Die jüngste Expansion des Karlsruher Drogerieunternehmens dm erfolgte unfreiwillig: In einem Shoppingcenter in der nordostchinesischen Stadt Shenyang tauchte im September eine dm-Filiale auf und sorgte selbst in der Unternehmensspitze in Karlsruhe für Verwunderung: "Wir betreiben keine dm-Märkte in China“, sagte dm-Chef Erich Harsch damals der WirtschaftsWoche.
Der vermeintliche Auslandsshop war schlicht eine dreiste Kopie. Der WirtschaftsWoche-Bericht über die Filialfälschung sorgte weltweit für Aufsehen – und selbst in China für Diskussionen. In der Folge gaben die chinesischen Imitatoren ihre Filialpläne wieder auf.
Doch auch ohne China-Shop lohnt ein Blick auf das Auslandsgeschäft des deutschen Drogerie-Primus' dm und seines engsten Verfolgers Rossmann. Denn ähnlich wie die Lebensmitteldiscounter Aldi und Lidl sind die beiden Drogerie-Rivalen in den vergangenen Jahren jenseits der deutschen Grenzen kräftig gewachsen. Damit trägt auch das Auslandsgeschäft dazu bei, dass der Siegeszug der Drogisten weitergeht und die Unternehmen in schöner Regelmäßigkeit neue Bilanzrekorde verkünden können.
Die größten Drogerieketten in Deutschland
Budnikowsky (Budni)
Umsatz (2013/2014): 0,5 Mrd. Euro
Filialen: 180
Quelle: Schätzungen der 'Lebensmittelzeitung'
Müller
Umsatz (2013/2014): 2,8 Mrd. Euro
Filialen: 503
Quelle: Schätzungen der 'Lebensmittelzeitung'
Rossmann
Umsatz (2013/2014): 5,0 Mrd. Euro
Filialen: 1824
Quelle: Unternehmensangaben
dm
Umsatz (2013/2014): 6,4 Mrd. Euro
Filialen: 1.622
Quelle: Unternehmensangaben
Beim badischen Shampoo- und Seifenkönig dm war es diesen Donnerstag wieder so weit: dm-Chef Harsch sprach vom „bisher erfolgreichsten Geschäftsjahr“. In den 3224 dm-Märkten setzte das Unternehmen 2014/15 rund 9,1 Milliarden Euro um. Mehr als 20 Prozent zum Gesamtumsatz hat das internationale Geschäft 2014/15 beigesteuert. Erstmals konnten die Karlsruher im Ausland sogar die Marke von zwei Milliarden Euro Umsatz knacken. Damit hat sich der internationale Umsatz seit 2009/10 um exakt 500 Millionen Euro erhöht. Die Zahl der ausländischen Filialen stieg in dem Zeitraum von 1166 auf 1480.
Wachstumspotenzial
Mittlerweile ist dm neben dem deutschen Heimatmarkt in elf Ländern - vor allem in Ost- und Südosteuropa - aktiv, darunter Ungarn, Tschechien und Kroatien. Die südlichsten Filialen hat dm seit 2012 in Mazedonien eröffnet. Der wichtigste Auslandsmarkt ist zugleich auch der älteste.
Deutsche Drogeristen in Europa
Die Karte zeigt die Vebreitung der Drogeristen dm, Rossmann und Müller in Europa
Daten: Unternehmen // Stand: Anfang 2015
Seit 1976 ist dm in Österreich präsent und betreibt dort 388 Filialen. Damit gebe es in der Alpenrepublik zwar nur noch relativ wenig Potenzial für zusätzliche Filialen, räumte dm-Logistikgeschäftsführer Christian Bodi ein. Doch in anderen Ländern sehe das anders aus. Wohl auch deshalb will dm zunächst keine neuen Länder erobern, sondern das bestehende Netz verdichten und im Kernmarkt Deutschland weiter zulegen. Dort sieht Bodi trotz der Filialzuwächse in den vergangenen Jahren nach wie vor „erhebliches Wachstumspotenzial“.
Allerdings ist der Heimatmarkt hart umkämpft. Die Preisschlachten der Discounter erfassen auch die Drogisten im Inland. Einige Wettbewerber hätten den Blick der Kunden durch Sonderangebote stark auf "lockende temporäre Preissenkungen" gelenkt, sagt dm-Chef Harsch dazu. Die Folge: Auch dm setzte zuletzt den Rotstift an und verbilligte mehr als 800 Produkte. Das Signal ist klar: Die Karlsruher wollen beim Preis das Maß aller Dinge bleiben.
Dynamischer als dm
Allein, die Konkurrenz zieht nach. Vor allem Rossmann bietet dm Paroli und setzt im In- und Ausland ebenfalls auf Expansion. Bereits jetzt steuert das Auslandsgeschäft mit 1,85 Milliarden Euro rund ein Viertel zum Konzernumsatz (7,23 Milliarden in 2014) bei – Tendenz steigend. Mit einem Umsatzplus von 56 Prozent zwischen 2010 und 2014 ist das Wachstum sogar genauso stark wie auf dem Heimatmarkt und damit dynamischer als das von dm.
Vom Unternehmenssitz in Burgwedel aus hat Chef Dirk Roßmann eigenständige Ableger in Albanien, der Türkei, Ungarn und Tschechien aus der Taufe gehoben. In den beiden letztgenannten Ländern ist auch dm auf Kundenfang. Seinen Wachstumsmarkt Nummer 1 aber hat Rossmann für sich allein: Polen. Von den aktuell rund 1500 Rossmann-Filialen im Ausland stehen etwa 1150 im Land östlich der Oder.
Und die Drogeriekette forciert die Expansion: Etwa 150 polnische Geschäftsstellen sind allein in vergangenen zehn Monaten hinzugekommen. Nirgends auf der Welt ist eine deutsche Drogeriekette außerhalb der Bundesrepublik stärker präsent, wie ein Blick auf die Europakarte zeigt.
„In Polen ist Rossmann Marktführer und baut diese Stellung weiter aus. Grenzen des Wachstums sind hier noch nicht in Sicht“, so ein Unternehmenssprecher. Das deutsche Drogeriewesen kommt an, denn am Kern-Konzept hat Rossmann nichts geändert. Die Läden sehen aus wie in Deutschland. Der Wechsel aus Markenprodukten und meist preisgünstigeren Eigenmarken bestimmt die Regale. In einigen Testmärkten geht der Konzern mittlerweile andere Wege, versucht sich an Ladenmodellen mit Kosmetikberatung und Gastronomie.
Doch nicht überall läuft die Expansion so glatt. 2010 wagte Rossmann den Sprung in die Türkei. Bislang bleibt der wirtschaftliche Erfolg aus, der Kundenstrom ebenso. Die gut 30 Märkte in der Region haben der Drogerie-Kette im vergangenen Geschäftsjahr ein Minus von 5,5 Millionen Euro eingebrockt.
Die erfolgreichsten Handelsmarken in Deutschland
Platz 10: eBay. Die Auktionsplattform kann in Deutschland noch nicht in die Spitze der Handelsmarken vordringen. Mit 79,3 Punkten reicht es gerade einmal für den Sprung in die Top Ten.
Platz 9: Kaufland. Gut und billig muss nicht immer spitze sein. 79,4 Punkte für die Einzelhandelskette.
Platz 8: Müller. Die Drogeriekette kommt auf 79,8 Punkte im Index.
Platz 7: Globus. 79,9 Punkte für die Warenhauskette.
Platz 5: Thalia. Bücher sind nach wie vor gefragt bei Kunden, Büchereien mit großer Auswahl besonders beliebt. Thalia verdient sich einen Indexwert von 80,3.
Platz 5: Douglas. Die Drogeriekette erreicht einen Wert von 80,4.
Platz 4: Rossmann. Nicht ganz so erfolgreich wie dm, aber auch die Drogeriemarktkette aus Hannover hat eine gewichtige Stellung bei Verbrauchern - der Indexwert von 80,8 bestätigt das.
Platz 3: Breuninger. Die Überraschung der Studie. Die auf Textilien spezialisierte Warenhauskette punktete mit ihrer Kundenzufriedenheit und machte im Vergleich zum Vorjahr 29 Plätze in dem Ranking gut. Indexwert: 80,8
Platz 2: Amazon. Der Versandhändler hat in dem Ranking wieder zugelegt, kommt auf einen Index-Wert von 85,0. Von dem Negativimage in der Vergangenheit ist offenbar nicht mehr viel zu spüren.
Platz 1: dm. Die erfolgreichste Marke im deutschen Einzelhandel bezeichnen die Marktforscher als „Paradebeispiel für ein nachhaltiges und kontinuierlich verbessertes Leistungsversprechen“. Der Spitzenwert von 86,5 steht Pate dafür.
Entsprechend vorsichtig zeigt sich Konzern bei weiteren Experimenten. „Eine Expansion in weitere Länder ist nicht geplant“, heißt es aus dem Unternehmen. Rossmann sei voll und ganz mit der Auslandsgesellschaft in der Türkei beschäftigt. Die anderen Gesellschaften würden aber weiter expandieren – „allerdings deutlich zurückhaltender als die polnische Tochter.“
Zurückhaltend bei den Auslandgeschäften ist auch Deutschlands dritte Drogerie-Kette: Müller ist außerhalb von Deutschland zwar in sechs europäischen Staaten vertreten, aber nur mit einer kleinen Zahl an Filialen - auf der Ballermann-Insel Mallorca zum Beispiel.
Expansion ins Neuland
Besonders schwer tun sich die Drogerie-Giganten derweil mit der Expansion ins Neuland. Das Internetgeschäft läuft mau. Rossmann, seit 16 Jahren im Online-Handel aktiv, hat bislang ausschließlich Verlust gemacht - allein in 2014 eine Million Euro. Der Jahresumsatz im E-Commerce stagnierte zuletzt bei 28 Millionen.
Dm ist erst im Juni 2015 nach langem Zögern überhaupt ins Online-Geschäft eingestiegen. Wie es wirtschaftlich läuft, sagt die Drogeriekette nicht: Man befinde sich schließlich noch in der Startphase.
Im Online-Handel mit Drogeriegütern Geld zu verdienen gilt als extrem schwierig: Die Gewinnspanne bei Duschgel und Toilettenpapier ist gering. Was in der Masse im stationären Handel noch gutes Geld bringt, wird Online zum Verlustbringer, weil unter anderem zusätzlicher Logistik-Aufwand anfällt.
Dm versucht den Mehraufwand durch eine Liefergebühr von 4,95 Euro abzufedern, die jeder Kunde zahlen muss. "Wir werden das Onlinegeschäft nicht über das stationäre Geschäft subventionieren", hatte dm-Chef Harsch im Frühjahr erklärt. Unsicher ist, ob die preissensiblen Deutschen das mitmachen.
Bislang ist der Verkauf von Drogerieartikeln im Netz ohnehin ein Nischengeschäft. Nur 1,2 Prozent der Kategorie wird bislang laut den Konsumforschern von der GfK online abgesetzt. Doch die Konkurrenz im Netz wächst.
So sorgte Versandgigant Amazon zuletzt mit dem Start von Pantry für Aufsehen. Für Fünf Euro liefert der US-Händler nun auch in Deutschland spezielle Pakete mit Lebensmitteln und Drogerieartikeln an seine Kunden aus. Der Exportschlager Drogerie-Markt könnte bei der Expansion ins Internet den Anschluss verlieren.