Die Deutsche Post will die Produktionskapazität ihres Elektrolieferwagens Streetscooter noch in diesem Jahr verdoppeln. „Wir werden in Nordrhein-Westfalen eine zweite Fabrik für den Streetscooter aufbauen, die noch dieses Jahr starten soll“, sagte der für das Paketgeschäft zuständige Vorstand, Jürgen Gerdes, der „Rheinischen Post“. Er ist auch zuständig für das Start-up, das die E-Lieferwagen entwickelt hat und das seit 2014 der Post gehört.
Neue Jobs würden entstehen, vermutlich im niedrigen dreistelligen Bereich. Bislang arbeiten etwa 200 Menschen in Produktion und Entwicklung des Streetscooters. „Es ist sinnvoll, dass die Techniker und Führungskräfte des Mutterwerkes in Aachen kurze Wege haben“, sagte Gerdes zum Bau der Fabrik in NRW.
Die Post hatte bereits angekündigt, ihre Elektrolieferwagen auch an Dritte verkaufen zu wollen. Die Verträge seien unterschriftsreif, sagte ein Sprecher. Der Verkauf starte quasi jetzt. Der Konzern selbst hat bislang 2500 Fahrzeuge in Deutschland und 100 in den Niederlanden im Einsatz. In den zwei Werken sei eine Produktionskapazität von bis zu 20.000 Stück im Jahr geplant. In diesem Jahr baut die Post voraussichtlich die Hälfte, davon soll wiederum mindestens die Hälfte – also 5000 Fahrzeuge – an Dritte gehen.
Für Vorstandschef Appel hat das Thema höchste Priorität. Die Post will sich 2050 als Null-Emissions-Konzern präsentieren. „Wir sind das erste Unternehmen, das so ein Ziel ausgibt“, erklärte Appel bei der Bilanz-Pressekonferenz Anfang März. „Und das ist nichts, was man sonntags in der Kirche erzählt.“ Appel erhofft sich davon einen klaren Wettbewerbsvorteil gegenüber Konkurrenten.
Der Verkauf an Dritte ist eine Kampfansage an die großen Autohersteller, die sich immer noch in Tests versuchen. „Wir bleiben Motor der Elektromobilität und wollen Marktführer in der grünen Logistik werden“, sagte Gerdes. Handwerker und Lieferdienste warten angesichts drohender Fahrverbote in Städten wie Stuttgart händeringend auf Elektroalternativen.
Dass der Streetscooter auf einer Erfolgswelle schwimmt, wohingegen die Autobauer mit Elektromobilität nur schleppend voran kommen, hat vor allem einen Grund: Die Post benötigte einen einfachen, preiswerten und funktionalen E-Lieferwagen, ohne viel Schnickschnack und Design.
Konkurrenz setzt auf Partner aus der Autobranche
Während Gerdes bei den Autobauern auf taube Ohren stieß, wurde er beim Start-up Streetscooter in Aachen fündig. Gemeinsam mit Instituten der Uni RWTH entwickelten die Firmengründer Achim Kampker und Günther Schuh dann Elektrofahrzeuge nach den Vorgaben der Post. Vor zwei Jahren übernahmen das Unternehmen die Streetscooter GmbH vollständig.
In der Paketzustellung ist aber auch die Konkurrenz mit E-Fahrzeugen am Ball – ob UPS, Hermes oder DPD. Doch keiner tüftelt so intensiv wie die Post an Eigenentwicklungen. Sie setzen vielmehr auf Partner der Autobranche.
Volkswagen will im Herbst die ersten Elektro-Crafter – etwa so groß wie Mercedes-Sprinter - zur Erprobung an Kunden übergeben. Daimler will bis 2020 dem Paketdienst Hermes 1500 Elektrotransporter der Reihen Vito und Sprinter liefern. Anfang 2018 soll es mit Pilot-Einsätzen in Stuttgart und Hamburg losgehen. Daimler hatte schon 2012 einen Transporter mit E-Antrieb auf den Markt gebracht, das Angebot aber mangels Nachfrage eingestellt.
Was die Post mit ihrer Strategie 2020 erreichen will
Auch der Kohlenstoffdioxid-Ausstoß soll verringert werden: Bis 2020 will die Post ihre Energie-Effizenz um 30 Prozent verbessern. Vor kurzem kaufte der Dax-Konzern zum Beispiel den deutschen Elektroauto-Entwickler Streetscooter auf.
Die Aktie Gelb soll weiter steigen: Post-Chef Frank Appel möchte zur ersten Wahl für Anleger werden. Zwischen 40 und 60 Prozent des Nettogewinns sollen die Aktionäre jährlich als Dividende ausgeschüttet bekommen.
Auch die Kundenzufriedenheit soll steigen - auf über 80 Prozent. Nach Recherchen der WirtschaftsWoche beschwerten sich allerdings vor allem deutsche Großkunden zuletzt über die Briefzustellung.
Der Gewinn ist die wichtigste Ziellinie in der Strategie 2020: Bis zum Ablauf der Frist will Appel fünf Milliarden Euro Plus machen. Dazu müsste er pro Jahr den Gewinn um acht Prozent steigern. Die Brief- und Paketsparte, die ihren Umsatz vor allem in Deutschland macht, soll drei Prozent Gewinnsteigerung pro Jahr dazu beisteuern - das Expressgeschäft, die Logistik- und Speditionssparten müssen zehn Prozent mehr im Jahr verdienen.
Kein anderer Dax-Konzern hat so konkrete und zugleich so ehrgeizige Ziele.
In Deutschland hat der durch den Onlinehandel ausgelöste Paketboom die Deutsche Post weit nach vorne getrieben. Jetzt will der Bonner Konzern diesen Effekt auch in den Schwellenländern mitnehmen: Bis 2020 soll sich der Marktanteil in diesen Regionen von 22 auf 30 Prozent erhöhen. Der Fokus liegt dabei auf Brasilien, Indien, China, Russland und Mexiko.
Auch bei den Mitarbeitern möchte die Post die erste Wahl sein. Ziel des Vorstand ist es, in den Mitarbeiterbefragung eine Zustimmungsquote von über 80 Prozent zu erlangen. Zuletzt lag die Quote bei ungefähr 70 Prozent.
Die Post will ihren Kunden über ihre Tochter Post Service ähnliche Dienstleistungen und Garantien anbieten wie Volkswagen oder Mercedes. „Es wird eine Werkstattgarantie wie bei klassischen Autoherstellern geben“, so Gerdes. „Wir haben bereits einige Hundert Werkstätten in Deutschland zertifiziert, die den Streetscooter warten können – bisher für uns, künftig auch für Fremdkunden.“
Offenbar ist die Nachfrage so hoch, dass Post und Streetscooter bereits über ein drittes Werk nachdenken. Das werde aber näher bei möglichen Fremdkunden liegen, sagte Gerdes der „Rheinischen Post“. Außerdem prüfe man auch den Sprung nach Übersee, beispielsweise Indien, Thailand oder die USA. „Auf Dauer ist ein Verkauf von 100.000 Stück pro Jahr mit dann zehn Werken weltweit denkbar“, erklärte Gerdes. Ein Börsengang sei zwar „nicht geplant, aber auch nicht ausgeschlossen“, fügte er hinzu.