „Hierhin werde ich die Analysten einladen“, eröffnete er beim Einzug in das grauweiß getünchte architektonische Schmuckstück einem Mitarbeiter.

Der Patrone hielt Wort. Es ist Mitte September. Zanetti tritt vor die versammelte Schar Aktienprofis und rattert seine Story herunter: Mit 3,5 Millionen verkauften Kaffeesäcken pro Jahr ist er die Nummer fünf weltweit hinter großen Multis wie Nestlé und Kraft, die den Markt beherrschen; er besitzt 50 Tochterfirmen mit vielen bekannten Auslandsmarken, macht eine Milliarde Euro Jahresumsatz, Tendenz: steigend, er schafft einen Auslandsanteil von 90 Prozent; und er betreibt eigene Plantagen, handelt mit den grünen Kaffeebohnen, röstet sie, stellt Espressomaschinen her und besitzt Kaffeebars.

Enttäuscht von Berlusconi

Jenseits der Kaffeewelt lief es für den Erfolgsunternehmer nicht so glatt. 1994 ließ er sich von Ex-Regierungschef Silvio Berlusconi mitreißen. Zanetti zog im Glauben an das Versprechen einer liberalen Revolution für die frisch gegründete Rechtspartei Forza Italia in den italienischen Senat ein. Nach zwei Jahren hatte er jedoch genug vom Polit-Gezänk in Rom.

Mythen rund um Kaffee
Kaffee Quelle: dpa
Kaffee-Filter Quelle: dpa
Kaffee Quelle: dpa
Kaffeetasse und Kaffeebohnen Quelle: dpa
Gerücht: Kaffee schadet dem HerzenDieses Gerücht scheint falsch zu sein, denn viele Studien ergaben sogar das Gegenteil: So fanden Forscher der Universität Utrecht heraus, dass täglich zwei bis vier Tassen Kaffee das Risiko eines Herzinfarkts um bis zu 20 Prozent senken können. Südkoreanische Wissenschaftler erklärten zudem, dass wenige Tassen am Tag verstopfte Arterien verhindern können. Auch ihre Forschungsergebnisse zeigten, dass Testpersonen, die drei bis fünf Tassen Kaffee pro Tag tranken, deutlich seltener unter Vorzeichen von Herzkrankheiten litten. Quelle: dpa
Gerücht: Kaffee schützt vor DiabetesZumindest senkt Kaffeekonsum das Diabetes-Risiko. Dies hat eine aktuelle Studie des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung ergeben. Bei täglich über vier Tassen Kaffee lässt sich das Diabetes-Risiko um ein Viertel senken. Quelle: dpa
Gerücht: Kaffee ist das beliebteste Getränk beim ersten DateTatsächlich geht mit 73,3 Prozent die Mehrheit der Deutschen beim ersten Date einen Kaffee trinken. Dies hat eine Umfrage der Online-Partnervermittlung ElitePartner ergeben. Essen gehen liegt mit 72,1 Prozent knapp dahinter. Nur 5,4 Prozent treffen sich beim ersten Date direkt zu Hause. Quelle: Fotolia

Von den einheimischen Kaffeedynastien Lavazza und Illy hebt sich Zanetti nicht nur durch seine internationale Ausrichtung ab. Er ist, und das in Italien, kein Missionar des Espressokults. Espresso bleibe eine Nische, sagt er trocken und spöttelt: „Nur die Italiener kamen auf diese Idee und haben dazu auch noch eine Maschine erfunden.“

Erfolg mit Filter

Kaffee, darauf besteht Zanetti fast ketzerisch, das sei Filterkaffee. Mit ihm macht er 70 Prozent des Umsatzes. Dabei passt er sich den jeweiligen lokalen Trinkgewohnheiten an, indem er Markenhersteller rund um den Globus übernahm und an 14 Standorten produziert. Auch Barack Obama ist sein Kunde. Im Weißen Haus wird die Marke Kauai von den Hawaii-Inseln getrunken, der Heimat des US-Präsidenten.

Kaffee: Schlechte Noten für Discounter

Mit dem Premium-Label Kauai übernahm Zanetti auf Hawaii auch 1500 Hektar Kaffeeplantagen. In Skandinavien ist er mit der finnischen Kaffeemarke Meira auf dem Markt. In die Tassen der niederländischen Königsfamilie kommt sein Kaffee Tiktak. In Nossa Senhora da Guia, im Herzen Brasiliens, gehört Zanetti die nach eigenen Angaben mit 2000 Hektar größte private Kaffeeplantage der Welt.

Das lateinamerikanische Land hat für Zanetti besondere Bedeutung. In seiner Villa in Treviso liegt der Prachtband „Mein Paradies – Bilder und Emotionen aus Brasilien“ auf dem Tisch. Er ist Zanettis großer Leidenschaft gewidmet, der grünen Bohne. Damit aber erregte er bei den Analysten Argwohn. Sie drängten ihn erfolgreich, die Firmenbeteiligungen in Anbau und Handel aus seiner Holding auszugliedern.

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Dieses Geschäft sei zu sehr den Schwankungen von Rohstoffpreisen und Devisenkursen unterworfen. Also bringt Zanetti nun ein geschrumpftes Unternehmen mit 750 Millionen Euro Umsatz an die Börse.

Welcher Kaffeetyp sind Sie?
Ohne kommen die Deutschen nicht aus dem Bett: Eine Tasse Kaffee gehört für fast zwei Drittel der Bundesbürger (63,6 Prozent) zum Start in den Tag. Laut dem Deutschen Kaffeeverband verbrauchten die Deutschen vergangenes Jahr 6,4 Kilogramm Rohkaffee - im internationalen Vergleich liegen sie damit auf Platz sieben. Die Finnen haben es mit 12,01 Kilogramm Kaffee auf Platz eins geschafft. Grund genug für die Redaktion von brandeins Wissen, das Magazin "Kaffee in Zahlen" herauszugeben. Demnach gibt es verschiedene Kaffeetypen, wie beispielsweise den... Quelle: dpa
Mit Kaffee, Filtertüte und Filter wird eine Tasse Kaffee aufgebrüht Quelle: dpa
Paar in einem Schlafzimmer Quelle: gms
Zuckerverpackungen mit der Aufschrift "Suedzucker" l Quelle: dapd
two cats sitting in the Cats Coffee House 'Neko' in Vienna, Austria, Quelle: dpa
Mit Elvis zum Frühstück: WMF rockt die IFA und bringt Entertainment in die Küche! Neben zahlreichen neuen Serien rund um Frühstück und Kaffee ist das besondere Highlight bei WMF die Only you! Quelle: obs
 A cappuccino is prepared at a Nairobi Java House outlet in Nairobi Quelle: REUTERS

Die Wachstumsstrategie des umtriebigen Italieners ist schnell erzählt. Zanetti setzt darauf, ferne Absatzmärkte von innen aufzurollen. Dazu steigt er durch Übernahmen ansässiger Unternehmen in neue Länder ein und exportiert anschließend italienische Lebensart in Form von Espresso Segafredo. In insgesamt 500 Läden weltweit serviert und verkauft er die Kaffeespezialitäten inzwischen. „Wir sind sehr flexibel in der Nutzung der im Konzern vorhandenen Kompetenzen“, sagt Zanettis Generaldirektor Pascal Héritier, ein Schweizer.

Beispiel Neuseeland: Im Februar übernahm Zanetti die Firma EspressoWorkz in Auckland, die in dem Inselstaat Kaffee und Kaffeemaschinen vertreibt. Dann schob er Segafredo ins Sortiment. Im Mai schlug er in Thailand zu und kaufte den alteingesessenen Kaffeehersteller und Barausrüster Boncafé, Marktführer in Südostasien und den Golfstaaten. Damit stellt Zanetti sich auf Januar 2016 ein: Dann senkt das neue Asean-Freihandelsabkommen die Zölle für Importe aus der Region auf fünf Prozent.

Kaffeegenuss: Ein Privileg der Wohlhabenden?

Den Sprung in die Weltliga des Kaffees hat Zanetti in dritter Familiengeneration geschafft. 1973, mit 25 Jahren, kaufte er den Röster Segafredo aus Bologna. Das Traditionsunternehmen war in Schwierigkeiten, aber gut etabliert im Geschäft mit der Gastronomie. Zanetti erkannte, dass das Geheimnis des Erfolgs weniger in der Kaffeeherstellung als im Kundenservice liegt. Er konzentrierte sich auf das Verhältnis zu den Profis, kümmerte sich um die Betreiber der Espressobars, kaufte weitere Röstereien und übernahm den Espressomaschinen-Hersteller La San Marco im Friaul.

Kaffeebarbetreiber

Dann griff Zanetti im Filterkaffee trinkenden Europa an. In Frankreich legte er sich den drittgrößten Produzenten Vaudour Danon zu. Seinem deutschen Geschäftspartner J.J. Darboven nahm er eine Rösterei in Salzburg ab. Gleichzeitig baute er eine Café-Kette auf, um die Marke Segafredo im Ausland populär zu machen. Der Startschuss fiel 1985 im französischen Rouen. Deutschland hat heute 90 Filialen.

In seiner Botschaft an neue Aktionäre zielt Zanetti vor allem auf die unterentwickelten Märkte. „In armen Ländern ist der Kaffeekonsum niedrig. Je stärker sie wachsen und je reicher sie werden, desto erstrebenswerter wird das Kaffeetrinken für die Bürger“, sagt er. Das Vordringen der Kaffeekultur sorgte im vergangenen Jahrzehnt für einen Anstieg des globalen Konsums von 90 Millionen auf 142 Millionen Säcke Kaffee.

Verpasste Chance

Die Zukunft des Geschäfts sieht Zanetti in Teeländern wie Russland, Japan, Indien und China. Im Internet-Fernsehen im Reich der Mitte liefen gerade 15 Folgen der Seifenoper „Funny Coffee“ an, die in einem Segafredo-Café spielen. Die Schleichwerbung funktioniert. 41 Millionen Zuschauer hätten die ersten Episoden gesehen, berichtet Generaldirektor Héritier.

Zanetti ist Globalisierungsgewinner. Gleichwohl verpasste er vor gut 25 Jahren eine große Chance. Damals ließ sich ein gewisser Howard Schultz von ihm durch die Segafredo-Rösterei bei Bologna führen. Den Amerikaner faszinierte die italienische Barkultur, er kannte auch das Segafredo-Café in Rouen. Nach seiner Rückkehr aus Italien gründete er die Kaffeekette Starbucks, die heute mehr als 20.000 Filialen hat. Ärgert Zanetti das?

„Die Größe ist allein eine Frage des Geldes“, sagt er. „Starbucks Erfolg liegt in der Börse begründet.“ Zanetti selbst zieht es an die Börse, um das Unternehmen fit für die Zukunft zu machen. Denn der Veneto, Zanettis Heimat, leidet besonders stark unter verpatzten Generationswechseln und ruinösen Familienfehden. „Ich will klare Verhältnisse für die vierte Generation schaffen.“ Die beiden Kinder Laura und Matteo sind bereits im Unternehmen tätig. Zanetti schickt sich an, 35 Prozent der Aktien abzugeben und über eine Kapitalerhöhung 150 Millionen Euro in die Konzernkasse zu holen.

Damit schafft er Raum für Wachstumsfantasien. „Ich schaue nach Afrika“, sagt Zanetti. Öffneten sich die Länder dort, gebe es einen ganzen Kontinent zu erobern.

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