Drogeriemark-Riese Dirk Roßmann - Milliardär mit Prinzipien

Kein Lear-Jet, kein Rolls-Royce, keine Eskapaden. Dirk Roßmann ist einer der reichsten Menschen der Welt. Ein Milliardär, der gerne Steuern zahlt. Nur bei einem Thema versteht er überhaupt keinen Spaß.

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Dirk Roßmann steht auf der Forbes-Liste der reichsten Menschen der Welt. Seine Drogeriekette

Auf Platz 627 zwischen dem amerikanischen Immobilienentwickler Alfred Taubmann und dem ägyptischen Telekommunikations-Magnat Naguib Sawiris taucht das Bild von Dirk Roßmann auf. Dabei steht: drugstore chain, Germany und eine Zahl: $ 2,8 B. 2,8 billions US-Dollar - also gut zwei Milliarden Euro machen Dirk Roßmann, 67 Jahre, Gründer und Geschäftsführer der Drogeriemarktkette Rossmann, laut aktueller Forbes-Liste zu einem der reichsten Männer der Welt. "Das ist natürlich ein rein rechnerischer Wert", erklärte er kürzlich in der ARD Polit-Talk-Show "Hart, aber fair", "das Geld liegt ja nicht so bei mir auf dem Konto."

Roßmann hat ein Imperium geschaffen. Exakt 1842 Rossmann-Märkte - die Kette schreibt sich im Gegensatz zum Familiennamen mit "ss" statt mit "ß" - gibt es in Deutschland, über 3000 in ganz Europa. Zum sechzehnten Mal in Folge ist das Unternehmen in diesem Jahr gewachsen, erzählt Roßmann auf der heutigen Bilanz-Pressekonferenz. Natürlich macht ihn das zufrieden. Aber zu tun gibt es trotz der hervorragenden Entwicklung immer etwas. Im vorigen Jahr hat die Kette begonnen das Konzept seiner Märkte zu verändern. Die neuen Filialen wie etwa die im Forum Herrenhäuser Markt in Hannover, der Heimatstadt der Roßmanns, sind größer und haben ein viel breiteres Sortiment - Spiel- und Schreibwaren, Zeitschriften, Bücher, mehr Haushaltswaren, aber auch Wein. "Das läuft phantastisch", begeistert sich Roßmann. Angst, dass das immer warenhausähnliche Angebot die Drogerie-Marke verwässert, hat er nicht. „Das breite Sortiment ist sicher ambitioniert, aber der Erfolg widerlegt die Bedenken.“

Rossmann auf einen Blick

Im letzten Jahr ist Rossmann um 11,6 Prozent gewachsen. Dieses Jahr will er die sieben Milliarden-Euro-Grenze beim Umsatz knacken, rechnet allerdings "nur noch" mit rund acht Prozent Wachstum. Schon das zweite Halbjahr 2013 sei schwächer gewesen. Aldi hatte einen Deal mit Beiersdorf abgeschlossen und Nivea ins Sortiment aufgenommen. Wenn Deutschlands größter Discounter, Deutschlands beliebteste Creme in die Regale nimmt, macht sich das beim Drogeristen bemerkbar. Die Lebensmittelmärkte wollen alle ein Stück vom Kuchen abhaben. Netto nimmt ebenfalls immer mehr Cremes, Shampoo und Kosmetik ins Programm auf. "2014 wird schwieriger werden", stellt Roßmann fest. Wie immer bleibt er dabei ruhig. Viel erschüttern kann den Vater zweier Söhne, Daniel und Raoul, die wie auch Ehefrau Alice Schardt-Roßmann im Unternehmen arbeiten, offenbar nicht.

Die eine Million Euro Verlust, die das Online-Geschäft im letzten Jahr eingefahren hat, nimmt er gelassen. "Das betrachten wir als Beitrag zu Forschung und Entwicklung. Wer weiß, ob sich das in ein paar Jahren auszahlt.“ Im Moment wisse er allerdings nicht, wie man mit Online Geld verdienen soll. "Wenn jemand eine Paket Windeln oder eine Packung Klopapier online bestellt, verlieren wir Geld." Der Versand von großvolumigen Produkten ist teuer, die Marge bei Windeln und vielen anderen Drogerieartikeln gering. "Im Grunde müsste man für online-bestellte Waren Gebühren oder höhere Preise verlangen", sagt Roßmann. Der Shop soll aber weiterlaufen und ausgebaut werden.

"Ich bin gar nicht so ambitioniert"

Roßmann ist Manager mit Augenmaß. "Andere wären vielleicht schon in 30 Ländern. Das möchte ich gar nicht. Wir sind Marktführer in Polen, wir haben mehr als 3000 Läden in ganz Europa. Da ist genug Power drin.“ Er sei "gar nicht so ambitioniert" sagt er. Das wirkt aus dem Munde des Selfmade-Milliardärs eigenartig, aber authentisch. Im Gegensatz zu Anton Schlecker hat Roßmann die Expansion niemals so stark forciert. Mit Polen, Tschechien, Ungarn, Albanien und der Türkei reicht es erstmal. Weitere Märkte sind nicht geplant. In China käme man sich mit Anteilseigner A.S. Watson die Quere. Die Chinesen halten 40 Prozent an Rossmann und haben eigene Drogeriemärke.

Russland? "Ich würde nie in ein Land gehen, in dem es keine Rechtssicherheit gibt. Auf solche Risiken habe ich keine Lust", sagt er bestimmt, das sei ganz unabhängig von der aktuellen Lage. Mit den Märkten in der Türkei haben die Brüder Roßmann, die das operative Geschäft bereits fest im Griff haben, derzeit genug zu tun. Die 25 Filialen täten sich noch schwer, sagt Vater Roßmann, und der starke Wertverfall der türkischen Lira hat zu einem Verlust im Türkeigeschäft von fünf Millionen Euro geführt.

Diesen Händlern vertrauen die Kunden
Die Unternehmensberatung OC&C Strategy Consultants hat für ihren „Proposition Index 2013“ jüngste Trends und Entwicklungen in der Handelsbranche analysiert. Dafür wurden 30.000 Konsumenten aus neun Ländern zu 660 führenden Handelsunternehmen (darunter über 80 aus Deutschland) befragt. Die Meinung der Kunden zu Preisen, Qualität, Auswahl, Einkaufserlebnis, Service und Vertrauenswürdigkeit des Unternehmens wird in einer Index-Skala mit einem Maximalwert von 100 zusammengefasst. Quelle: dpa
Eines der Ergebnisse der Studie ist, dass die Kunden mehr Vertrauen in den traditionellen Handel haben: Fanden sich 2012 noch fünf reine Onlineformate unter den Top 20, sind es 2013 mit Amazon und Ebay nur noch zwei. "Die reinen Onlineanbieter verlieren im Vergleich zu den stationären Händlern vor allem in den Kategorien Auswahl, Preisstellung und Vertrauen", sagt Christian Ziegfeld, der für die Studie verantwortliche Partner bei OC&C. "In der Konsequenz wenden sich einige Kunden wieder häufiger dem traditionellen Handel zu. Dennoch haben Onlinekonzepte weiterhin gute Wachstumsaussichten." Quelle: dpa
Dem stationären Handel - also dem physischen Geschäft in der Innenstadt - kommt zugute, dass die Kunden wieder mehr Wert legen auf die Vorauswahl und die Orientierung, die der klassische Handel bietet. Auch die Preisvorteile des Onlinehandels sind nicht mehr so ausgeprägt wie früher. Durch das verhältnismäßig starke Wachstum drängen einige Onlineformate zudem in den Massenmarkt. Für Onlinehändler wird es somit immer schwerer, das Produktangebot und das Leistungsversprechen optimal auf den Kunden auszurichten. Quelle: dpa
Der allgemeine Trend setzt sich im Textileinzelhandel fort: Viele stationäre Anbieter überzeugen mit ihrer Sortimentsauswahl, dem Service und der Qualität. Reinen Onlinern fällt es dagegen schwer, mit dem immer breiteren Angebot ein klares Sortimentskonzept zu entwickeln und die steigenden Anforderungen der Konsumenten zu erfüllen. So verliert beispielsweise Zalando gegen den Versandhändler Bonprix, der dank einer konsequenten Value-Strategie den ersten Platz der Textil-Rangliste belegt. Auf den weiteren Plätzen folgen Esprit und Ernsting‘s Family. Zalando (Platz 9) kämpft hingegen mit der wachsenden Breite des Sortiments und bietet zu wenig Orientierung in der Sortimentsauswahl. Quelle: dpa
In der Kategorie Unterhaltungselektronik gab der noch im Jahr 2012 so starke Online-Händler notebooksbilliger.de die Branchenführung ab und bricht um 6,7 Indexpunkte ein, während sich Media Markt und Saturn in der Kundenzufriedenheit leicht verbessern. Die Schwäche von notebooksbilliger.de liegt in der Entwicklung zum Mainstream-Anbieter begründet. Die Onlineformate gewinnen zwar immer mehr neue, aber dafür weniger treue Kunden hinzu. In der Folge sind die Kunden zwar nach wie vor zufrieden, beurteilen die Anbieter aber nicht mehr mit Höchstnoten. Bei Media Markt vollzieht sich der gegenteilige Effekt: Die leicht steigende Kundenzufriedenheit geht auf eine geringere Kundenzahl zurück. So haben nur noch 15 Prozent aller Kunden Media Markt bewertet, 5 Prozent weniger als in 2012. Quelle: dapd
Im Lebensmitteleinzelhandel bleibt Globus in der Kundenzufriedenheit die Nummer eins, dicht gefolgt von Kaufland und Aldi. Edeka verbessert sich um 1,8 Punkte und zieht fast mit Aldi gleich. Bei Netto und Penny zeigt die sorgfältige Arbeit an Format, Sortiment und Kommunikation Effekt: Beide verbessern sich in der Kundenwahrnehmung (um 2,2 bzw. 1,9 Indexpunkte). Aldi profitiert von der Ausweitung des Angebotes an Markenartikeln (+5,0 Indexpunkte) und den Investitionen in die Filialen, die sich beim Einkaufserlebnis bemerkbar machen (+5,6 Indexpunkte). Den stärksten Rückgang der Branche verspürt Metro mit -3,0 Indexpunkten. Der Händler muss vor allem Abschläge bei Sortiment und Kundenvertrauen hinnehmen. Quelle: AP
Unabhängig von der Branche hat es die Parfümerie Douglas unter die beliebtesten Händler der Kunden geschafft. Mit 81,1 Indexpunkten landet die Kette auf Platz drei. Douglas baut seine Stärke vor allem auf klassische Faktoren wie Service, Produktqualität und Einkaufserlebnis. Quelle: dpa

Die Allzweck-Waffe der Familie

Roßmann erzählt das alles gänzlich unaufgeregt. Hat er sich gedanklich schon aus dem Unternehmensleitung zurückgezogen? Heute wurde bekannt, dass Sohn Raoul 2015 Einkaufschef werden soll. "Meine Söhne sind froh, dass der Papa ihnen den Rücken fürs operative Geschäft frei hält. Ich bin so etwas wie die Allzweckwaffe für meine Familie." Da, wo er gebraucht werde, werde er das gerne noch einige Jahre machen. Er sei nicht der "Firmen-Patriarch", der allein entscheide. Vielmehr habe man eine respektvolle Streitkultur in der Familie. In einem der wenigen Interviews, dass Vater und Söhne Roßmann gemeinsam gaben, sagte Dirk Rossmann: "Ich mache hier nicht auf heile Welt, glauben Sie mir. Wir streiten manchmal ganz schön heftig und kritisieren uns, und da wird es auch mal laut." Er sei ja manchmal etwas emotional, gesteht der Firmengründer. " Wir bellen uns an, tun das aber in herzlicher Verbundenheit."

Wie emotional er werden kann, zeigt Roßmann bei seinen Fernsehauftritten. 2012 trat er bei Maybrit Illner auf. Das Thema "Die Causa Wulff". Roßmann verteidigte das Verhalten des damaligen Bundespräsidenten und machte aus seiner Wut über die Medien keinen Hehl: "Wenn man einen Menschen niedermacht für etwas, dass er überhaupt nicht gemacht hat, ist das eine Sauerei!" Roßmann vermutete damals eine "Kampagne" einiger Medien, die lieber Joachim Gauck als Bundespräsidenten gesehen hätten: "Da war eine Intention da, dem Wulff was ans Zeug zu flicken!". An der Kreditaffäre sei nichts dran. "Das Ausland, die "Neue Zürcher Zeitung", die lachen doch schon über uns", ärgerte er sich lautstark und schob hinterher. "Ich taktiere hier nicht, sondern sage einfach, was ich denke, meine Mitarbeiter kennen das.“ Seine Emotionalität mache ihn berechenbar, sagt er, "Es ist nichts Verstecktes dahinter".

Roßmann verbirgt sich nicht hinter getönten Scheiben von Luxusautos, scheint sich auf sein Milliardenvermögen nichts einzubilden. In erster Linie ist er Mensch und Unternehmer, nicht Milliardär.

"Das deutsche Steuersystem ist fair"

Die klischeehafte Darstellung von Reichen in den Medien ärgert ihn. "Deshalb", sagt er "gehe ich in Talkshows. Meine Frau und ich haben keine Villen im Ausland und kein Lear-Jet. Wir wohnen in dem Haus, das wir vor 30 Jahren gebaut haben. Es gibt viele vermögende Menschen, die normal geblieben sind.“ Übrigens auch der dm-Gründer Götz Werner, der ein "bescheidener und guter Typ" sei. Den "Ekelpaketen" von Millionären, die in manchen Fernsehrunden säßen, wolle er etwas entgegensetzen.

Umsatzentwicklung der Rossmann-Märkte von 2009 bis 2013 (zum Vergrößern bitte anklicken). Quelle: Presse

"Zahlen doppelt so viel Steuern wie dm"

So sitzt er dann auch in Runden wie vor einem knappen Jahr bei "Hart, aber fair" mit Linken-Politiker Oskar Lafontaine und dem SPD-Bundestagsabgeordneten Thomas Oppermann und diskutiert über "Den Reichen an den Kragen - wie viel Umverteilung verträgt Deutschland?". Er finde das deutsche Steuersystem fair, betont Roßmann. Wenn einer GmbH-Besitzer einen Steuersatz von gut 30 Prozent habe, sei das doch "absolut zumutbar".

Eine Debatte wie die um Uli Hoeneß macht ihn richtig wütend. "Steuerhinterziehung darf kein Volkssport sein und es ist auch kein Kavaliersdelikt, sondern eine Straftat." Dafür habe er keinerlei Toleranz. Schon wenn sich Unternehmen wie ein Konkurrent damit brüsteten, nur einen kleinen Gewinn zu machen, steigt bei Roßmann der Blutdruck. „Es kann nicht sein, dass jemand sagt, "ich will Geld verdienen, aber keine Verantwortung für die Gesellschaft übernehmen". Es ist wichtig, dass die Wirtschaft funktioniert, dass Unternehmen Gewinn machen und damit auch Steuern zahlen. Wir zahlen doppelt so viele Steuern wie dm. Damit leisten wir unseren Beitrag zum Staatshaushalt. Ich wäre nie stolz darauf, keinen Gewinn zu machen und damit zum Beispiel auch keine Gewerbesteuer zu zahlen. Diese Logik ist mir vollkommen fremd.“

Zum Schluss muss er dann doch noch mit ein paar Missverständnissen mit Hinblick auf den größten Mitbewerber aufräumen, der sich gerne mal "etwas besser darstelle", als er sei. "Das ertragsstärkste Drogerieunternehmen in Europa ist Rossmann – nicht dm. Auf bestehenden Flächen haben wir den Umsatz stärker gesteigert als dm. Wir sind dm eine Nasenlänge voraus – nicht andersherum." Lediglich beim Umsatz, da kann Dirk Roßmann nicht widersprechen, ist dm stärker. 2013 machten Götz Werner mit seinen dm-Märkten schon fast 7,7 Milliarden Euro Umsatz.

Rossmann und dm liegen beim Rennen um Deutschlands größten Drogeristen weiter Kopf an Kopf und es wirkt nicht so, als wolle Dirk Roßmann einen Gang herunterschalten. Nachfolgedebatte hin oder her. Was er gerne geworden wäre, hätte er nicht die Laufbahn als Drogerie-Unternehmen eingeschlagen, will WirtschaftsWoche Online von ihm wissen. Es ist die einzige Frage, auf die wir keine Antwort bekommen. "Die Frage lässt sich nicht beantworten", schreibt uns der Pressesprecher, "auch von ihm nicht. Sie hat sich nie gestellt."

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