„Die Haribo-Story“ Das Märchen von der „Lakritzschneckenwickelmaschine“

Fast alle kennen Gummibärchen und Lakritzschnecken. Doch welche Familie hinter dem Süßwarenhersteller Haribo steckt, wissen die wenigstens. Das ZDF widmet sich in der Reihe „Deutschlands große Clans“ den Riegels.

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Der verstorbene Haribo-Chef Hans Riegel jr. (Mitte) mit seinem Werbepartner Thomas Gottschalk (links) und dem Sportfunktionär Franz Beckenbauer: fähiger Vermarkter. Quelle: dpa

Hamburg Es ist eine schöne Geschichte, weil es um schöne Produkte geht: Gummibärchen und Lakritzschnecken. Das ZDF widmet den vorletzten Teil einer kleinen Serie über „Deutschlands große Clans“ am heutigen Dienstagabend Haribo. Herausgekommen ist ein historischer Abriss mit leicht märchenhaften Zügen.

Gleich zu Beginn spricht Film-Autor Jörg Müller über eine „Familie, die aus Zucker Geld macht“. Von den Anfängen in den 1920er-Jahren, in denen der gelernte Bonbon-Kocher Hans Riegel in der heimischen Küche im Hinterhof seine Tanzbären zunächst aus Gummi Arabicum entwirft, bis zum Weltkonzern mit rund zwei Milliarden Euro Umsatz spannt der Film einen Bogen über drei Inhaber-Generationen.

Heraus kommt das Bild eines netten Familienunternehmens, das jeden Herbst Kastanien gegen Süßigkeiten austauscht, Sprüche der Altvorderen zur Qualität in allen Werken hängen hat und sagenumwobene Geheim-Geräte wie eine „Lakritzschneckenwickelmaschine“ einsetzt. Schattenseiten – etwa das lange Festhalten des Patriarchen Hans Riegel jr. am Chefposten noch im hohen Alter, das gewerkschaftsfeindliche Binnenklima und die nicht gerade gesunden Produkte – spielen nur ganz am Rande eine Rolle.

Dafür lernt der Zuschauer viel über die Historie, vermittelt auch über Spielszenen. Da tüftelt Gründer Hans Riegel in weißem Kittel und Krawatte mit seiner Frau Gertrud an den ersten Bärchen, bauen beide das Unternehmen mit mehreren hundert Mitarbeitern auf – bis Hans Riegel 1945 beim Aufklopfen des Frühstückseis einen Herzanfall bekommt und stirbt. Die Witwe übernimmt das Geschäft, zunächst nach dem Krieg mit einer Handvoll Angestellten, bis die beiden Söhne aus dem Krieg zurückkehren.

Hans jr. und Paul Riegel sind es, die das Unternehmen im Wirtschaftswunder groß machen – als Marketingmann beziehungsweise als Tüftler und Techniker. Der Erfolg liegt dabei vor allem in der Markenstrategie. Der Slogan „Haribo macht Kinder froh“ bleibt als Konstante, lediglich im Laufe der Zeit ergänzt durch die Anfügung „und Erwachsene ebenso.“

Marketingleiter Vinczenzo Blando erzählt im Interview, er frage Kandidaten im Einstellungsgespräch, wie sie mit dem Slogan umgehen würden. Wer ihn verändern will, habe keine Chance auf einen Job. Was sich ändert: In den alten Werbespots wirbt das Bonner Unternehmen mit dem Hinweis „Haribo ist gesund“ – nach heutiger EU-Regulierung ein „No-Go“.

Erstmals äußert sich in diesem Film auch der heutige Firmenchef Hans Guido Riegel, einer der drei Söhne von Paul Riegel, der seit dem Tod des Patriarchen im Jahr 2013 das Unternehmen führt. „Die erste Generation hat das Unternehmen gegründet, die zweite Generation von meinem Vater und meinem Onkel hat das Unternehmen nach dem Krieg aufgebaut und europäisiert. Wir in der dritten Generation sehen es als unsere Aufgabe, die Marke zu internationalisieren“, sagt er.


Bloß nicht zuviel Kritik am Firmenpatriarchen

Die Grundlagen dafür sind gelegt: Eine gemeinnützige Stiftung des verstorbenen Hans Riegel hält 50 Prozent, den Rest die Erben von Paul Riegel. Klar war dieser Weg nicht immer: Lange sah es so aus, als wolle Hans Riegel jr., der bis zu seinem Tod mit 90 Jahren im Amt blieb, der Übergang nicht gelingen – zumal er sich mit seinem Neffen Hans-Jürgen, dem zuvor vorgesehenen Nachfolger, überwarf.

Der aktuelle Film macht den Unternehmer zur Legende: Noch mit 80 Jahren habe er Playstation gespielt, um die Kinder zu verstehen – neben der Lektüre des Jugendmagazins Bravo und der Comics von Fix & Foxy. Nicht fehlen darf auch sein Engagement für den Badminton-Sport, den Riegel als einer der ersten nach Deutschland holte. Zu Wort kommt unter anderem Heino als Freund des Verstorbenen. Legendär wird auch seine Scheu vor Bankkrediten nach Ärger mit der örtlichen Sparkasse. „Ich habe in meinen 13 Jahren bei Haribo noch kein Gespräch mit einer Bank geführt“, berichtet Geschäftsführer Arndt Rüsges.

Die Stärke des Films ist, dass viele Zeitzeugen und aktuelle Begleiter des Unternehmens zu Wort kommen. Darunter sind vereinzelt auch kritische Stimmen. Der ehemalige Geschäftsführer der Gewerkschaft NGG, Ernst Buch, erinnert sich etwa, zu kritisch habe sich niemand gegenüber dem Firmenpatriarchen Hans Riegel jr. äußern dürfen – „sonst spürte man den sehr langen Atem des Hauses.“ Mit dem sehenswerten, freundlichen Film des ZDF dürfte Haribo weniger Probleme haben.
Sendetermin: Dienstag, 27. September, 20.15 Uhr, ZDF

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