Die Macht der Singles Der Trend zum Alleinsein verändert den Einkauf

Der Handel stellt sich auf eine neue Macht ein: Ein-Personen-Haushalte. Viele Geschäfte spüren die Dominanz der Alleinlebenden - nicht nur Verkäufer von Tiefkühlpizza und Dosenravioli.

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Quelle: Getty Images

Sie sind allein. Unfreiwillig oder weil sie es möchten. Und sie sind eher Norm denn Ausnahme. In ganz Westeuropa dominieren Ein-Personen-Haushalte. Allein in Deutschland liegt der Anteil laut der Gesellschaft für Konsumforschung bei 40 Prozent – und die Zahl wächst. Vor allem aus zwei Gründen.

Zum einen hat der Ring am Finger und die eigene Familie für viele junge Erwachsene nicht mehr oberste Priorität. Sie verlängern ihre Adoleszenzphase, probieren sich selbst und Neues aus. „Der klassische Life Course – Schule, Studium, Arbeit, Heirat, Rente – ist längst aufgebrochen“, sagt Martina Reitmeier, Konsumforscherin an der Technischen Universität München.

So haben sich die Haushalte in Deutschland verändert

Zugleich gibt es mehr ältere Alleinlebende, die geschieden oder getrennt leben – oder deren Partner gestorben ist. Auf beide Gruppen müssen sich die Unternehmen einstellen, neue Strategien entwickeln und ihre Produkte anpassen. Und der Wandel macht vor kaum einer Branche halt.

Das beginnt schon bei der Wohnung. „Die Immobilienlandschaft erfährt eine grundlegende Änderung“, sagt Daphne Kasriel-Alexander von Euromonitor. „Architekten müssen sich auf größere Nachfrage nach kleineren Wohnungen einstellen, während größere bestehende Gebäude für diesen Zweck angepasst werden müssen.“

Lieber arm als allein
Oder auf der Tanzfläche. Geld auszugeben, wenn der potenzielle Partner dabei ist, macht natürlich mehr Spaß. Die Onlineagentur für Partnersuche Parship hat mehrere Befragungen aus jüngerer Zeit kumuliert und kam dabei zum dem Ergebnis, dass... Quelle: rtr
... die Deutschen weit mehr für Freizeitaktivitäten ausgeben, von denen sie sich eine frische Liebe oder gar eine Beziehung erwarten, als etwa für ihre gefiederten oder haarigen Lieblinge. Diese können sich – auch wenn sie nicht wie Dackelhündin Adelaide in so betuchtem Hause wie dem Ingrid Steegers leben – in Deutschland wahrlich nicht über zu geringe Pflegeausgaben beschweren: Laut dem Zentralverband Zoologischer Fachbetriebe gaben die Deutschen 2011 rund 3,7 Milliarden Euro für Tiernahrung und -pflege aus. Um zu Kontakten, für ein paar Schmetterlinge im Bauch, sollen die deutschen Singles 2012 laut Parship jedoch sogar 4,3 Milliarden Euro investiert haben. Das wäre auch mehr, als... Quelle: dpa
...als sie im Jahr für Muskeltraining oder Yoga-Kurse in Fitnessstudios auf den Tisch legten. Der Arbeitgeberverband deutscher Fitness- und Gesundheits-Anlagen DSSV e.V. gab für die Branche einen Bruttoumsatz von 3,9 Milliarden in 2011 an. Der Vergleich, den Parship anstellt, ist mit etwas Vorsicht zu genießen. Zur Methode: Von den repräsentativ ausgewählten, 800 befragten Singles waren nicht alle auf Partnersuche. Nur die Antworten dieser knapp 570 Singles wurden schließlich jedoch in die Studie einbezogen, wobei nicht klar ist, ob die Repräsentativität dabei gewahrt blieb . Die suchenden Singles befragte die Agentur zu ihren Ausgaben in zehn Kategorien wie Ausgehen, Zeitungsannoncen oder Kulturausgaben, die explizit mit der Suche nach einem Partner bei der jeweiligen Aktivität verbunden waren. Diese Summen rechnete Parship dann auf alle Singles in Deutschland hoch, die Partnerplattform kalkuliert mit etwa 10 Millionen Singles, die aktiv auf Partnersuche sind. Sie sollen insgesamt die 4,3 Milliarden Euro ausgegeben haben. Dies im Hinterkopf ist aber durchaus interessant, wo die befragten Singles nach Partnern suchten, und was ihnen das wert war. Jeder zehnte Suchende gab über 1.000 Euro im Jahr aus, besonders engagierte Flirter investierten sogar bis zu 7.000 Euro. Die wenigsten hoffen offenbar... Quelle: obs
...beim SMS-Flirt oder am Telefon dem ersehnten Partner näher zu kommen. Darauf entfiel nur knapp ein Prozent der gesamten Ausgaben der Befragten. Ein wenig mehr war den Singles... Quelle: dpa
... Partnervermittlung außerhalb des Internets wert. Während sich jedoch im asiatischen Raum ein wahrer Markt mit so genannten Heiratstickets – etwa hier von der südkoreanischen Agentur Sunoo – gebildet hat, die Ticketbesitzern eine baldige Ehe versprechen, lassen die deutschen Singles in diesem Bereich ebenfalls nur etwa ein Prozent ihrer Gesamtausgaben für die Partnersuche. Quelle: AP
Auf Rang sieben liegen Ratgeber, gefolgt von... Quelle: dpa
......dem Klassiker, den Annoncen in Zeitungen, und anderen Formen der Kontaktanzeige. Da gibt es mittlerweile einige interessante Formate auch in der analogen Welt, etwa so genannte Single-Bretter: Dort mieten Singles Regalwände im öffentlichen Raum an, um auf andere Kunden zu treffen, wenn sie ihre Gegenstände abholen oder hinbringen. Die Gegenstände sagen im Idealfall auch etwas über die eigene Persönlichkeit und den gesuchten Partner aus. Charmante Idee, dennoch legen die meisten Singles ihre Hoffnung nicht in ein Regal oder andere Annoncen – auch darauf entfielen laut Parship 2012 nur etwas über 430.000 Euro.

Das gilt vor allem für Großstädte. Dort ist die Zahl der Singles besonders hoch. Egal ob in London, Tokio, München oder Hamburg: Die Nachfrage nach kleinen Apartment wächst stetig, ebenso wie der Preis.

In den großen Metropolen der Welt geht der Trend von der Kleinwohnung zum Micro-Apartment. Mitten in Manhatten soll ein Hochhaus voll mit Wohnungen in der Größe zwischen 23 und 35 Quadratmeter entstehen. Nicht für Studenten - sondern für Angestellte und Arbeiter mit festem Einkommen.

Boom beim Tierfutter

Klar ist auch: Die Größe der Wohnung verändert die der Möbel. Massiv und wuchtig ist out, das hat die Industrie erkannt. Moderne Möbel sind platzsparend – und multifunktional. Im Laden gibt es kaum ein Sofa, das sich nicht zum Bett ausklappen oder umbauen lässt.

Kleider verschwinden im Wandschrank, Computer und Fernseher hinter den Schiebetüren von Regalen und Kommoden. „Alleinlebende sind mehr an Kommunikation und Unterhaltung interessiert und die Industrie kann sich darauf einstellen“, sagt Media Eghbal, Chef-Analystin bei Euromonitor.

Selbst den Markt für Tierfutter beeinflusst der Trend zum Alleinleben. „Single-Konsumenten sind die vermutlich stärksten Triebkräfte für das Wachstum auf dem Markt für Haustierfutter und -produkte“, sagt Trendforscherin Kasriel-Alexander. „Tiere leisten Gesellschaft.“

Rund 3,1 Milliarden Euro werden in Deutschland in diesem Jahr mit Haustierfutter umgesetzt, knapp zehn Prozent mehr als noch vor fünf Jahren. Weltweit ist der Umsatz in der Branche sogar um 22,6 Prozent gestiegen.

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