„Von der Grillsaison profitieren die Fleischer ganz beträchtlich“, weiß Jentzsch. Ein gutes Grillgeschäft ist ein wichtiger Indikator für den Umsatz des kompletten Jahres. Bratwurst und Schweinenackensteak sind nach wie vor die Kassenschlager, aber der Sprecher des Fleischerverbands beobachtet, dass die Kunden von ihrem Fachgeschäft immer raffinierte Waren wünschen. „Wir stellen eine Verfeinerung des Geschmacks fest. Kunden wünschen sich mehr Auswahl im Grillsortiment“. Lammbratwürstchen etwa, Bratwurst mit frischen Kräutern oder Würste mit Wildbrätanteil. „Die Grillsaison regt die Fantasie der Fleischer und damit auch die Kauflust der Kunden an.“ Im Düsseldorfer Raum sollen bereits „Altbier-Griller“ – also Würstchen mit der regionalen Bierspezialität „Alt“ gesichtet worden sein.
Ampelsteaks in Rot, Gelb, Grün
Die Fleischlust der Deutschen will auf vielfältigste Weise gestillt werden – doch nicht jeder Kunde sucht den Fachhandel auf. Mit Kampfpreisen stürzt sich der Einzelhandel in die Saison. Mit „Ampelware“ – also meist Schweinenackensteaks in grüner, roter und gelber Marinade. Lidl lockt mit Aktionspreisen von „minus 25 Prozent“. Dem deutschen Bauernverband schmeckt das gar nicht. „Manche lernen es nie“, kommentiert der Generalsekretär des DBV Helmut Born die Reklameoffensive mit billigstem Fleisch. Die Discounter vergäßen alle Prinzipien der Wertorientierung, kaum dass sich die Vieh- und Fleischwirtschaft zur tierschutzgerechten und nachhaltigen Erzeugung bekannt habe. Ein „Rückfall in das Verramschen von Nahrungsmitteln“ nennt Born das. Auch die Kaufland-Marke „Purland Ihre Frische Metzgerei“ wirbt mit „Auf Dauer billig“ für Steaks Provence für 4,99 das Kilogramm, Rostbratwürstchen gibt es mit 11 Prozent Rabatt für 5,86 Euro. Rewe steigt mit grober Bratwurst für 4,99 – fast ein Drittel billiger als sonst - in den Grill-Ring. Den Fleischern macht das wenig Laune. Mit dieser Billigware können und wollen sie nicht konkurrieren. Letztendlich entscheidet der Geschmack des Verbrauchers, was auf den Grill kommt.
Maultaschen vom Grill
Der Lebensmittelhandel steht den findigen Metzgermeistern in punkto Kreativität in nichts nach. Maultaschen-König Burger bietet im neuen „Grillers“-Sortiment Teigtaschen zur Zubereitung über offenem Feuer an – etwa im „Veggie Herbal Style“ für den fleischlosen Genuss oder im klassischen „BBQ Style“. Erlaubt ist was gefällt. Gero Jentzsch sieht die Deutschen noch in der Entwicklung: „Die Revolution am Grill ist noch nicht ganz vollzogen“, meint der Sprecher des Deutschen Fleischer Verbands. Zu jeder Revolution und Evolution gehört eine experimentelle Phase. Maultaschen auf dem Grill – nun ja, das Ende der Grillrosts ist eben noch lange nicht erreicht. Und nicht in jedem Grillwütigen schlummert auch ein Koch. Man greift zur Fertigware - schaut lieber zu, wie andere kochen.
Floristen in Not
Ein Phänom, dass einen wahren Kochshow-Boom im deutschen Fernsehen auslöste - von Lanz bis Lafer. Der österreichische Spitzenkoch, der mit Kollege Horst Lichter im ZDF in der Showküche steht, hat sich als Grill-Experte einen Namen gemacht. Seit 2006 folgen tausende Zuhörer Johann Lafers interaktiver Grillparty beim Radiosender SWR 3. Im vergangenen Jahr sorgte der Spitzenkoch für einen unverhofften Umsatzanstieg bei den Floristen. Im gesamten Sendegebiet kauften eifrige Mit-Griller die Bestände an Bananenblätter auf, um das exklusive Rezept des TV-Kochs nachzukochen.
Doch das Interesse an Kochsendungen schwindet, die Sendezeiten rücken immer später in den Abend. „Vielleicht“, meint Grill-Lehrer Ebbo Christ, „werden sie bald von Grill-Sendungen abgelöst.“ Da ergäben sich ganz neue Möglichkeiten der Präsentation, unkt der Grill-Experte. Bietet der Grillboom am Ende eine neue Perspektive für die Showstars von gestern? Harald Schmidt am BBQ-Smoker? Gottschalk grillt? Man darf noch träumen in diesen Tagen – und wenn es nur von Bratwurst ist.