Der neue Bahnchef Richard Lutz Eine Milliarde zum Dienstbeginn

Verkehrsminister Alexander Dobrindt bringt nicht nur freundliche Worte zur Inthronisierung des neuen Bahn-Vorstandsvorsitzenden mit, sondern auch Gastgeschenke, Geld und einen „Masterplan Schienengüterverkehr“.

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Der neue Vorstandsvorsitzende der Bahn weiß mit Finanzen umzugehen. Quelle: dpa

Berlin Fast sah es so aus, als wollten Ex-Bahnchef Rüdiger Grube und sein ehemaliger Vize Volker Kefer dem neuen Vorstandsvorsitzenden des Staatskonzerns die Schau stehlen. Just an dem Tag, als der Aufsichtsrat Lutz zum neuen Chef proklamierte, wurde bekannt, dass sowohl Grube wie auch Kefer aus der Versenkung wieder auftauchen. Beide nehmen Aufsichtsratsposten an und sollen auch die Chefs der Kontrollgremien werden. Der eine, Grube, beim Hamburger Hafenlogistiker HHLA, der andere, Kefer, beim Schienentechnikkonzern Vossloh.

Doch die Show fand dank der geladenen Fernsehteams und Reporter dann doch im 21. Stock des Bahntowers am Potsdamer Platz in Berlin statt. Und zwar die Lutz-Show. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) ließ es sich nicht nehmen, den von ihm persönlich ausgewählten neuen Bahnchef vorzustellen. Der Aufsichtsratschef der Bahn, Utz-Hellmuth Felcht, durfte nur die Nebenrolle spiele. Obwohl es in einer Aktiengesellschaft eigentlich sein Job gewesen wäre, das Personal auszuwählen.

Die Herren demonstrierten Einigkeit. Dobrindt ließ keine Zweifel daran, dass die Suche nach einem Nachfolger für den unerwartet zurückgetretenen Grube Angelegenheit der Politik war. Die habe „das Vakuum lösen und Impulse geben müssen“. Und Felcht räumte dem Einhundert-Prozent-Eigentümer in der Cheffrage das Primat ein. Einen Machtverlust für den Aufsichtsratsvorsitzenden sehe er darin nicht.

Ein wenig sonderbar war der Termin am Mittwoch dennoch. Dobrindt, rechts assistiert von Felcht, links von Lutz, stand vor fast genau einem Jahr schon einmal an dieser Stelle. Und teilte kräftig aus. Vor allem gegen Lutz‘ Vorgänger Grube, der gute Mine zum Bösen Spiel vortäuschend, die bayerischen Watschen entgegennahm. Die Bahn hatte damals gerade das Geschäftsjahr 2015 mit 1,3 Milliarden Euro Verlust abgeschlossen. Und das, schimpfte der Minister im Beisein der wichtigsten Manager des Konzerns, dürfe sich nie wiederholen.

Lutz dagegen durfte, Dobrindt die ganze Zeit freundlich zugewandt, nicht nur die Glückwünsche zu seiner Ernennung zum Bahnchef entgegennehmen. Sondern auch das Lob Dobrindts, das sei „auch gelungen“. Lutz wird am Donnerstag erstmals als CEO die Bilanz eines Geschäftsjahres präsentieren. Bislang war er als Nur-Finanzchef immer der zweite Mann und Redner. Lutz kann wieder einen Jahresgewinn verkünden. Was – das muss man der Wahrheit halber sagen – aber nicht wirklich überraschend ist. Denn das miese Jahresergebnis der Bahn war hauptsächlich von den Abschreibungen verursacht. Wenn die wegfallen, dreht der Nettogewinn ins Schwarze. Denn im operativen Geschäft verdient die Bahn schon Geld.

Das hätte der frühere Bahnchef seinem obersten Dienstherren Dobrindt eigentlich schon vor einem Jahr an gleicher Stelle sagen können. Aber jetzt ist es für Lutz natürlich umso angenehmer zum Start. Zumal der Minister gerade die Qualitäten des Finanzexperten Lutz schätzt.


Die kurioseste Hauptversammlung Deutschlands

Bevor die Kameras das glückliche Trio einfangen konnten, fand eine der kuriosesten Veranstaltungen im Wirtschaftsleben Deutschlands statt: die Hauptversammlung der Deutschen Bahn. Wo sich andere Großkonzerne wie die Bahn mit ihren 40 Milliarden Euro Umsatz ganze Messehallen mieten müssen, reicht für das Staatsunternehmen der Sitzungsraum im Bahntower. Dort sind vertreten: Der Alleinaktionär Bund, diesmal wieder persönlich durch den Verkehrsminister vertreten. Der Aufsichtsrat und der Vorstand des Unternehmens, mit insgesamt maximal 24 Personen, davon 20 Aufseher und vier Vorstände, auf jeden Fall in gravierender Überzahl.

Im Gegensatz zu Börsen notierten Aktiengesellschaften wird zuvor keine Tagesordnung öffentlich. Und Einwände, Zusatzanträge sowie Wortmeldungen des Aktionärs können auf dem kleinen Dienstweg und per Handzeichen reklamiert werden.

Keine zehn Jahre ist es her, da war noch ernsthaft geplant, die Deutsche Bahn dem üblichen Hauptversammlungsspektakel auszusetzen. Erst 2009 wurde das Vorhaben eines Börsengangs offiziell abgemeldet. Umso aufgeregter waren einige Politiker im vergangenen Jahr, als die Bahn darüber nachdachte, ihre Tochterfirmen Arriva, wo das Auslandsgeschäft gebündelt ist, und den Logistikkonzern Schenker in Teilen an die Börse zu bringen.

Die Bahn brauchte dringend Geld, um den rasanten Schuldenanstieg zu bremsen. Bis zu vier Milliarden Euro hätten beide Teilprivatisierungen einbringen können. Der Plan scheiterte und Dobrindt griff in die Staatskasse. Der Minister machte stattdessen eine Kapitalspritze über eine Milliarde Euro locker und versprach auf weitere 1,4 Milliarden Euro Dividenden zu verzichten. Auch das wurde am Mittwoch besiegelt. Und: Dobrindt verspricht weitere Hilfen für die Bahn. Sein Ministerium arbeite intensiv an einem „Masterplan Schienengüterverkehr“. Mehr wollte er noch nicht verraten.

Der frisch gekürte Bahn-Vorstandsvorsitzende beeilte sich allerdings am Mittwoch festzuhalten, dass es keinerlei Anlass gebe, nur im Entferntesten über Börsengänge jedweder Art nachzudenken. Dabei huschte ihm ein Lächeln über die Lippen. Wenn's ums Geld geht ist der 52 Jahre alte Pfälzer eben in seinem Element. Finanzen und Controlling macht er seit seinem Studium, seit 23 Jahren sogar bei der Deutschen Bahn. Womöglich ist er der erste Bahnchef, der wirklich weiß, was Eisenbahnfahren in Deutschland kostet.

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