Herr Fassnacht, die Drogeriemarktkette dm hat gerade die Zahncrememarke Dentagard aus ihren Regalen verbannt. Stattdessen hat der Händler Schilder aufgestellt: „Gleicher Preis bei weniger Inhalt: Da streiken wir! dm.“ Warum stellt dm den Hersteller so an den Pranger?
Die Packungsgröße zu verkleinern und den Preis gleich zu lassen, ist ein Uralt-Trick der Hersteller. Statt später bei den Kunden selbst als Preistreiber dazustehen, geht dm lieber gleich in die Offensive und macht den Konflikt mit dem Hersteller publik. Der Vorteil für dm: Das Unternehmen kann sein Image als ehrlicher, preiswerter und kundenorientierter Händler betonen – und nebenher auf die Eigenmarke hinweisen.
Zur Person
Professor Dr. Martin Fassnacht ist Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Marketing und Handel an der WHU – Otto Beisheim School of Management.
Gleichzeitig riskiert dm Ärger mit dem Dentagard-Hersteller Colgate-Palmolive.
Richtig, damit hat dm schon eine deutliches Signal an die Industrie gesendet. Früher hätten vielleicht Verbraucherschutzorganisationen wie Foodwatch darauf hingewiesen, dass ein Hersteller das Preis-Leistungsverhältnis verschlechtern will, aber doch nicht der Händler. Auseinandersetzungen fanden hinter verschlossen Türen statt. Die Folge: Wenn bei Jahresgesprächen um Preise und Lieferkonditionen die Fetzen flogen, hat das kaum ein Konsument mitbekommen. Das ändert sich gerade. Das zeigt übrigens nicht nur der Konflikt zwischen dm und Colgate.
Welche anderen Auseinandersetzungen gibt es?
Zuletzt sorgte der SB-Warenhausbetreiber Real für Schlagzeilen. Nach einem Streit über Lieferkonditionen hatten zahlreiche Markenhersteller die Belieferung eingestellt. Auch zwischen Lidl und CocaCola und zwischen Edeka und Beiersdorf soll es laut Presseberichten Auseinandersetzungen gegeben haben. Das sind zwar alles Einzelfälle, aber der Ton zwischen Handel und Industrie ist in den vergangenen Jahren deutlich rauer geworden.
Woran liegt das?
Ich sehe eine Reihe von Gründen, die dazu beitragen, eine Konfrontationshaltung zwischen Handel und Industrie zu erzeugen, die eigentlich gar nicht nötig ist. Zum einen sind die Händler selbstbewusster geworden – selbst gegenüber internationalen Markenherstellern. Der deutsche Lebensmittelmarkt konzentriert sich auf wenige große Händler, die mit ihrer geballten Nachfragemacht erheblichen Druck auf die Hersteller ausüben können. Gleichzeitig ist der Wettbewerb zwischen den Handelsunternehmen weiter gestiegen – die Konzerne schenken sich nichts und verhandeln entsprechend hart mit ihren Lieferanten. Zusätzlich spielt eine Entwicklung mit hinein, die man als „Aldi-Effekt“ umschreiben könnte.
Die erfolgreichsten Handelsmarken in Deutschland
Platz 10: eBay. Die Auktionsplattform kann in Deutschland noch nicht in die Spitze der Handelsmarken vordringen. Mit 79,3 Punkten reicht es gerade einmal für den Sprung in die Top Ten.
Platz 9: Kaufland. Gut und billig muss nicht immer spitze sein. 79,4 Punkte für die Einzelhandelskette.
Platz 8: Müller. Die Drogeriekette kommt auf 79,8 Punkte im Index.
Platz 7: Globus. 79,9 Punkte für die Warenhauskette.
Platz 5: Thalia. Bücher sind nach wie vor gefragt bei Kunden, Büchereien mit großer Auswahl besonders beliebt. Thalia verdient sich einen Indexwert von 80,3.
Platz 5: Douglas. Die Drogeriekette erreicht einen Wert von 80,4.
Platz 4: Rossmann. Nicht ganz so erfolgreich wie dm, aber auch die Drogeriemarktkette aus Hannover hat eine gewichtige Stellung bei Verbrauchern - der Indexwert von 80,8 bestätigt das.
Platz 3: Breuninger. Die Überraschung der Studie. Die auf Textilien spezialisierte Warenhauskette punktete mit ihrer Kundenzufriedenheit und machte im Vergleich zum Vorjahr 29 Plätze in dem Ranking gut. Indexwert: 80,8
Platz 2: Amazon. Der Versandhändler hat in dem Ranking wieder zugelegt, kommt auf einen Index-Wert von 85,0. Von dem Negativimage in der Vergangenheit ist offenbar nicht mehr viel zu spüren.
Platz 1: dm. Die erfolgreichste Marke im deutschen Einzelhandel bezeichnen die Marktforscher als „Paradebeispiel für ein nachhaltiges und kontinuierlich verbessertes Leistungsversprechen“. Der Spitzenwert von 86,5 steht Pate dafür.
Was meinen Sie damit?
Aldi nimmt sowohl bei Lebensmitteln als auch bei Drogerieartikeln seit geraumer Zeit immer mehr Markenprodukte ins Sortiment auf. Das sorgt bei den klassischen Supermärkten und Discountern aber auch bei den Drogerieketten für Nervosität. Einzelne Wettbewerber reagieren mit Preisaktionen und verkaufen Markenprodukte zu besonders günstigen Preisen. Andere Konkurrenten versuchen mit den Herstellern nach zu verhandeln, um im Preiswettbewerb mit Aldi bestehen zu können. All das sorgt für zusätzlichen Zündstoff zwischen Handel und Industrie.
Im Herbst starten bei vielen Händlern die so genannten Jahresgespräche, bei denen die Preise und Lieferkonditionen mit den Herstellern neu verhandelt werden. Was erwarten Sie in diesem Jahr?
dm war womöglich nur der Anfang: Es wird ein heißer Herbst.