Deutsche Bahn bekommt Konkurrenz Gerangel um den Sylter Autozug

Seit mehr als 80 Jahren roll der Autozug auf die Insel Sylt. Das Angebot ist beliebt. Die Deutsche Bahn muss fürchten, die Nutzungsrechte der Trassen zu verlieren. Sogar Schleswig-Holstein will den Autozug betreiben.

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Auto-Shuttle mitten durchs Wattenmeer: „Es geht darum, einen Fuß in der Tür zu haben“. Quelle: dpa

Westerland/Kiel Die Fahrt ist kurz, aber einzigartig. Eine gute halbe Stunde lang sitzt der Autofahrer auf dem Weg nach Sylt in seinem Wagen, genießt die Aussicht auf Wiesen, Schafe und Wattenmeer und rollt, auf der Insel angekommen, vom Autozug herunter. Einen weiteren Zug dieser Art gibt es in Deutschland nicht - bei anderen Autoreisezügen sitzen Fahrgäste in separaten Waggons, das Auto rollt „unbemannt“ mit.

Die Sylter Strecke über den Hindenburgdamm wird schon seit Ende der 20er Jahre mit einem Autozug befahren. Einzigartig ist heute unter anderem die Möglichkeit, über eine Leine aus jedem Auto heraus die Notbremse zu ziehen. Einträglich ist die Strecke auch: Jährlich werden 490.000 Fahrzeuge je Richtung mit dem Sylt-Shuttle zwischen Westerland und Niebüll befördert. Für Hin- und Rückfahrt verlangt die Deutsche Bahn derzeit 90 Euro.

Die Strecke weckt Begehrlichkeiten: Sowohl das Kölner Bahnunternehmen Railroad Development Corporation Deutschland (RDC D) als auch das Land Schleswig-Holstein haben bei der DB Netz AG Anträge für die Nutzung der Trassen gestellt. Auch die Deutsche Bahn selbst will den Sylt-Shuttle weiter betreiben.

Dass sich auch das Land bewirbt, ist auf dieser Strecke ein Novum. Sollte es Erfolg haben, würde es über die Ausschreibung Einfluss nehmen können. „Es geht darum, einen Fuß in der Tür zu haben“, sagt eine Sprecherin des Kieler Verkehrsministeriums. Das Land wolle auch an den Bedarf für Reisende ohne Auto denken - vielleicht ließen sich für sie noch Wagen ankoppeln. Ein Gutachten soll weitere Möglichkeiten prüfen, etwa die Verlängerung nach Flensburg.

Auf Sylt selbst wird eine mögliche Verlängerung des Autozuges etwa nach Flensburg nicht positiv gesehen, sagt die Bürgermeisterin der Gemeinde Sylt, Petra Reiber. „Was machen wir bei Sturm?“ Die Fahrt verlängere sich sehr, die Reisenden könnten etwa unterwegs nicht zur Toilette gehen. „Alles, was die Anreise verlängert - da können wir nicht dafür sein.“ Reiber plädiert vielmehr für einen Expresszug von Hamburg nach Sylt.


„Es steigt immer mal wieder einer aus“

Ähnlich sieht es Frederik Erdmann, Verkehrsexperte bei der IHK Flensburg. „Von einer Verlängerung Richtung Flensburg halte ich überhaupt nichts.“ Die Fahrgäste zum Stillsitzen in den Autos zu zwingen, gehe nur bis zu einer gewissen Fahrtdauer. „Es steigt immer mal wieder einer aus.“ Eine längere Strecke für den Autozug funktioniere nur wie der Autoreisezug, mit Personenwaggons. Dies sei aber angesichts des organisatorischen Aufwands „völliger Quatsch“.

Beide Konkurrenten der Deutschen Bahn - das Land und RDC D - wollen zudem einen deutlich höheren Takt anbieten. Doch würde die Insel das überhaupt verkraften?

Auch Bürgermeisterin Reiber würde einen höheren Takt begrüßen, zweifelt aber wegen der Eingleisigkeit der Strecke die Machbarkeit an. Um mehr Autotouristen gehe es ihnen auch gar nicht, hatte der Geschäftsführer von RDC D, Carsten Carstensen, in einer Pressemitteilung beteuert. „Ziel ist es vielmehr, den Touristen mehr Service und der Wirtschaft, den Einwohnern und den auf der Insel Beschäftigten einen besseren Autozug zu bieten. Auch haben wir bei der Trassenplanung darauf geachtet, den Schienenpersonennahverkehr nicht zu verdrängen.“

Trotz der nun noch gestiegenen Konkurrenz durch das Land rechne sich das Unternehmen, Mehrheitseigener am Hamburg-Köln-Express, weiter „hervorragende Chancen“ aus, von Dezember 2015 an die Sylter Strecke zu bedienen, sagt eine Unternehmenssprecherin. Eine endgültige Entscheidung, wer wann zum Zug kommt, wird erst im Sommer 2015 fallen.

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