Sie sind allein. Unfreiwillig oder weil sie es möchten. Und sie sind eher Norm denn Ausnahme. In ganz Westeuropa dominieren Ein-Personen-Haushalte. Allein in Deutschland liegt der Anteil laut der Gesellschaft für Konsumforschung bei 40 Prozent – und die Zahl wächst. Vor allem aus zwei Gründen.
Zum einen hat der Ring am Finger und die eigene Familie für viele junge Erwachsene nicht mehr oberste Priorität. Sie verlängern ihre Adoleszenzphase, probieren sich selbst und Neues aus. „Der klassische Life Course – Schule, Studium, Arbeit, Heirat, Rente – ist längst aufgebrochen“, sagt Martina Reitmeier, Konsumforscherin an der Technischen Universität München.
So haben sich die Haushalte in Deutschland verändert
Jahr | Insgesamt in 1000 | 1-Pers.- haushalte | 2-Pers.- haushalte | 3-Pers.- haushalte | 4-Pers.- haushalte | Haushalte mit 5 und mehr Pers. |
2013 | 39 933 | 40,5 % | 34,4 % | 12,5 % | 9,2 % | 3,3 % |
Jahr | Insgesamt in 1000 | 1-Pers.- haushalte | 2-Pers.- haushalte | 3-Pers.- haushalte | 4-Pers.- haushalte | Haushalte mit 5 und mehr Pers. |
2008 | 40 076 | 39,4 % | 34 % | 13,1 % | 9,9 % | 3,6 % |
Jahr | Insgesamt in 1000 | 1-Pers.- haushalte | 2-Pers.- haushalte | 3-Pers.- haushalte | 4-Pers.- haushalte | Haushalte mit 5 und mehr Pers. |
2003 | 38 944 | 37 % | 33,8 % | 14 % | 11 % | 4,2 % |
Jahr | Insgesamt in 1000 | 1-Pers.- haushalte | 2-Pers.- haushalte | 3-Pers.- haushalte | 4-Pers.- haushalte | Haushalte mit 5 und mehr Pers. |
1998 | 37 532 | 35,4 % | 33 % | 15 % | 12,1 % | 4,5 % |
Jahr | Insgesamt in 1000 | 1-Pers.- haushalte | 2-Pers.- haushalte | 3-Pers.- haushalte | 4-Pers.- haushalte | Haushalte mit 5 und mehr Pers. |
1993 | 36 230 | 34,2 % | 31,4 % | 16,5 % | 13 % | 4,9 % |
Jahr | Insgesamt in 1000 | 1-Pers.- haushalte | 2-Pers.- haushalte | 3-Pers.- haushalte | 4-Pers.- haushalte | Haushalte mit 5 und mehr Pers. |
1988 | 27 403 % | 34,9 % | 30 % | 16,9 % | 12,7 % | 5,5 % |
Jahr | Insgesamt in 1000 | 1-Pers.- haushalte | 2-Pers.- haushalte | 3-Pers.- haushalte | 4-Pers.- haushalte | Haushalte mit 5 und mehr Pers. |
1982 | 25 336 | 31,3 % | 28,7 % | 17,7 % | 14,4 % | 8 % |
Jahr | Insgesamt in 1000 | 1-Pers.- haushalte | 2-Pers.- haushalte | 3-Pers.- haushalte | 4-Pers.- haushalte | Haushalte mit 5 und mehr Pers. |
1978 | 24 221 | 29,3 % | 28,5 % | 18 % | 14,8 % | 9,5 % |
Quelle: Bundesamt für Statistik
Zugleich gibt es mehr ältere Alleinlebende, die geschieden oder getrennt leben – oder deren Partner gestorben ist. Auf beide Gruppen müssen sich die Unternehmen einstellen, neue Strategien entwickeln und ihre Produkte anpassen. Und der Wandel macht vor kaum einer Branche halt.
Das beginnt schon bei der Wohnung. „Die Immobilienlandschaft erfährt eine grundlegende Änderung“, sagt Daphne Kasriel-Alexander von Euromonitor. „Architekten müssen sich auf größere Nachfrage nach kleineren Wohnungen einstellen, während größere bestehende Gebäude für diesen Zweck angepasst werden müssen.“
Das gilt vor allem für Großstädte. Dort ist die Zahl der Singles besonders hoch. Egal ob in London, Tokio, München oder Hamburg: Die Nachfrage nach kleinen Apartment wächst stetig, ebenso wie der Preis.
In den großen Metropolen der Welt geht der Trend von der Kleinwohnung zum Micro-Apartment. Mitten in Manhatten soll ein Hochhaus voll mit Wohnungen in der Größe zwischen 23 und 35 Quadratmeter entstehen. Nicht für Studenten - sondern für Angestellte und Arbeiter mit festem Einkommen.
Boom beim Tierfutter
Klar ist auch: Die Größe der Wohnung verändert die der Möbel. Massiv und wuchtig ist out, das hat die Industrie erkannt. Moderne Möbel sind platzsparend – und multifunktional. Im Laden gibt es kaum ein Sofa, das sich nicht zum Bett ausklappen oder umbauen lässt.
Kleider verschwinden im Wandschrank, Computer und Fernseher hinter den Schiebetüren von Regalen und Kommoden. „Alleinlebende sind mehr an Kommunikation und Unterhaltung interessiert und die Industrie kann sich darauf einstellen“, sagt Media Eghbal, Chef-Analystin bei Euromonitor.
Selbst den Markt für Tierfutter beeinflusst der Trend zum Alleinleben. „Single-Konsumenten sind die vermutlich stärksten Triebkräfte für das Wachstum auf dem Markt für Haustierfutter und -produkte“, sagt Trendforscherin Kasriel-Alexander. „Tiere leisten Gesellschaft.“
Rund 3,1 Milliarden Euro werden in Deutschland in diesem Jahr mit Haustierfutter umgesetzt, knapp zehn Prozent mehr als noch vor fünf Jahren. Weltweit ist der Umsatz in der Branche sogar um 22,6 Prozent gestiegen.
Der Siegeszug der kleinen Dosen
Am deutlichsten wird der Einfluss der Alleinlebenden beim Blick ins Supermarktregal. Neben der 800-Gramm-Dose mit Ravioli steht mittlerweile eine halb so große. „1 Portion“ steht in großen Buchstaben darauf. Im gleichen Fach wie die Toastbrotpackung mit 20 Scheiben liegt eine mit zehn. Produkte wie Speckwürfel und Miniwürstchen gibt es innerhalb einer Großpackung voneinander getrennt und portioniert. Käsescheiben kommen einzeln eingeschweißt.
Lebensmittelindustrie und -handel haben sich gut auf den neuen Kundentyp eingestellt, versuchen die klassischen Produkte in eine andere Verpackung zu bringen – das senkt zumindest den Müllanteil und verhindert, dass Reste schlecht werden.
Single-Einkauf ist teuer
Ihren Dienst am Single-Kunden lassen sich die Hersteller gut bezahlen. Stichprobentests haben wiederholt gezeigt, dass die Minipackungen am Ende deutlich teurer ausfallen.
Kleines Rechen-Beispiel: Wenn 500 Gramm Toast 1,29 Euro kosten, macht das einen Grundpreis von 26 Cent je 100 Gramm. Die 250-Gramm-Packung für 99 Cent kommt auf einen Grundpreis von 40 Cent.
Materialkosten, Arbeits- und Transportkosten seien genauso hoch, argumentieren Industrie und Handel. Ein paar Ravioli mehr oder weniger fallen eben nicht groß ins Gewicht. Dabei können die Händler froh sein, wenn die Alleinlebenden überhaupt noch kommen.
Die Zahl der Speisen, die Zuhause gegessen werden, nimmt kontinuierlich ab. Frühstück, Mittag- und Abendessen verlieren an Bedeutung. Gegessen wird stattdessen in aller Eile oder unterwegs. „Snacking-Trend“ nennen das etwa die Experten der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK).
Treibende Kraft dabei sind auch die Alleinlebenden. Faustregel: Wer alleine wohnt, hat weniger Lust, sich an den Herd zu stellen. Wer kocht schon ein Drei-Gänge-Menü mit dutzenden Zutaten, um es dann alleine vor dem Fernseher zu essen?
Bio-Speisen für die Mikrowelle
Auch auf diese Bewegung reagiert die Industrie. Der Anteil an Convenience-Food und Ready-to-eat-Produkten wächst ständig. Zur klassischen Tiefkühl-Pizza haben sich längst Mikrowellen-Burger und -Currywurst gesellt. Seit das Gesundheitsbewusstsein in der Bevölkerung wächst, nimmt auch die Anzahl der verzehrfertigen Salate und mikrowellentauglichen Bio-Speisen zu.
Der Wandel im Lebensmittelhandel macht nicht bei der Produktgröße und -art halt. Auch der Einkaufsort sei entscheidend, glaubt Konsumforscherin Reitmeier.
„Kleine, zentrale Supermärkte und selbst Tante-Emma-Läden werden deshalb in Zukunft stärker gefragt sein“, sagt Reitmeier. Tatsächlich haben die abseits gelegenen SB-Warenhäuser und Verbrauchermärkte bereits jetzt mit Problemen zu kämpfen. Sie verlieren Kunden und der Großeinkauf für die fünfköpfige Familie an Bedeutung.
Warum Einzelgänger in der Werbung keine Rolle spielen
Während also ganze Branchen dabei sind, ihre Produkte umzustellen, Preise wie Größen anzupassen und sich über neue Verkaufsorte Gedanken zu machen, geht der Trend zum Alleinleben an einem anderen Bereich anscheinend völlig vorbei: Obwohl er in der Überzahl ist, spielt der Ein-Personen-Haushalt im Marketing kaum eine Rolle. Abgesehen von den Filmchen und Anzeigen für diverse Erotik- und Partnerportale ist der Einzelgänger in der Werbung die Ausnahme. Da wird selbst der Single-Klassiker Tiefkühlpizza mit der Familie oder Freunden gegessen.
„Eigentlich eher unrealistisch“, findet Peter Pirck von der Markenberatung Brandmeyer. „Versuchen Sie einmal fünf Pizzen gleichzeitig in den Backofen zu schieben.“ Dass die Produkte trotzdem so präsentiert werden, habe nachvollziehbare Gründe. „Das klassische Familienbild ist in der Gesellschaft noch immer sehr viel angesehener“, sagt Pirck.
Private Haftpflicht: Günstige Versicherungen für Singles
Mann, 40 Jahre (01.06.1973), mindestens fünf Millionen Euro Deckungssumme, keine Selbstbeteiligung, mit Forderungsausfalldeckung, wenn möglich mit Gefälligkeitsschäden, jährliche Zahlweise, Schlüsselschäden mindestens 5000 Euro
Quelle: Check24
Die teuerste Versicherung im Vergleich kostete gut 120 Euro Jahresbeitrag. Die günstigste liegt dagegen nur bei 40 Euro. Im Extrem können Verbraucher also mehr als 80 Euro sparen beim günstigsten Anbieter.
Asstel
Tarif: Plus
Deckungssumme: 7.500.000 Euro
Prämie: 40,29 Euro
Besonderheiten: keine Gefälligkeitsschäden
GVO
Tarif: TOP VIT
Deckungssumme: 5.000.000 Euro
Prämie: 40,78 Euro
Bavaria Direkt
Tarif: Einfach Sicher
Deckungssumme: 5.000.000 Euro
Prämie: 41,20 Euro
WGV-Himmelblau
Tarif: Privathaftpflicht
5.000.000 Euro
41,80 Euro
Selbstbeteiligung bei Schlüsselschäden
Janitos
Tarif: Basic
Deckungssumme: 10.000.000 Euro
Prämie 42,03 Euro
Selbstbeteiligung bei Schlüsselschäden, Selbstbeteiligung bei Gefälligkeitsschäden
Zudem soll die Werbung die Produkte mit positiven Gefühlen in Verbindung bringen. Und die vermittelt eine scherzende und lachende Gruppe einfache besser als eine Person, die allein vor dem Fernseher isst.
Den Herstellern kommt dabei zu gute, dass die Single-Produkte im Prinzip für jedermann sind. Auch der Familienvater macht sich einen Burger in der Mikrowelle warm, wenn er allein zuhause ist. „Die wirklich großen Marken versuchen deshalb in der Kommunikation nicht, gezielt eine bestimmte Zielgruppe anzusprechen“, sagt Pirck. „Sie rücken die Stärken ihrer Produkte in den Vordergrund.“
Arme Singles, reiche Singles
Aktuelle Verbraucheranalysen legen zudem einen anderen Grund nahe: Mehr als die Hälfte aller Alleinlebenden hat monatlich nicht einmal 100 Euro zur freien Verfügung. Darunter fallen vor allem die Älteren mit knapper Rente.
Sie gelten ohnehin als schwierig. Denn auch wenn Reitmeiers Forschungen nahelegen, dass „Lebensumstände und jede Veränderung daran signifikant unsere Markenpräferenz beeinflussen“ und deshalb Alleinlebende gezielt für neue Produkte begeistert werden können, gelten ältere Alleinlebende noch immer als schwierige Werbekunden.
Im Klartext: Für die Singles ohne Kaufkraft, die ihre Produkte ohnehin nicht wechseln wollen, lohnt aufwendiges Marketing kaum.
Industrie und Handel konzentrieren sich deshalb vor allem auf die junge, aufstrebende und kaufkräftige Single-Kundeschaft. Allerdings nicht mehr auf traditionellem Weg. „Bei den Marketing-Bemühungen geht es weniger darum, Geld in traditionelle Print- und TV-Werbung zu stecken, sondern darum, die Single-Konsumenten über die digitalen Kanäle anzusprechen“, sagt Trendforscherin Kasriel-Alexander.
Marken vom Chips-Produzenten bis zum Mode-Hersteller sind bemüht, die Jungen über Soziale Netzwerke, Blogs und Websites auf ihren Smartphones und Computern zu erreichen. Sie lassen ihre Kunden Bilder der gekauften Produkte teilen oder über die Geschmacksrichtung des nächsten Kaffees entscheiden.
Das soll eine als wenig markentreu geltende Käufergruppe an Marke und Produkt binden. Bei einer Kundschaft, die sich immer wieder neu ausprobieren und nicht einmal an den eigenen Partner binden will, eine ziemliche Herausforderung.