Die Wahrheit über dm Hier bin ich Mensch, hier kauf ich ein – aber warum?

Nach der Schlecker-Pleite hängt die Karlsruher Drogeriekette alle Rivalen ab und schiebt sich an die Branchenspitze. Die ARD widmet sich im Markencheck der Frage, warum dm so erfolgreich ist – und auf wessen Kosten.

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Innenansicht einer Filiale der Drogerie-Kette

Die Drogeriekette dm ist der Branchenprimus in Deutschland, der Drogerist, der mit den beliebtesten Eigenmarken aus jedem Quadratmeter Ladenfläche mehr rausholt als die Konkurrenz, und auch der Ruf ist besser als der der anderen: Viele kaufen dort, weil sie glauben, dass nicht nur die Qualität stimmt, sondern auch Mitarbeiter und Umwelt vor Rendite gehen.

Aber ist das das Erfolgsgeheimnis oder geht dm mit besonderen Tricks auf Kundenfang? Und was ist mit dem Preis und der Fairness? Das hat die ARD am Montagabend in der Wirtschaftsdokumentation „Markencheck“ geprüft und dabei so manches Geheimnis des Marktführers gelüftet.

Check 1: Wie funktioniert der Kundenfang? Los geht es in einer Turnhalle in Leverkusen, wo die Autoren der Doku die Sporttaschen der Teilnehmerinnen eines Fitness-Kurses unter die Lupe nehmen. Natürlich horten die Frauen dort dm-Produkte soweit das Auge reicht. Auch als die Reporter eine Kundin nach Hause begleiten, finden sie hinter jeder Tür ein Produkt, das bei dm gekauft wurde.

Ein anderes Team fängt in Köln vor einer dm-, einer Schlecker- und einer Rossmann-Filiale Kunden ab und fragt sie danach, ob sie immer dort oder auch woanders einkaufen. Das Ergebnis fällt wenig überraschend aus: Während nur sechs Prozent der Befragten angeben, regelmäßig bei Schlecker einzukaufen und 25 Prozent der Kundinnen immer wieder bei Rossmann landen, halten gut 48 Prozent der Kunden dem Branchenprimus die Treue.

Ein Wirtschaftspsychologe kennt den Grund: Die Läden bei dm sind hell und freundlich gestaltet, statt Gedränge gibt es breite Gänge. So breit, dass dort mühelos ein Einkaufs- und ein Kinderwagen aneinander vorbei fahren können. Außerdem sind die Regale in den Filialen besonders niedrig und stehen, anders als bei der Konkurrenz, schräg, was vor allem das Manövrieren mit dem Einkaufs- oder Kinderwagen einfacher macht und einen besseren Blick auf die Produkte ermöglicht. Kurz: Im Grunde macht dm all das richtig, was Schlecker falsch machte.

Ist dm billiger?

Um zu veranschaulichen, wie sehr die Marke dm die Konsumenten beeinflusst, stellen die Dokumentarfilmer 30 Probanden auf die Probe: Sie zeigen ihnen dabei immer das gleiche Markenprodukt, blenden dazu aber jeweils ein anderes Händlerlogo ein. Die Frage dabei: Beurteilen Sie die Qualität das Produktes. Fazit: Konsumenten attestieren demjenigen Produkt die beste Qualität, zu dem das dm-Logo eingeblendet wurde.

Check 2: Thema Preis. Rossmann und Schlecker werben mit Sonderangeboten, dm mit dem Dauertiefpreis - was ist am Ende günstiger? Dazu schickt die ARD mit einer Eyetracking-Brille ausgestattete Probanden in ausgewählte Drogeriemärkte in Köln. Im Fokus steht dabei die Preiswahrnehmung in der Filiale. Das Ergebnis: Während der Blick bei Schlecker und Rossmann sofort auf die Preisinformation fällt (auch wegen den vielen Rabattaktionen), steht bei dm das Produkt im Fokus der Wahrnehmung.

Was Marken erfolgreich macht

Und dann kommt die Stelle, an der die TV-Doku tatsächlich zwei überraschende Ergebnisse zu Tage fördert. Denn: Die Autoren gehen dem Dauerniedrigpreissystem, mit dem dm gerne hausieren geht, auf die Spur. Dabei zeigt sich zum einen, dass ein mehr oder weniger repräsentativ zusammengestellter Warenkorb ohne Rabattprodukte bei dm am billigsten ist, der Konzern aber dann schlechter abschneidet, wenn Schlecker- und Rossmann-Aktionsware berücksichtigt wird.

Überraschender aber ist die Tatsache, dass die dm-Dauerpreise nicht nur von Stadt zu Stadt variieren, sondern auch innerhalb einer Stadt in dm-Filialen Preisunterschiede von 30 Prozent auftreten können. Der sichtlich ertappt wirkende dm-Gründer Götz Werner kommentiert dazu in einer Stellungnahme lediglich: „Ja, ja, ja, stimmt, ja, gut beobachtet! Das ist wahr. Aber als Kunde laufen Sie ja nicht von einem dm zu anderen und vergleichen.“ Fazit Preis-Check: Der Preisvorteil bei dm wird überschätzt.

Check 3: Hält die Eigenmarke Balea, was sie verspricht? Wieder werden die Sportlerinnen aus Leverkusen um ihr Urteil gebeten. Sie erhalten nach dem Training jeweils ein Marken- und ein Balea-Pflegeprodukt in einem neutralen Behälter, das sie eine Woche lang testen sollen, um sich anschließend für ihren Favoriten zu entscheiden. Am Ende erfährt der Zuschauer, dass sich die Probanden bei der „Blindverkostung“ überraschenderweise durchweg für ein Markenprodukt entscheiden. Lediglich bei einem Spülmittel geht dm als klarer Sieger hervor.

Näherinnen aus Bangladesh

Gleichzeitig wird in einem Labor in Münster überprüft, ob die Balea-Cremes halten, was sie versprechen. Die „Überraschung“ hier kann selbst die Probandin schon vorher erahnen, die zunächst noch erzählt, dass in ihrer Beauty-Welt bislang eigentlich immer der Preis mit der Qualität korreliert hat. Aber siehe da: Am Ende gewinnt die günstige Eigenmarke von dm, was selbst die Expertin aus dem Labor dann so kommentiert: „Es ist nicht selten, dass ein billiges Produkt in der Qualität besser abschneidet oder mindestens genauso gut ist wie ein teures.“ Fazit: Die Qualität ist bei dm schon ganz ordentlich.

Was Kunden an dm schätzen

In bewährter ARD-Markencheck-Manier widmet sich die Doku am Ende dann auch mit dem Thema Fairness einem heißen Eisen. Und zwar am Beispiel von Palmöl, das auch in dm-Produkten steckt. In Indonesien hat das Autorenteam Dorfbewohner getroffen, die beschreiben, wie sie von großen Palmölkonzernen vertrieben wurden. Sie zeigen dem Kamerateam ihre Schusswunden und mit Handykameras gefilmte Aufnahmen von ihren zerstörten Hütten, die neuen Plantagen weichen mussten.

Die Reporter treffen auch junge Näherinnen aus Bangladesh, die in einer Fabrik unter fragwürdigen Arbeitsbedingungen Kleidung für Zulieferer von dm herstellen. Die ARD-Autoren kommen zu dem Fazit, dass entgegen der anthroposophischen Unternehmensphilosophie wohl doch auch Rendite vor Fairness geht.

11.000 Kilometer entfernt muss dm-Chef Erich Harsch bei der Konfrontation mit den Ergebnissen der Recherche vor laufender Kamera passen. „Eine direkte Rückverfolgbarkeit ist derzeit nicht möglich“, gesteht Harsch ein und weist ebenso wie dm-Gründer und Aufsichtsrat Götz Werner, der gerne moralische Werte vorlebt und mit der Forderung vom garantierten und bedingungslosen Grundeinkommen, das eine menschenwürdige Existenz sichern soll, von sich reden macht, die Verantwortung von sich. „Wir sind ja nicht die einzigen, die das tun“, rechtfertigen sich die beiden.

Und der Rivale Schlecker?

Immerhin: Man werde sinnvolle Alternativen erforschen und erschließen. Aber: „Das geht sicher nicht von heute auf morgen.“ Fazit: Die Fairness ist ausbaufähig, auch wenn sich bei dm – auch das ein Ergebnis der Recherche - in einem Maße um das Wohlergehen der eigenen Mitarbeiter gekümmert wird, wie es schon einzigartig für die Branche ist.

Und der Rivale Schlecker? Das einstige Drogerieimperium liegt heute in Trümmern und die Gründerkinder Lars und Meike Schlecker kämpfen um ihr Erbe, während der Insolvenzverwalter die Filialzahl auf der Suche nach Investoren eindampft und Tausende Beschäftige entlässt. Auch eine neue Strategie und der Filialumbau, der 2011 auf den Weg gebracht wurde, konnten nicht mehr viel retten und ändern nichts daran, dass das Gros der deutschen Schlecker-Filialen noch immer in einer kläglichen Verfassung ist.

Warum Aldi billig ist

Der Wormser Handelsexperte Jörg Funder beschreibt Schlecker in einem Gespräch mit der Wirtschaftswoche als ein „Hart-Discount-Konzept an geringwertigen Standorten“ und meint damit verwinkelte Filialen, in denen oft eine einzelne Verkäuferin den ganzen Laden schmeißt. In der Kundengunst rangiert Schlecker aber nicht nur wegen des Ladenflairs weit hinter dm und Rossmann – auch gegen Anton Schlecker richtete sich der Zorn, der vielen als Prototyp des bösen Kapitalisten galt und mit Niedriglöhnen und Ausbeutung Schlagzeilen machte. Damit hat sich der Konzern den Namen auf Jahre, wenn nicht für immer, versaut.

Die Markenchecks sind ein relativ neues und erfolgreiches Format der ARD, das schon im vergangenen Jahr „populäre Konsummarken“ auf den Prüfstand stellte und dem Sender damit zur Montags-Primetime um 20.15 Uhr appetitliche Markteinteile beschert; mit 6,3 Millionen Zuschauern insgesamt und selbst bei den 14- bis 49-Jährigen starken 17,0 Prozent Marktanteil übertraf der Lidl-Check im Januar alle Erwartungen der Experten.

Schleckers Aufstieg und Fall

Den Coca-Cola-Check vor einer Woche verfolgten 3,3 Millionen Zuschauer. Er war Auftakt zur zweiten Staffel, die am 21. Mai mit einem 45-Minüter über Adidas abschließt. Auch die Folgen über Lidl, Mc Donald’s und H&M holten gute Quoten. Im vergangenen Jahr standen Tchibo, Ikea, Ferrero, Aral und Aldi im Fokus.

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