Deutsche Bahn Grube bangt um den Regionalverkehr

Deutsche-Bahn-Chef Grube verliert im renditeträchtigen Regionalverkehr Marktanteile – und das trifft den Konzern empfindlich. Denn auch im Güterverkehr sieht es nicht viel besser aus. Für Grube wird es brenzlig.

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Die Deutsche Bahn verliert Marktanteile. Quelle: dpa

Berlin/Düsseldorf Sie heißen Keolis, Abellio oder Netinera, und ihre bunten Züge bringen derzeit frische Farbe in die Tristesse deutscher Bahnhöfe. Doch der Deutschen Bahn sind sie ein Graus. Der Vormarsch der meist ausländischen Rivalen im deutschen Regionalverkehr ist kaum zu stoppen, wie das Staatsunternehmen jetzt in Berlin einräumte. Kam die Deutsche Bahn 2013 noch auf einen Marktanteil von 73,6 Prozent, behaupteten die roten Züge zwei Jahre später nur noch 70,8 Prozent. Und es könnten noch viel weniger werden.

Denn die Zukunft sieht alles andere als rosig aus. Einen herben Rückschlag musste die Deutsche Bahn erst vergangene Woche im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen einstecken. Bereits 2015 hatte der Staatskonzern bei der Ausschreibung für das prestigeträchtige Zukunftsprojekt Rhein-Ruhr-Express (RRX) das Nachsehen. Nun ist klar, dass die Tochter DB Regio bald nur noch ein Drittel ihrer heutigen Züge in dieser Region fahren wird.

Der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) vergab fünf S-Bahnstrecken und drei Regionalbahnlinien an die Konkurrenten Keolis aus Frankreich und Abellio aus den Niederlanden. Die Bahn wird bald nur noch vier S-Bahn-Linien in dem Bundesland fahren, was ihren Marktanteil weiter schmälert. Womöglich, so heißt es schon jetzt DB Regio, könnte er auf 40 Prozent einbrechen.

Dabei ist es nicht nur das Rhein-Ruhrgebiet, wo die DB-Züge verschwinden. Auch in anderen Teilen der Republik verliert das Bundesunternehmen einen Vertrag nach dem anderen. Zuletzt ging auch das Stuttgarter S-Bahnnetz an Abellio und die private britische Gesellschaft Go-Ahead, die damit ihren Deutschland-Einstieg feiert. 2019 soll dort die Deutsche Bahn abgelöst werden.

Der Anteil der Wettbewerbsbahnen, meist Tochtergesellschaften ausländischer Staatsbahnen, hat sich seit vergangenem Jahr um 3,8 Prozent erhöht. Er liege jetzt bei 33 Prozent, berichtete der für Regulierungsfragen zuständige Bahnmanager Frank Miram. Und fügte hinzu: Politisch sei das eben so gewollt.

Für den Wettbewerb ist das gut, für die Bahn weniger. In Stuttgart beispielsweise werden die S-Bahnen künftig für die Hälfte des Kilometerpreises fahren, den DB Regio bislang in Rechnung stellt. Das Land Baden-Württemberg kann nun mehr Verkehr für dasselbe Geld bestellen.

Insgesamt steckt der Bund über die Bundesländer 8,2 Milliarden Euro jährlich an Zuschüssen in den Personennahverkehr auf der Schiene. Seit der Bahnreform werden die einzelnen Strecken und Streckennetze ausgeschrieben. Das preiswerteste Angebot gewinnt. Noch zur Jahrtausendwende fuhr die Deutsche Bahn fast jeden Nahverkehrszug in Deutschland selbst.


Für Bahnchef Grube wird es brenzlig

Die Bahn hat mit den dramatisch wegbrechenden Aufträgen ein Riesenproblem. DB Regio war bisher eine sichere Gewinnquelle für das Unternehmen. Bei zuletzt 8,67 Milliarden Euro Umsatz zählte der Regionalverkehr im vergangenen Jahr mit 669 Millionen Euro operativem Ergebnis (Ebit) zu den renditestarken Sparten der Bahn. Lässt man Schienennetz und Bahnhöfe außen vor, war die Sparte mit einer Umsatzmarge von 7,7 Prozent sogar Spitzenreiter im Konzern. Der Fernverkehr musste sich mit 4,1 Prozent begnügen, das Speditionsgeschäft um Schenker schaffte gerade einmal 2,5 Prozent, die Güterzüge fuhren sogar ins Minus.

Doch seit Jahren geht es mit dem Umsatz im Regionalverkehr abwärts. Allein 2015 brach der Betriebsgewinn (Ebit) um ein Fünftel ein.

Auch für Bahnchef Rüdiger Grube wird es brenzlig. Er hatte für den Regionalverkehr eine Erfolgsquote als Vorgabe für seinen Umbau- und Sanierungsplan bis 2020 vorgegeben. Danach müssen 70 Prozent aller ausgeschriebenen Regionalnetze zurückgewonnen werden. Derzeit sind die DB-Manager schon froh, wenn sie 50 Prozent schaffen.

Die Folgen sind nicht unmittelbar spürbar, sondern erst in einigen Jahren. So wechselt das Stuttgarter Netz erst in zweieinhalb Jahren den Betreiber, die gerade verlorenen Linien in NRW ebenso. Die Unternehmen brauchen den Vorlauf, um sich darauf vorzubereiten.

Nicht besser sieht es im ohnehin darbenden Güterverkehr aus. Zwar wuchs der Transport auf der Schiene vergangenes Jahr um 3,6 Prozent auf 116,6 Millionen Tonnenkilometer, wie der soeben vorgelegte „Wettbewerbsbericht“ verdeutlicht. Der Anteil der Wettbewerber an dem wachsenden Kuchen vergrößerte sich 2015 jedoch deutlich stärker: von 33,6 auf 39,1 Prozent. „Der Wettbewerb ist fest verankert“, stellt die Bahn dazu lakonisch fest. 412 Bahngesellschaften nutzen das 33.000 Kilometer umfassende Schienennetz. Für die Bahn sind diese Feststellungen wichtig, um sich gegen den Vorwurf zu wehren, sie nutze ihre Monopolstellung gegen Wettbewerber aus.

Doch für ihre eigene wirtschaftliche Situation hat die Entwicklung fatale Folgen, denn Entlastung ist weit und breit nicht in Sicht: Mit dem schrumpfenden Regionalverkehr bricht der Bahn die Gewinnmaschine weg, der Güterverkehr auf der Schiene bleibt vorerst unrentabel.

Und selbst der einstige Hoffnungsträger Fernverkehr muss mit Sonderangeboten gegen Busse, Billigflieger und Individualverkehr ankämpfen. Allein in den ersten Monaten dieses Jahren fuhren zehn Prozent mehr Fahrgäste mit der Bahn, der Umsatz aber wuchs nur um zwei Prozent. Der Gewinn lag im zweistelligen Millionenbereich unter Vorjahr.

Am 27. Juli wird sich abzeichnen, ob die Deutsche Bahn ihr operatives Ertragsziel von 1,7 Milliarden Euro für das Gesamtjahr halten kann. Dann nämlich legt Grube seine Halbjahresergebnisse vor.

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